Die USA kämpfen mit der Schuldenobergrenze: Sturm oder laues Lüftchen?

Was geschehen würde, wenn die USA ihre Schulden nicht mehr bedienen können, ist völlig offen. Die Finanzmärkte zeigen sich noch optimistisch - doch ein Zahlungsausfall könnte sie in arge Bedrängnis bringen.
Die Zeitbombe tickt – und niemand weiß, was geschieht, wenn die Zeit um ist. In den USA läuft der Streit zwischen Regierung und Opposition um die Anhebung der gesetzlichen Obergrenze für Staatsschulden. Ein Krisentreffen zwischen Präsident Joe Biden und Oppositionsführer Kevin McCarthy am Dienstag blieb ergebnislos. An den Finanzmärkten wird ein Zahlungsausfall der USA auf ihre Schulden als Horrorszenario gehandelt. Ob in diesem Fall allerdings die Welt in eine Krise stürzt oder gar nichts geschieht, ist nicht ausgemacht. Denn was wäre das für eine merkwürdige Pleite, die nicht von den Gläubigern herbeigeführt wird, sondern vom Schuldner selbst?
Laut aktueller Gesetzeslage darf die US-Regierung nicht mehr als 31,4 Billionen Dollar Schulden machen. „Diese Grenze ist ein politisches Konstrukt ohne jeden fundamentalen ökonomischen Sinn“, erklärt das britische Magazin „Economist“. Laut US-Finanzministerin Janet Yellen sind diese 31,4 Billionen Dollar inzwischen erreicht, bereits am 1. Juni könnte das Geld ausgehen. Dann müsste Washington Behörden schließen – was in der Vergangenheit bereits geschehen ist – oder die Bedienung seiner Schulden aussetzen – was noch nie geschehen ist.
Biden und McCarthy uneinig über Schuldenobergrenzen der USA
Das Gespräch zwischen Biden und McCarthy am Dienstag brachte keine Annäherung im Streit: Die Opposition fordert für ihre Zustimmung zur Anhebung der Schuldenobergrenze drastische Einsparungen – von deren Sinn nicht einmal alle republikanischen Abgeordneten überzeugt sind. Die regierenden Demokraten wollen Budgetverhandlungen nicht mit dem Schuldendeckel verknüpfen. „Ich habe keine neue Bewegung gesehen“, sagte McCarthy nach dem Treffen. Und Biden erklärte, es habe „eine Menge Getue und Spielchen gegeben, und das wird noch eine Weile so weitergehen“.
Irgendwie geht man an den Finanzmärkten davon aus, dass sich beide Seiten einigen werden, so wie in der Vergangenheit auch. Wenn nicht, dann wäre es allerdings tatsächlich möglich, dass die US-Regierung gezwungen ist, die Bedienung ihrer Schulden auszusetzen – denn wie alle anderen Industrieländer auch bedienen die USA ihre Schulden, indem sie neue aufnehmen. „Ein Zahlungsausfall würde das Vertrauen in das wichtigste Finanzsystem der Welt unterminieren“, warnt der „Economist“. Und da das globale Finanzsystem auf dem Dollar und US-Staatsanleihen als sichere Häfen basiert, würden die Turbulenzen nicht auf die USA beschränkt bleiben. Ob es zu einem Sturm kommt oder bloß zu einem lauen Lüftchen, weiß derzeit allerdings keiner. Denn die USA sind kein Schuldner wie alle anderen und ihr Zahlungsausfall wäre ein Novum.
USA vor der Zahlungsunfähigkeit? Staatspleiten gibt es vor allem im globalen Süden
Üblicherweise ereilen Staatspleiten Länder des globalen Südens. Sie leihen sich Devisen, zum Beispiel US-Dollar, an den globalen Finanzmärkten und bedienen ihre Schulden, indem sie Dollar über Exporte verdienen oder neue Dollar-Kredite aufnehmen.
Werden die Zeiten schlecht, dann steigen die Zinsen, neue Kredite werden schrittweise unerschwinglich. Kommt eine Wirtschaftskrise hinzu, verliert ein Land auf diese Weise seine Kreditwürdigkeit, es erhält keine neuen Kredite, kann seine Schulden nicht fristgerecht bedienen – es kommt zum Zahlungsausfall. In der Folge bittet das Land beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um neue Kredite und leitet so seine Stabilisierung ein – und seine Wiederherstellung als Schuldner.
Der Fall USA liegt ganz anders. Einer Staatspleite voraus geht normalerweise die Weigerung der Gläubiger, einem Land weitere Kredite zu geben. Ein Zahlungsausfall der USA dagegen wäre wohl der erste in der Geschichte, bei dem es der Schuldner selbst ist, der die Kreditaufnahme verweigert – weil er von der eigenen gesetzlichen Obergrenze dazu gezwungen wird.
Schuldenobergrenze: Auch der IWF könnte Finanzmärkte bei einer Pleite der USA nicht retten
Dazu kommt: Die Dollars, die die USA zur Schuldenbedienung brauchen, müssen sie nicht verdienen oder sich von den Finanzmärkten leihen. Sie können sie selbst produzieren, schließlich ist der Dollar ihre Währung. Theoretisch könnte die US-Zentralbank der Regierung jede Summe überweisen, indem sie ihre Anleihen kauft. Eine Hilfe des IWF wäre skurril, schließlich beruht die Finanzmacht des Fonds im Wesentlichen auf US-Kreditzusagen. Sollten die USA an den Finanzmärkten in Verruf geraten, wäre damit die Basis des Weltfinanzsystems selbst erschüttert – kein „Hilfskredit“ der Welt könnte wieder Stabilität bringen.
Zu diesem Test dürfte es aber wohl nicht kommen. Denn die US-Regierung wie auch die Opposition wissen, dass die Weltmacht der USA auf der US-Kreditwürdigkeit beruht.
Das unabhängige Congressional Budget Office prognostiziert: Setzt sich der bisherige Trend fort, verdoppelt sich die Schuldenquote der USA von aktuell 117 Prozent der Wirtschaftsleistung bis Mitte des Jahrhunderts auf 250 Prozent. Weitere Streits über die Schuldenobergrenze sind damit programmiert.