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Die Ware Pflege

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Von: Wolfgang Kessler

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Finanzinvestoren drängen zunehmend in die Pflege. Die Politik schweigt. Gefordert ist eine radikale Umkehr: dass Pflege eine öffentliche Aufgabe ist. Die Gastwirtschaft.

Ü ber den „Pflegenotstand“ wird oft diskutiert. Eines aber wird gerne verschwiegen: Dass zunehmend Finanzinvestoren in die Pflege drängen. Erst vor Kurzem hat die Anlagefirma Oaktree Capital aus Kalifornien die Hamburger Vitanas Holding mit 8300 Mitarbeitern übernommen.

Klar: Auch private Betreiber können gute Pflege bieten. Bei vielen Finanzinvestoren ist die Pflege jedoch nur Mittel zum Zweck. Es handelt sich dabei um spekulative Fonds oder Vermögensverwalter, die nur ein Ziel verfolgen: Sie wollen das Geld der reichen Institutionen und Einzelpersonen mehren, die es bei ihnen angelegt haben. Deshalb versuchen sie vor allem, den Wert ihrer Pflege-Immobilien zu steigern. Um diese dann mit hohem Gewinn weiter zu verkaufen. Auch die Oaktree Capital plant dies. Der Wert der Pflegeheime lässt sich am besten steigern, wenn man die Kosten senkt: Beschäftigte werden unter Tarif bezahlt, Küchendienste und Reinigung ausgelagert, Arbeitszeiten verdichtet.

Die Politik schweigt, weil sie den Investoren die Tür geöffnet hat. Mitte der 1990er-Jahre hat die rot-grüne Bundesregierung private mit anderen Anbietern in der Pflege gleichgestellt. Gleichzeitig hat sie die Spekulanten auf dem deutschen Kapitalmarkt zugelassen. Die Politik wollte mehr privates Kapital für die Pflege und hat es bekommen. Allerdings fließen jetzt oft fünf oder gar zehn Prozent der Pflegekassenbeiträge an private Investoren.

Gefordert ist eine radikale Umkehr: nämlich das Bekenntnis, dass Pflege eine öffentliche Aufgabe ist. Der Staat muss mehr Steuergelder in die Pflege investieren. Auch eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung darf kein Tabu sein. Nach einem Gutachten von Verdi würde es schon ausreichen, den Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte anzuheben, um 38 000 zusätzliche Beschäftigte – die Hälfte davon Fachkräfte – zu finanzieren. Für Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro im Monat würde die Abgabenlast gerade mal um 1,50 Euro steigen, ebenso für den Arbeitgeber. Das ist nicht mehr als der Preis für zwei Schokoriegel.

Damit diese Gelder nicht an Investoren fließen, sollten die Gewinne privater Anbieter in der Pflege begrenzt werden. Dann wird sie für Finanzinvestoren uninteressant. Und die Politik macht deutlich: Pflegebedürftige sind keine Renditeobjekte.

Wolfgang Kessler ist Wirtschaftspublizist und Chefredakteur der christlichen Zeitschrift Publik-Forum.

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