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Dicke Luft in Deutschland

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Von: Rasmus Buchsteiner

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Messstation für Feinstaub und Stickoxide
Luft-Messstation für Feinstaub und Stickoxide am Neckartor in Stuttgart. © dpa

Stickoxid-Grenzwerte wurden in mindestens 35 Kommunen überschritten.

Nirgendwo in Deutschland ist die Stickoxid-Belastung so hoch wie in Stuttgart. Und zwar an der Messstation „Am Neckartor“ in der Innenstadt. Dort wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 71 Mikrogramm NOx je Kubikmeter Luft gemessen. Zum Vergleich: 2017 lag der Wert dort bei 73, im Jahr 2016 bei 82 und 2015 bei 87.

Trotz des Rückgangs: Die Schwabenmetropole hat bei der Schadstoffreduzierung noch einen weiten Weg vor sich, bleibt unverändert weit oberhalb des EU-Grenzwerts von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft.

Nachzulesen ist das in der Liste des Umweltbundesamtes mit den neuen Jahresmittelwerten für die Stickoxid-Belastung in Deutschlands Städten, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Das Datenkonvolut zeigt vor allem eines: Immer noch überschreiten fast zwei Dutzend Städte den EU-Grenzwert. Die Befunde dürften die Debatte über Fahrverbote, Grenzwerte und Messstationen weiter anheizen. Sie geben erste Anhaltspunkte, was die eingeleiteten Maßnahmen vor Ort in den Kommunen gebracht haben. Und ob es bereits spürbare Effekte des Bundesprogramms „Saubere Luft“ gibt.

„Wir sind auf einem guten Weg“, hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer noch im vergangenen Sommer in einem Interview erklärt. „2016 waren es 90 Städte, die die Grenzwerte überschritten haben, 2017 noch 66.“ Und der CSU-Politiker zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass die Zahl der betroffenen Städte relativ schnell einstellig wird.“

Relativ schnell einstellig? Die Zahlen des Umweltbundesamtes für 2018 deuten nicht darauf hin. Genau 23 Städte – neben Stuttgart unter anderem München, Köln, Reutlingen, Hamburg, Düsseldorf, Dortmund und Kiel – lagen im vergangenen Jahr oberhalb der 40-Mikrogramm-Marke.

Allerdings: Die jetzt vorliegende Übersicht ist vorläufig. In der Bilanz des Umweltbundesamtes fehlen noch die Angaben für 36 Kommunen, darunter Darmstadt, Essen und Hannover. Die Daten für diese Städte werden erst im Mai vorliegen. Hintergrund ist, dass dort ein aufwendigeres Messverfahren genutzt wird. Prognose: Die Zahl der Städte, die den Grenzwert reißen, dürfte am Ende deutlich höher sein.

Doch es gibt offenbar auch positive Entwicklungen. Besonders bemerkenswert: München, 2017 noch die Stadt mit der republikweit höchsten Stickoxid-Belastung, konnte sich deutlich verbessern. Der Jahresmittelwert sank dort um zwölf Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahr 2017 auf 66 im Jahr 2018. Eine Minderung, für die auch die Experten des Umweltbundesamtes noch eine schlüssige Erklärung suchen.

Für die meisten anderen Städte oberhalb des Grenzwerts zeigen die neuen Daten geringfügige Verbesserungen der Luftqualität, oder die Werte sind im Vergleich zu 2017 unverändert. Beispiel Berlin: In der Hauptstadt lag der Mittelwert mit 49 Mikrogramm je Kubikmeter Luft 2018 genauso hoch wie im Vorjahr. In drei Städten – Kiel, Freiburg und Mannheim – wurde eine höhere Belastung gemessen.

Offiziell muss Deutschland die NOx-Jahresmittelwerte für 2018 bis Ende September der Europäischen Kommission melden.

Mit den neuen Zahlen dürften auch mögliche Fahrverbote erneut in den Fokus rücken. Unter anderem in Köln, in Mainz und Frankfurt sind mehr oder weniger weitreichende Verkehrsbeschränkungen in Vorbereitung. In Stuttgart gilt schon seit Jahresbeginn in der Umweltzone ein Fahrverbot für Euro-4- und ältere Diesel. Zunächst sind nur Autofahrer von außerhalb der Stadt betroffen, ab April dann auch in Stuttgart zugelassene Diesel.

Scheuer schreibt EU-Kommission

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dringt bei der Europäischen Kommission auf eine Überprüfung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte. In einem Brief an EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc verwies Scheuer darauf, dass sich in der deutschen Ärzteschaft „Stimmen mehren“, die die wissenschaftliche Herleitung des

Jahresmittelwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in Frage stellten.

Die EU-Kommission solle sich „zur Gewährleistung unserer Mobilität“ auf geeignete Weise mit den vorgebrachten Zweifeln auseinandersetzen und eine „Neubewertung der Grenzwerte“ prüfen, heißt es in dem Schreiben.

Gut 100 Lungenärzte hatten den Nutzen der EU-Grenzwerte in Zweifel gezogen. Dagegen gibt es erheblichen Widerspruch deutscher und internationaler Experten. (dpa)

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