Volkswagen streicht Investitionen

Konzernchef Müller reduziert Ausgaben für das nächste Jahr um fünf Milliarden Euro. Unter anderem wird der Bau eines neuen Designzentrums in Wolfsburg gestrichen.
Wieder ein Tag der Entscheidung bei Volkswagen: Das Management hat beschlossen, die Investitionen drastisch zu kürzen. Fürs nächste Jahr sind nur noch Ausgaben von 12 Milliarden Euro vorgesehen. Eigentlich wären rund 17 Milliarden Euro vorgesehen gewesen. Vorstandschef Matthias Müller sagte, was nicht zwingend notwendig sei, werde gestrichen oder geschoben. Aber: „Wir werden nicht den Fehler machen und uns um unsere Zukunft sparen.“ Auch sei kein Jobabbau bei der Stammbelegschaft geplant.
Europas größter Autobauer hat sich durch den Abgasskandal mit Betrugssoftware unkalkulierbare finanzielle Risiken eingehandelt. Analysten wie Frank Schwope von der NordLB gehen davon aus, dass Belastungen von mindestens 30 Milliarden Euro zu erwarten sind. Experten der Ratingagentur Moody’s haben Volkswagen kürzlich herabgestuft, weil sie befürchten, dass der Konzern finanziell weniger flexibel werden könnte. Die Agentur droht VW mit weiteren Abstufungen.
Auch diese Bewertung hat dazu beigetragen, dass der Konzern derzeit auf dem Kapitalmarkt bei der Ausgabe von Anleihen spürbare Aufschläge zahlen müsste. Es soll deshalb bereits Verhandlungen für eine Zwischenfinanzierung über rund 20 Milliarden Euro mit mehreren Banken geben. Mit dem Herunterfahren der Investitionen steigt nun der Spielraum des Konzerns, was es einfacher macht, von Geldhäusern Kredite zu bekommen.
„Zeit der Unsicherheit und Volatilität“
Gestrichen wird unter anderem der Bau eines neuen Designzentrums im Wolfsburger Stammwerk, was allein 100 Millionen Euro bringt. Gestrichen ist auch die Entwicklung des Nachfolgemodells der Oberklasse-Limousine Phaeton. Das ist bemerkenswert, weil Müller gerade bei der Elektromobilität nicht sparen, sondern im kommenden Jahr sogar noch 100 Millionen Euro drauflegen will. Den Phaeton-Erben sollte es nur als Stromer geben, er hätte ein Vorzeige-Fahrzeug werden können.
Als weiteres Feld für mehr Investitionen trotz Krise nennt Müller den Megatrend Digitalisierung – Autos werden vernetzt und sollen in einigen Jahren autonom fahren. Doch auch bei eher konventionellen Investitionen will der Vorstandschef weitermachen. Das berühmte Baukastensystem von Volkswagen soll weiterentwickelt und Kapazitäten in Werken sollen erweitert werden, unter anderem für den nächsten VW Golf und den nächsten Audi Q5. Dahinter steckt, dass Autobauer besonders gefährdet sind, wenn sie bei Novitäten nachlassen.
Müller sprach am Freitag nach einer Aufsichtsratssitzung von einer „Zeit der Unsicherheit und Volatilität“. Ungemach droht dem Konzern unter anderem in den USA. Die nationale und die kalifornische Umweltbehörde erwarteten am Freitag von Volkswagen ein Konzept, wie der Stickoxidausstoß von 500 000 Diesel-Autos auf den zulässigen Grenzwert reduziert werden kann. Das dürfte ein Präjudiz werden für den Umgang mit den weltweit insgesamt elf Millionen mangelhaften Fahrzeugen. Nicht abschätzbar sind die Belastungen aus Strafzahlungen und Schadenersatzklagen von Volkswagen-Kunden und von Aktionären.
Die im Konzern einflussreiche Gewerkschaft IG Metall ist seit Freitag wieder mit ihrem Vorsitzenden, Jörg Hofmann, im VW-Aufsichtsrat vertreten.