Wärmepumpen, Solaranlagen, E-Autos: Warum das Stromnetz an seine Grenzen kommt
Der erwartete Boom bei E-Autos oder Wärmepumpen könnte die deutschen Stromnetze an ihre Grenzen bringen. Verbände warnen sogar vor dem Kollaps - und fordern die Politik zum Eingreifen auf.
Berlin – 500.000 Wärmepumpen pro Jahr sollen in Deutschland ans Netz gehen. Dazu sollen künftig Millionen E-Autos auf den Straßen fahren, die alle aufgeladen werden müssen. Zudem werden bis 2030 nach aktuellen Schätzungen 900.000 private Fotovoltaikanlagen pro Jahr ans Netz angeschlossen. Damit ist klar: Das deutsche Stromnetz steht vor einer ungeahnten Belastungsprobe.
Stromnetz: Wohnungsunternehmen können Wärmepumpen nicht anschließen
Wegen der aktuellen Debatte um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sind derzeit besonders Wärmepumpen im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Erst unlängst gab das Wohnungsunternehmen Vonovia bekannt, dass man zahlreiche Wärmepumpen wegen einer möglichen Überlastung des Stromnetzes nicht in Betrieb nehmen könne. Es handele sich dabei um 70 Wärmepumpen, die jeweils einen Wohnblock beheizen sollten. Vonovia ließ im vergangenen Jahr 115 Wärmepumpen in 108 Wohnblöcken installieren. Der Konzern will eigentlich in den nächsten fünf Jahren 6000 Wärmepumpen installieren.
Es ist aber nicht nur Vonovia, das von Engpässen im Stromnetz berichtet. Auch andere Unternehmen wie etwa das Wohnungsunternehmen LEG befürchtet, dass es „perspektivisch Engpässe beim Netzausbau“ geben werde - mit entsprechenden Problemen.
Stabile Strom-Versorgung: Verteilnetze brauchen Investitionen
Der Stromnetzbetreiber EWE berichtet, dass man noch keinen Wärmepumpenanschluss wegen unzureichender Netzkapazitäten ablehnen musste. Probleme gebe es nur dann, wenn die Wärmepumpe nicht rechtzeitig und vorschriftsgemäß angemeldet wird. Bevor eine elektrische Wärmepumpe angeschlossen werden kann, müssen Netzbetreiber nämlich die Belastungen am jeweiligen Ort prüfen.
Dabei ist das Problem aus Sicht von Experten nicht, dass es insgesamt zu wenig Strom gibt. Vielmehr geht es um die Verteilnetze, die an ihre Belastungsgrenzen kommen.

Das Stromnetz unterteilt man in zwei Unterkategorien: das Übertragungsnetz und das Verteilnetz. Das Übertragungsnetz leitet den Strom von der Erzeugung - beispielsweise von Windparks - über die Hochspannungsleitungen durch ganz Deutschland. Sie werden oft die „Stromautobahnen“ genannt. Über das Verteilnetz wird der Strom dann an die Verbraucher geleitet.
In der Debatte um das Stromnetz wird häufig von den Kapazitäten im Übertragungsnetz gesprochen. Doch Experten warnen, dass das Problem im Verteilnetz lauert. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), warnte gegenüber dem Handelsblatt, dass der Ausbau der Übertragungsnetze zwar schon seit Jahren massiv vorangetrieben werde, die Investitionen in die Verteilnetze aber deutlich hinterherhinken.
Überlastete Stromnetze: Gesetzesänderung könnte Abhilfe schaffen
Deswegen fordern Liebing oder die Bundesnetzagentur eine Gesetzesänderung, die es den lokalen Netzbetreibern ermöglichen würde, stärker in die Verteilung des Stroms einzugreifen. Also: Wenn das örtliche Stromnetz droht, an seine Belastungsgrenze zu kommen, sollen Wärmepumpen oder E-Autos durch den Betreiber vom Netz genommen werden können.
„Wenn die Verteilnetzbetreiber die Möglichkeit bekommen, in begrenztem Umfang steuernd in den Betrieb von Wärmepumpen oder in Ladevorgänge von E-Autos einzugreifen, ist das eine Unterstützung für den Wärmepumpen-Hochlauf, weil es die Netze entlastet. Wir erkaufen uns damit Zeit“, so VKU-Geschäftsführer Liebing. Aktuell ist das gesetzlich nicht erlaubt.
Stromnetz: Prüfung bei Solaranlagen
Ein weiteres Problem ist aktuell der Ausbau privater und gewerblicher Solaranlagen, die die Strom-Bürokratie durcheinanderbringen. So berichtet etwa Eon gegenüber dem Handelsblatt von einer Verdopplung der Anträge für einen Solar-Anschluss im vergangenen Jahr.
Um eine Solaranlage anzuschließen, muss der Netzbetreiber erst eine Netzverträglichkeitsprüfung durchführen. Dort, wo das Verteilnetz aber schon sehr viele Anlagen angeschlossen hat, die alle Strom einspeisen, muss das Verteilnetz erst verstärkt werden, bevor es nochmal größere Strommengen aufnehmen kann. Und dafür muss erst ein langwieriges, bürokratisches Genehmigungsverfahren durchlaufen werden – das im Schnitt acht bis zwölf Jahre dauern kann.