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Unternehmen beenden Geschäfte in Russland – Öffentlicher Druck steigt

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Von: Delia Friess

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Immer mehr Unternehmen ziehen sich aus Russland zurück. Der Image-Schaden könnte größer sein, als die Verluste.

Berlin – Viele Unternehmen haben sich aus Protest gegen die Invasion von Russland* in die Ukraine* bereits vom russischen Markt zurückgezogen - unabhängig von den durch die EU* und den USA gegen Russland verhängten Sanktionen. Die School of Management der Yale Universität veröffentlichte am 10.03.2022 eine Liste der Unternehmen, die entsprechende Schritte bereits gehen oder planen. Demnach hätten bereits über 300 Unternehmen ihre Geschäfte in Russland beendet oder eingeschränkt.

Zuletzt stellten auch der Lebensmittelhersteller Nestlé, der Tabakkonzern Philip Morris International und der Medienkonzern Sony ihre Aktivitäten in Russland wegen des Ukraine-Krieges* weitgehend ein, wie die britische Zeitung Independent berichtet. Demnach wolle Nestlé nur noch „unverzichtbare Produkte“ vertreiben.

Russland: Wegen Ukraine-Krieg beenden immer mehr Unternehmen Geschäfte in Russland

Auch der Rückzug von Shell und BP dürfte Russlands Wirtschaft erheblich treffen. Shell hatte zunächst zu einem Dumping-Preis von 28,50 Dollar 725.000 Barrell Öl eingekauft, wie das Manager Magazin berichtet. Am 5. März fragte deshalb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba Shell auf Twitter, ob russisches Öl nicht nach ukrainischem Blut rieche. Daraufhin hagelte es auf Twitter Kritik und Protestaufrufe gegen Shell.

Das Unternehmen twitterte kurz darauf ein Statement, in dem der Konzern den Kauf damit erklärte, dass keine anderen Quellen die Rohstoffe rechtzeitig liefern könnten. Das Geld aus den Einnahmen wolle Shell spenden. Drei Tage später veröffentlichte Shell dann eine Pressemitteilung. Darin heißt es, dass sich das Unternehmen nun doch schrittweise aus Geschäften mit Rohöl, Erdölprodukten, Gas und Flüssigerdgas (LNG) zurückzuziehen werde. In einem ersten Schritt werde das Unternehmen alle Spotkäufe von russischem Rohöl einstellen und dann auch seine Tankstellen und den Verkauf von Flugkraftstoffen und Schmiermitteln in Russland schließen.

„Wir sind uns darüber im Klaren, dass unsere Entscheidung von letzter Woche, eine Ladung russisches Rohöl zu kaufen, um es zu Produkten wie Benzin und Diesel zu raffinieren, nicht richtig war, obwohl sie unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit getroffen wurde. Wie wir bereits gesagt haben, werden wir die Gewinne aus den begrenzten, verbleibenden Mengen russischen Öls, die wir verarbeiten werden, einem speziellen Fonds zuführen“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Shell, Ben van Beurden.

Shell geriet in die Kritik, weil es Öl aus Russland zu Dumping-Preisen kaufte. Nun will sich das Unternehmen „schrittweise“ aus Russland zurückziehen.
Shell geriet in die Kritik, weil es Öl aus Russland zu Dumping-Preisen kaufte. Nun will sich das Unternehmen „schrittweise“ aus Russland zurückziehen. © Sebastian Kahnert/dpa

Ukraine-Krieg: Unternehmen befürchten Image-Verlust, wenn sie in Russland bleiben

Dies ist ein Beispiel dafür, wie hoch der öffentliche Druck auf Unternehmen seit der Zuspitzung des Ukraine-Konfliktes ist. „Bei früheren Sanktionen gegen Russland einschließlich der Krim-Sanktionen hat man das nicht beobachtet“, sagt dazu Dr. Caroline Fehl, die am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung über Sanktionen forscht, gegenüber dem Online-Portal Business Insider. Es habe auch bei den Sanktionen der USA* gegen den Iran* diese „Over-Compliance“ gegeben. Im Unterschied dazu hätten viele Firmen aber befürchtet, von Strafen gegen Sanktionsbrecher betroffen zu werden. Im Fall von Russland schätzten Unternehmen den Imageschaden, falls sie blieben, langfristig jedoch höher ein als das laufende Geschäft, so die Wissenschaftlerin.

Mittlerweile haben auch McDonald‘s, Coca-Cola und Pepsi ihren Rückzug aus Russland verkündet. Dies ist aber erst aufgrund des öffentlichen Drucks geschehen. So hieß es von Coca-Cola zunächst: „Wir sind gegenüber unseren Partnern, der Gesellschaft und tausenden unserer Mitarbeiter in Russland voll verantwortlich.“ Auch McDonald‘s wollte sich zunächst nicht aus Russland zurückziehen.

Auf den Social-Media-Kanälen riefen daraufhin Menschen unter anderem unter dem Hashtag #BoycottCocaCola zum Boykott auf. So schrieb Deborah Meaden, eine Investorin des UK-Pendants zu „Höhle der Löwen“ auf Twitter: „Kannst du bitte aufhören Coca-Cola zu trinken? Sie weigern sich, sich aus Russland zurückzuziehen. Zeigen wir ihnen die Macht der Menschen.“ Die Papiere hätten am Dienstag (08.03.2022) im US-Handel gut vier Prozent verloren, wie das Online-Portal Der Aktionär berichtet. Coca-Cola verkündete dann doch seinen Rückzug aus Russland. Zuvor hatten u.a. Google, Airbnb und Ikea auf die Angriffe Russlands reagiert und ihre Aktivitäten in Russland weitgehend eingestellt.

Kisten von Coca-Cola stehen in einem Supermarkt. Aufgrund des öffentlichen Drucks wegen des Ukraine-Kriegs beendete Coca-Cola seine Geschäfte in Russland. Zuvor wollte das Unternehmen seine Geschäfte in Russland noch weiterführen.
Kisten von Coca-Cola stehen in einem Supermarkt. Aufgrund des öffentlichen Drucks wegen des Ukraine-Kriegs beendete Coca-Cola seine Geschäfte in Russland. © Mark Lennihan/dpa

Die Yale School of Management listete aber auch Unternehmen auf, die in Russland verbleiben und sich stark engagieren. Darunter sind u.a. Accor, BurgerKing, Citrix und Subway verteten.

Russland-Sanktionen: BGA-Präsident betont, man müsse Unternehmen stärker unterstützen

Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), betonte, dass auch die Unternehmen einen Schaden hätten, dem die Politik nun entgegensteuern müsse. Jandura: „Die aktuellen Sanktionen zeigen auch bei uns ihre Wirkung. Knapp ein Drittel der Groß- und Außenhändler sind von den Maßnahmen betroffen. Und dennoch sind die Sanktionen richtig. Das zeigt sich in einer über 90prozentigen Unterstützung der Maßnahmen bei den Unternehmen des Groß- und Außenhandels.“

Dennoch müsse die Bundesregierung Unternehmen stärker unterstützen, so der BGA-Präsident. „Die Unternehmen halten Linie und unterstützen den Kurs der Bundesregierung bei den Sanktionen gegen Russland. Jetzt muss die Politik ihre Hausaufgaben machen: Es braucht mutige Entscheidungen, um die Unternehmen zu entlasten. Unternehmen benötigen eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Wir brauchen aber auch endlich wirksamen Bürokratieabbau und eine Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren. Investiert werden muss auch in die Infrastruktur. Wir müssen schneller, moderner und digitaler werden“, forderte Jandura. Auch die Union forderte die Bundesregierung dazu auf, die Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Russlandsanktionen stärker zu entlasten.*

Der Ukraine-Krieg spitzt sich derweil weiter zu. Die ukrainische Hauptstadt Kiew* wird immer stärker von russischen Truppen eingekesselt.

Mittlerweile sei der Nordwesten von Kiew das gefährlichste Gebiet. (df) *fr.de und hna.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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