Ungleichbehandlung soll entschärft werden
Die Koalition will Härten für Rentner durch eine 9/10-Regelung in der Krankenversicherung abmildern.
Drei Kinder hat Marianne N. großgezogen, fast drei Jahrzehnte war sie in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung versichert. Als die Schneiderin dann in Rente ging, kam der Schock: Von ihrer Mini-Rente in Höhe von 600 Euro muss sie mehr als die Hälfte an die Krankenkasse überweisen. Denn sie fällt unter die sogenannte 9/10-Regelung, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, aber einschneidende Folgen haben kann. Appelle und Petitionen von Betroffenen führten bislang zu keiner Änderung der Rechtslage.
Doch nun könnte die große Koalition durch eine Gesetzesänderung erreichen, dass zumindest für Mütter und Väter Härten vermieden werden.
Rentner sind in der Regel in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert und zahlen Beiträge entsprechend der Rentenhöhe. Vorteil der „Krankenversicherung der Rentner“ (KVdR) ist unter anderem, dass auf private Einkünfte wie Zinsen oder Privatrenten keine Beiträge gezahlt werden müssen. Zudem gibt es keinen Mindestbeitrag. Den KVdR-Status erhalten aber nur Rentner, die in der zweiten Hälfte ihrer Erwerbszeit zu mindestens 90 Prozent gesetzlich krankenversichert waren – daher der Name 9/10-Regelung. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber verhindern, dass privat Versicherte bei zunehmenden Kosten im Alter in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln und sich damit gewissermaßen die Rosinen aus beiden Systemen herauspicken. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass die Regelung zu unbilligen Härten führen kann.
Folgende Konstellation ist nicht ungewöhnlich: Eine Frau ist jahrelang gesetzlich versichert, heiratet dann einen Beamten und lässt sich während der Erziehungszeit für die Kinder über ihren Ehemann absichern. Jahre später wird sie geschieden und ist dann wieder gesetzlich versichert. Weil die 9/10-Regelung dennoch nicht erfüllt wird, muss sie dann unabhängig von ihrer tatsächlichen Rente einen Mindestbeitrag von rund 140 Euro zahlen – eine Summe, die bei allen anderen Rentnern erst ab etwa 1000 Euro Rente erhoben wird. Außerdem werden auch auf Unterhaltszahlungen Beiträge fällig – egal, ob sie tatsächlich geleistet werden oder nicht.
Politiker von Union und SPD wollen die Regelung nun abmildern. Für jedes Kind sollen künftig drei Jahre als Vorversicherungszeit angerechnet werden. Es wird also so getan, als sei der Betroffene in dieser Zeit Mitglied einer Kasse gewesen. Die Änderung, die der FR vorliegt, soll noch im Frühjahr beschlossen werden. Wie viele Menschen profitieren würden, ist unklar. Bekannt ist nur, dass insgesamt etwa 200 000 Rentner freiwillig versichert sind.
Gegen die Pläne gibt es Widerstand in den eigenen Reihen und der gesetzlichen Krankenversicherung, so dass die Beschlussfassung unsicher ist. Das Ziel sei nachvollziehbar, so der Kassen-Spitzenverband. Die generalisierende Ausnahmeregel könne aus „ordnungspolitischen Gründen“ aber nicht unterstützt werden.