Steigende Preise: Die Angst vor Verschuldung wächst

Immer mehr Menschen suchen Hilfe bei Schuldnerberatungsstellen. Doch für die wird es auch zunehmend schwieriger den hohen Bedarf zu decken.
Immer mehr Menschen können ihre Rechnungen und Raten nicht mehr bezahlen, weil sie zu stark durch hohe Energie- und Lebensmittelpreise belastet werden. Das spüren die Schuldnerberatungsstellen, wie deren Arbeitsgemeinschaft in einer Umfrage herausgefunden hat. „Die gestiegenen Lebensmittelpreise sorgen dafür, dass viele Familien vor dem Monatsersten kein Geld mehr haben“, sagt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, Roman Schlag von der Caritas in Aachen.
Beraterin Maike Cohrs, die für die Diakonie in Köln tätig ist, schildert: „Zu Gründen wie Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung kommt die Inflation als Verschuldungsgrund dazu.“ Sie befürchtet: „Wir werden langfristig hier ein Problem haben.“
Zahl der Ratsuchenden steigt teilweise in erheblichem Umfang
Die Arbeitsgemeinschaft vertritt die Interessen der Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und Verbraucherberatungsstellen. Der Verbund hatte Ende 2022 Auskünfte von 460 Beratungsstellen und Trägern erhalten. Im Vergleich zu einer Umfrage von Anfang 2022 berichteten zwei Drittel der Befragten von einem Anstieg der Zahl von Ratsuchenden, teilweise in erheblichem Umfang. Der Informationsbedarf sei groß, denn es meldeten sich „viele Menschen, die damit bisher nichts zu tun hatten“, berichtet Maike Cohrs.
Roman Schlag spricht von einer „steigenden Nachfrage nach Beratung aus der Mitte der Gesellschaft“. Die Fachleute beobachten vor allem einen deutlichen Anstieg von Beratungsbedarf bei jungen Erwachsenen sowie Rentnerinnen und Rentnern.
Besonders junge Leute und Seniorinnen und Senioren gefährdet
Junge Leute hätten sich oft von niedrigen Zinsen verlocken lassen, Ratenkauf-Verträge abzuschließen, die sie nun nicht mehr bedienen könnten, sagt Cohrs. Zugleich seien die Ausbildungsgehälter in der Regel nicht hoch.
Bei Seniorinnen und Senioren stiegen die Renten nicht in ausreichendem Maße, um höhere Lebenshaltungskosten ausgleichen zu können. Das treffe diese Gruppe besonders hart, die oft mit wenig Geld auskommen müsse.
Mit der Inflation ist die Zahl der Beratungsfälle, die sich bereits auf einem hohen Niveau befunden hatte, erneut gestiegen. Schon Umfragen der Arbeitsgemeinschaft im Spätsommer 2021 und zu Jahresbeginn 2022 hatten eine wachsende Nachfrage signalisiert. Seinerzeit seien angesichts der Einschränkungen zum Schutz vor Corona zunehmend Soloselbstständige und Menschen in Kurzarbeit in die Beratung gekommen, erzählt Roman Schlag.
Früh Rat suchen lohnt sich
In Deutschland gibt es rund 1400 Beratungsstellen, die im Jahr etwa 600 000 Menschen unterstützen. Für sie werde es mittlerweile schwierig, dem Bedarf gerecht zu werden, berichtet Schlag. Dabei achteten die Berater:innen aber darauf, dass notwendige Kriseninterventionen sofort erfolgten, wenn etwa der Verlust der Wohnung drohe.
Die Berater:innen ermutigen die Betroffenen, möglichst frühzeitig Rat zu suchen. „Wir möchten, dass die Menschen sich trauen, in die Beratung zu kommen“, betont Ines Moers, die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft. Sie fordert daher „einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung“. Es gehe darum, „Teufelskreise aus nicht beglichenen Forderungen, Scham und Überforderung zu brechen“.
Informationen zur Schuldnerberatung und eine Übersicht über die Beratungsstellen finden sich im Internet unter www.meine-schulden.de
