Unsere Autos sind keine rollenden Verzichtserklärungen

BMW-Tüftler Ulrich Kranz spricht im Interview über Elektroantriebe, Premiummodelle und die Mobilität der Zukunft, etwa das Carsharing.
Wie sieht die Zukunft des Automobils aus? Für BMW-Manager Ulrich Kranz wird der Pkw Teil eines Netzwerks, zu dem auch Fahrräder, Busse und Bahnen gehören. In großen Städten könnten so Lärm und Abgase erheblich reduziert werden. Der bayerische Autobauer will bei diesen neuen Verkehrskonzepten eine zentrale Rolle spielen.
Herr Kranz, ich nehme an, das Elektroauto von BMW, der i3, ist Ihr aktuelles Traumauto?
Der BMW i3 als Stadtfahrzeug und der BMW i8, der Sportwagen mit Elektro- und Verbrennungsmotor, um längere Strecken zu fahren, das hat was. Das ist technologisch schon eine coole Sache. Aber als Entwickler findet man natürlich immer Dinge, die man besser machen kann.
Wollen Sie damit sagen, dass BMW Ende 2013 mit dem i3 ein technisch veraltetes Auto auf den Markt bringt?
Ganz bestimmt nicht. Ich spreche von dem, was in Zukunft technisch möglich ist. Bei den Batterien werden wir in den nächsten Jahren eine enorme Entwicklung sehen. Die werden erheblich leistungsfähiger und kleiner. Die Reichweite der Elektroautos wird künftig zunehmen. Oder die E-Maschine. Viele Elektromotoren sind für den stationären Einsatz und nicht für Automobile entwickelt worden. Auch das wird sich in Zukunft weiter ändern.
Was schlagen Ihre Ingenieure zur Verbesserung vor?
Kleiner, leichter. Vielleicht verzichten wir bald ganz auf Magneten. Karbon könnte in den Elektromotoren zum Einsatz kommen. Wir haben da gute Ideen. Die Leute, die einst bei BMW die Bremskraftrückgewinnung für die Formel 1 entwickelt haben, kümmern sich heute um die Elektromotoren für Serienautos. Da gibt es großes Potenzial.
Das klingt sehr optimistisch. Doch die Elektromobilität kommt nicht in die Gänge. Der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen bewegt sich im Promillebereich. Hat die E-Mobilität ihre Zukunft schon wieder hinter sich?
Das sehe ich nicht so. Kein Autobauer kommt in Zukunft mehr ohne elektrische Antriebe aus. Wir brauchen das richtige Angebot für neue Rahmenbedingungen. Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass vielleicht schon in naher Zukunft Stadtverwaltungen beschließen, dass in den Innenstädten nur noch emissionsfreie Autos fahren dürfen.
Chinesischen Stadtverwaltungen ist das zuzutrauen.
Zum Beispiel. Diese Szenarien sind ja nicht aus der Luft gegriffen. In Peking dürfen Sie nicht mehr mit Mopeds oder Motorrädern mit Verbrennungsmotor in der Innenstadt fahren. In anderen Städten gibt es ähnliche Restriktionen. Deshalb sind in China schon Millionen von Elektroroller unterwegs. Die Elektromobilität ist längst Wirklichkeit.
In Europa drohen solche Restriktionen nicht. Experten erwarten, dass die Autobauer die relativ laxen CO2-Grenzwerte, die von 2014 an in der EU gelten, locker unterbieten. Es besteht kaum Druck, die Umweltverschmutzung durch Autos maßgeblich zu reduzieren.
Da muss ich widersprechen. Die Anstrengungen, die wir da machen müssen, sind schon erheblich.
Weil BMW immer schwerere und stärkere Autos mit Verbrennungsmotoren baut?
Da muss ich erneut widersprechen. Wir schaffen es, bei weniger Verbrauch mehr Leistung und Dynamik zu erzeugen – auch durch Leichtbau und hocheffiziente Verbrennungsmotoren. Unsere Autos sind Premium-Produkte und keine rollenden Verzichtserklärungen. Dafür bekommen wir auch einen Mehrpreis. Das wird künftig auch für Elektrofahrzeuge gelten.
Brauchen wir nicht härtere Abgasvorschriften, um diese umweltfreundlichen Antriebe zu fördern?
Das allein würde nicht reichen. Schauen Sie sich eine E-Maschine an. Das ist ein einfaches Aggregat. Die hat keinen Verschleiß und wenig Bauteile. Die Möglichkeiten, die darin stecken, müssen genutzt werden. Wenn sich dann die Stückzahlen entwickeln, werden die Autos preiswerter. Deshalb bauen wir auch nicht auf staatliche Absatzförderung für Elektroautos. Ich hatte ja auch das Vergnügen, den Mini zu entwickeln. Als wir ankündigten, einen Kleinwagen fürs Premiumsegment zu machen, war anfangs die Skepsis ebenfalls groß.
Aber wer soll eigentlich den i3 kaufen – einen Kompaktwagen für mehr als 40.000 Euro?
Wir haben den Preis noch nicht genannt. Für den BMW i3 gibt es einen Markt. Wir haben sehr genau die Bedürfnisse der Menschen für ein Stadtauto wie den BMW i3 analysiert. Nutzerfreundlichkeit spielt eine wichtige Rolle. Die Leute können nahtlos ihren Rechner in die Kommunikation an Bord integrieren. Der Fahrer kommt ohne sich zu verrenken an seine Aktentasche. Sie können in dem Auto arbeiten. Es gibt – vereinfacht gesagt – in dem Auto eine Sitzbank, einen Tisch und einen Flachbildschirm. Es gibt keine Mittelkonsole, es soll schon wohnlich aussehen.
Wie viel i3 will BMW im ersten Jahr verkaufen?
Das verrate ich noch nicht. Aber wir haben uns etwas vorgenommen. Das ist kein Nischenprodukt aus einer Manufaktur, sondern ein Großserienauto.
Mit dem i3 geht BMW ein hohes Risiko ein. Warum entwickeln Sie keinen preisgünstigen Kleinwagen mit einem sparsamen Verbrennungsmotor?
Unsere Befragungen in vielen Ländern haben ergeben, dass die Leute kein Kleinstauto wollen. Verzicht ist keine Lösung. Das andere, was immer bei Befragungen wieder rauskommt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Da reicht ein Auto ohne Auspuff nicht. Das gesamte Konzept muss stimmen – von der Produktion bis zum Recycling des Autos.
Was ist der nächste Schritt? Wann kommt das Öko-Mittelklasse-Elektroauto?
BMWi ist eine Submarke, hier können wir uns Dinge erlauben, die in die klassische BMW-Produktlinie nicht passen, die aber dann sukzessive kommen. Kurz nach dem BMW i3 kommt Anfang 2014 der BMW i8, der Sportwagen mit Hybridantrieb, dessen Batterie per Steckdose aufladbar ist. Zwischen i3 und i8 ist noch genug Raum für weitere Modelle, das wurde bewusst so gewählt. Doch dazu kann ich Ihnen jetzt noch nichts sagen. Aber wir werden ganz bestimmt auch in anderen Produktlinien die Elektrifizierung noch deutlich verstärken.
Betrübt es Sie, dass die Ölpreise zuletzt wieder gefallen sind? Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung der E-Mobilität ganz stark davon abhängt, wie stark die Ölpreise steigen.
Vergessen Sie nicht, dass ich immer noch bei der BMW-Group arbeite. Ich bin natürlich nicht betrübt.
Im Jahr 2025 wird Benzin garantiert teurer sein als heute. Fahren dann nur noch Elektroautos durch die großen Städte?
Es wird dann immer noch Verbrenner geben. Abgesehen vom Ölpreis werden wir dann ganz andere Konzepte zur Verkehrslenkung sehen. Wenn Sie mit einem Auto mit Verbrennungsmotor in einer Stadt fahren wollen, müssen Sie dafür dann hohe Gebühren oder Steuern zahlen. In der Stadt werden Sie deshalb dann vor allem elektrisch fahren, aber lange Strecken in vielen Fällen mit Verbrennungsmotoren zurücklegen.
Werden die Autofahrer diese Fahrzeuge dann noch kaufen oder werden sie dann nur noch per Carsharing gemietet?
Wir glauben daran, dass das Carsharing, das wir voriges Jahr gestartet haben, deutlich an Bedeutung gewinnt. Vor allem jüngere Leute nutzen unser Carsharing Drive-Now in München, Berlin und Düsseldorf. Jetzt kommt noch Köln hinzu.
Das heißt, Sie gehen mit Drive-Now in weitere Städte?
Drive-Now läuft so gut, dass wir uns absolut sicher sind, dass noch mehr Städte dazu kommen. Natürlich werden dann auch Elektrofahrzeuge dabei sein, das bietet sich für urbane Regionen an.
Am Stehen im Stau können Sie aber auch mit E-Autos nichts ändern.
Stimmt. Wir müssen hin zu intermodalen Lösungen. Sie können dann für den Weg von der Frankfurter Hauptwache zum Haus der Kunst in München mit ihrem Smartphone auswählen und buchen, ob sie mit der geringsten CO2-Belastung am komfortabelsten oder am schnellsten reisen möchten. Idealerweise wird das dann mit einer App erledigt. Da kann dann auch dazu gehören, dass am Münchner Hauptbahnhof ein reserviertes Miet-Fahrrad für Sie bereitsteht.
Wäre es nicht das Konsequenteste, die Städte möglichst vom Individualverkehr zu befreien?
Unsere Befragungen haben gezeigt, dass die Stadtverwaltungen und die Stadtplaner keineswegs autofreie Städte haben wollen. Allerdings gibt es Unterschiede. Für eine Stadt wie Barcelona wurden Elektroroller gewünscht. In Los Angeles geht es eher um die Reichweite von E-Autos. Weniger Emissionen wollen alle. Und alle wollen die Verkehrssysteme vernetzen, um sie effizienter zu organisieren, um Staus zu vermeiden.
Werden dann die Nutzer plötzlich merken, wie teuer und umweltschädlich Autofahren ist?
An den intermodalen Lösungen kommen alle Autobauer ohnehin nicht vorbei, weil die Kunden wollen, dass die Fahrt so unkompliziert wie möglich gestaltet wird. Autofahren muss nicht umweltschädlich sein. Wenn sie mit dem Elektroauto mit Grünstrom durch die Stadt fahren, haben Sie eine ziemlich gute Ökobilanz.
Beim i3 soll das auch mit Leichtbau mittels Aluminium und Karbonfaser erreicht werden. Doch dieser Werkstoff frisst in der Produktion Riesenmengen von Energie. Wird damit nicht die Ökobilanz sehr negativ?
Nein. Der Energieaufwand ist in Wirklichkeit überschaubar. Und sie benötigen dafür ausschließlich Strom. Das gilt auch für Aluminium. Für hochfeste Stahlkarosserien hingegen brauchen wir Koks.
Wenn das alles so einfach ist, warum lassen sie die Karbonfasern in den USA an einem einsamen See herstellen?
Wir könnten das auch hierzulande tun. Dann würde aber unser Vorsatz, das Auto mit möglichst wenig CO2-Emission zu bauen, unterlaufen. Dort arbeiten wir mit Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft. Das ginge hierzulande angesichts des deutschen Strommixes nicht. Außerdem ist der Strom dort erheblich billiger als in Deutschland.
Da kommt dann doch die krude Betriebswirtschaft ins Spiel.
Natürlich denken wir auch immer betriebswirtschaftlich. Die eigentliche Fertigung des BMW i3 geschieht in unserem Werk in Leipzig. Und auch dort können wir erheblich effizienter als bei Autos mit Stahlkarosserien produzieren, denn viele energieintensive Prozesse wie das Schweißen fallen weg. Dort wird stattdessen geklebt. Wir verbrauchen 70 Prozent weniger Wasser und 50 Prozent weniger Strom als bei der konventionellen Automobilproduktion. Und den Strom für die Produktion erzeugen wir mit vier Windrädern.
Das Gespräch führte Frank-Thomas Wenzel.