Darjeeling wird in Deutschland teuer verkauft - die Pflückerinnen in Indien bekommen Hungerlöhne

Darjeeling erzielt in Deutschland horrende Preise, doch den Pflückerinnen in Indien reichen die Löhne nicht zum Leben - auch nicht bei Fairtrade-Tee.
Ausbeutung und Hungerlöhne auf Kaffee- und Kakaoplantagen werden schon seit Jahren kritisiert, viele Organisationen versuchen, die Missstände zu beseitigen. Weit weniger bekannt ist jedoch, dass die Arbeitsbedingungen bei der Ernte von Tee vielfach genauso miserabel sind. Dabei erzielt Darjeeling horrende Preise: Tee Gschwendner zum Beispiel verkauft 100 Gramm Darjeeling Supreme Second Flush Phuguri für 29,80 Euro.
Doch bei den Pflückerinnen im indischen Bundesstaat Westbengalen kommt davon nur ein Bruchteil an: Sie erhalten gerade einmal zwischen 1,4 und 2,8 Prozent des Ladenpreises. Das belegt die Studie „Edle Tees für Hungerlöhne“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung (PDF). Dafür hat Benjamin Luig, Leiter des Dialogprogramms Ernährungssouveränität, vier Plantagen im Distrikt Darjeeling untersucht, die deutsche Teehändler beliefern. Denn Unternehmen wie die Ostfriesische Tee Gesellschaft, Teekampagne, Teekanne und Tee Gschwendner kaufen ein Viertel der rund 900 Tonnen Tee, der dort produziert wird, insbesondere hochwertige frühe Ernten.
Tee ist das weltweit am meisten konsumierte Getränk. Knapp 5,7 Millionen Tonnen wurden 2017 weltweit geerntet. In nur fünf Ländern werden 80 Prozent des Tees weltweit angebaut: China, Indien, Kenia, Sri Lanka und Indonesien. Pro Jahr wird Tee im Wert von über 40 Milliarden US-Dollar weltweit gehandelt. 2017 hat Deutschland 53 544 Tonnen Tee importiert und mehr als die Hälfte reexportiert – nach Polen, Frankreich oder die Niederlande, aber auch nach Russland, Kanada und die USA. Das wichtigste Herkunftsland für Teeimporte nach Deutschland ist Indien. Insgesamt 14 517 Tonnen Tee führte Deutschland 2017 aus den Regionen Assam und Darjeeling ein.
Darjeeling liegt am Fuße des Himalaya
Daarjeeling am Fuße des Himalaya grenzt an Bhutan, Nepal und Tibet. Auf 19 500 Hektar wächst der begehrte Tee, 70 Prozent werden biologisch angebaut. In den 87 Plantagen arbeiten rund 55 000 Menschen – vor allem Pflückerinnen. Sie verdienen umgerechnet nur 2,25 Euro am Tag – die Hälfte dessen, was eine indische Regierungskommission als existenzsichernd berechnet hat. Selbst diesen Lohn bekommen sie oft nicht komplett bezahlt. Arbeitskleidung und Erntekörbe müssen sie meist selbst kaufen. Leben können die Frauen von diesen Hungerlöhnen nicht – sie sind auf die staatliche Subvention von Grundnahrungsmitteln angewiesen. Ihre Unterkünfte, die durch den Plantations Labour Act seit 1951 gesetzlich vorgeschrieben sind, sind laut Studie in einem miserablen Zustand, den vorgeschriebenen Zugang zu Toiletten, Trinkwasser und medizinischer Versorgung gibt es nicht oder nur unzureichend. Drei untersuchte Plantagen, die solche Missstände aufweisen, sind von der US-Umweltorganisation Rainforest Alliance zertifiziert, zwei von Fairtrade.
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Die Löhne in Darjeeling sind um die Hälfte niedriger als in Teeplantagen in Südindien und um ein Drittel geringer als im Bergbau. Mitverantwortlich, so die Rosa-Luxemburg-Untersuchung, sei der Preisdruck deutscher Teehändler. Die Produktionskosten könnten so nicht gedeckt werden. Insbesondere für die begehrten Tees First und Second Flush erhielten die Produzenten kaum mehr als 20 Prozent des Ladenpreises.
Darjeeling-Pflückerinnen berichten von Mangelernährung
Ein Ausnahme bilde die Teekampagne, weltweit größter Importeur von Darjeeling. Die zahle zwar 50 Prozent des Ladenpreises, weil sie ohne Zwischenhändler direkt bei den Produzenten kauft. Dennoch gibt es keinen Mechanismus, der dafür sorgt, dass die Pflückerinnen mehr verdienen.
„Während die Pflückerinnen von Mangelernährung berichten, erzielen ihre Tees im deutschen Fachhandel absurde Preise“, sagt Studienautor Luig, „da ist es nicht zu viel verlangt, dass sie die Rechte der Pflückerinnen respektieren, die ihren Umsatz erwirtschaften.“
Luig hat auch Phuguri, die Plantage, von der Tee Gschwender seinen teuren Supreme Second Flush bezieht, untersucht. Sie ist von Fairtrade und der Rainforest Alliance zertifiziert. Dort erhalten die Frauen der Studie zufolge zwar den gesetzlichen Mindestlohn, der aber nicht existenzsichernd ist. Regen- und Insektenschutz müssen die Frauen selbst zahlen, Toiletten gibt es keine, schwangere Frauen werden nicht geschützt. Unterkünfte werden nicht repariert, obwohl das nicht nur von den Zertifzierern, sondern auch qua Gesetz vorgeschrieben ist.
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Dieselben Zustände fand Luig auch auf der Plantage Pandam, ebenfalls mit den Siegeln von Fairtrade und Rainforest Alliance ausgestattet. Das Unternehmen Ambootia, das die Plantage betreibt, gehört zu den Partnern der kirchlichen Mikrokredit-Organisation Oikocredit. Die verspricht dort „faire Löhne und Sozialleistungen“ für die Teepflückerinnen. „Mit ihren hohen Umweltstandards bietet die Organisation ihnen die Möglichkeit, ihre persönliche Situation und ihre Lebensbedingungen zu verbessern“, heißt es auf der Homepage. Luig hat vor Ort das Gegenteil festgestellt: Der Lohn schwankt saisonal, wenn die Frauen das Ernteziel nicht erreichen, bekommen sie Lohnabzug. Das gibt es laut den Pflückerinnen erst, seit Ambootia die Plantage übernommen habe.
Fairtrade hat die Standards für Darjeeling gesenkt
Luig kritisiert, dass Fairtrade die Standards für Darjeeling gesenkt hat. Mit einer Sondererlaubnis darf die Fairtrade-Prämie auch für Wasserversorgung oder sanitäre Anlagen verwendet werden. Ein existenzsichernder Lohn ist nicht vorgeschrieben, Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate sollen sich diesem annähern.
Fairtrade Deutschland überarbeitet den Teestandards seit einigen Monaten. Dennoch sei, so die Organisation Transfair, der Einfluss gering, weil der Absatz von Fairtrade-Tee unter fünf Prozent liege. Die Verstöße würden überprüft, Verbesserungen erarbeitet. Ein Suspendierung der Plantagen, bis diese Verbesserungen umgesetzt seien, sei ebenso möglich wie eine Dezertifizierung.
Bereits im Dezember 2018 hat Fairtrade der Tee-Plantage Monteviot in Darjeeling das Siegel aberkannt. Die Plantage wird vom Oikocredit-Partner Ambootia betrieben. Oikocredit teilte auf Anfrage mit, die erhobenen Vorwürfe „sehr ernst“ zu nehmen und kündigte eine Untersuchung an.
Die Menschenrechtsverletzungen in den Plantagen seien weder durch Zertifizierungen noch durch freiwillige Unternehmensstandards zu beseitigen, so das Fazit der Studie. Zwar fordert sie von Unternehmen, freiwillig eine größeren Anteil des Verkaufspreises weiterzugeben. Doch das reicht nach Ansicht von Luig nicht: Die indische Regierung müsse den Mindestlohn erhöhen und in die Region investieren. Die deutsche Bundesregierung ein Lieferkettengesetz auf den Weg bringen und sich auf UN Ebene für ein starkes Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte einsetzen.