Urteil: Umland von Windparks verdient mit

Ein Modell, das Anwohnerinnen und Anwohner an den Projekten beteiligt, ist rechtens. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Bundesländer können die Betreiber von Windparks dazu verpflichten, angrenzende Nachbar:innen finanziell zu beteiligen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag bekanntgegeben und damit das Pilotgesetz von Mecklenburg-Vorpommern in allen wesentlichen Punkten für verfassungsgemäß erklärt. Zur Begründung verweist der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts auf die gewichtigen „Gemeinwohlziele des Klimaschutzes und der Sicherung der Stromversorgung“.
Mecklenburg-Vorpommern war das erste Bundesland, das im Mai 2016 ein Beteiligungsmodell einführte, um die Akzeptanz von Windenergieprojekten zu erhöhen. Nach dem Landesgesetz sind Betreiber von Windkraftanlagen verpflichtet, eine Gesellschaft zu gründen und zwanzig Prozent der Anteile den Anwohner:innen und Gemeinden im Umkreis von fünf Kilometern anzubieten. Dabei darf ein Anteil maximal 500 Euro kosten. Das Gesetz kann folglich dazu führen, dass es eine Projektgesellschaft mit einer Vielzahl von Anteilseigner:innen zu tun hat und sich auch mit beteiligten Kommunen abstimmen muss. Es gibt aber auch eine Alternative zu den Gesellschaftsanteilen. Die Projektbetreiber können eine jährliche Ausgleichsabgabe anbieten. In jedem Fall bleibt es aber bei der finanziellen Beteiligung der angrenzenden Nachbar:innen und Kommunen.
Gegen diese Verpflichtungen legte ein Unternehmen Verfassungsbeschwerde ein. Das Gesetz verletze die Berufsfreiheit und das Eigentumsrecht, außerdem besitze Mecklenburg-Vorpommern nicht die Kompetenz zum Erlass eines solchen Gesetzes. Beide Argumente wurden vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen. Nur die frühzeitigen Informationspflichten, die das Gesetz den Unternehmen auferlegt, beurteilte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts als unverhältnismäßig. Dieser kleine Punkt berührt den Inhalt des Beteiligungsgesetzes aber nur am Rande.
Klimawandel im Fokus
Dabei räumen die acht Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter des Ersten Senats ein, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit der Betreiber „schwerwiegend“ ist. Aber auf der anderen Seite stünden wichtige Gemeinwohlziele, nämlich den Klimawandel aufzuhalten. Der Investor hatte argumentiert, dass die Einsparung von Kohlendioxid durch einen Windpark in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum globalen Ausstoß so gering sei, dass er kaum zur Einsparung von CO2 beitrage. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit könne folglich nicht mit Klimaschutz begründet werden.
Diese Auffassung teilte der Erste Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Stephan Harbarth nicht. Es liege „in der Natur der Sache, dass einzelnen Maßnahmen für sich genommen nicht die allein entscheidende Wirkung zukommt,“ so die Entscheidung. Der Klimawandel könne aber nur angehalten werden, „wenn all diese vielen, für sich genommen oft kleinen Mengen von CO2-Emissionen lokal vermieden werden.“ Außerdem könne ein Windpark-Betreiber den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Kommunen alternativ Abgaben oder Sparprodukte anbieten und so eine Vielzahl von Mitgesellschafter:innen vermeiden.
Die Entscheidung traf übrigens derselbe Senat, der den Staat vor einem Jahr zu schärferen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet hatte, weil andernfalls die folgende Generation den Klimawandel nur noch mit brachialen Maßnahmen mildern könnte.
AZ: 1 BvR 1187/17