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Simbabwe: Schürfen für ein besseres Leben

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Im Edelsteinbergwerk verdienen die Frauen rund 200 US-Dollar im Monat; der Mindestlohn in Simbabwe beträgt rund 24 US-Dollar. Zimbaqua Iver Rosenkrantz (6)
Im Edelsteinbergwerk verdienen die Frauen rund 200 US-Dollar im Monat; der Mindestlohn in Simbabwe beträgt rund 24 US-Dollar. Zimbaqua Iver Rosenkrantz (6) © Zimbaqua Iver Rosenkrantz

Bergbau ist Männersache? Nicht mehr in Simbabwe: Dort existiert die erste Mine Afrikas, in der ausschließlich Frauen arbeiten. Die Geschichte eines Experiments. Von Annika Brohm.

Als Rumbidzai Gwinji die Zimbaqua-Mine zum ersten Mal besucht, weiß sie sofort: „Ich will Teil davon sein.“ Sie sieht, wie Dutzende Frauen in einer Grube nach Aquamarinen schürfen. Andere kümmern sich um die Beete im anliegenden Garten. Eigentlich war Gwinji in den ländlichen Norden Simbabwes gereist, um die Arbeiterinnen der Mine zu schulen. Sicherheit und Nachhaltigkeit im Bergbau stehen auf dem Lehrplan. „Aber dann war ich diejenige, die in diesen Tagen in der Mine am meisten gelernt hat“, sagt Gwinji heute: über Zusammenhalt und den Wert von Unabhängigkeit als Frau und Mutter. Kurzerhand bewirbt sie sich um eine feste Stelle als Koordinatorin bei Zimbaqua. Sie bekommt sie. Seither zählt Gwinji zum Team der ersten Mine Afrikas, in der ausschließlich Frauen arbeiten.

Zwei Männer haben das Edelsteinbergwerk Zimbaqua gegründet. „Wir haben den konventionellen Bergbau auf den Kopf gestellt“, sagt der Unternehmer Patrick Tendaye Zindoga aus der Hauptstadt Harare nicht ganz unbescheiden. Mit seinem dänischen Geschäftspartner Iver Rosenkrantz kaufte er vor 2018 etwa 50 Hektar Land in der Karoi-Region. Vor Ort suchten sie immer wieder das Gespräch mit den Anwohner:innen. „Es war offensichtlich, dass es für die Frauen dort keine Perspektiven gab“, sagt Rosenkrantz. Einige schürften auf eigene Initiative nach Edelsteinen. Andere arbeiteten auf einem Acker, ernteten Mais und Tabak. Die meisten jedoch waren arbeitslos und, falls sie verheiratet waren, abhängig vom Lohn ihrer Männer.

Kein Geld, keine Bildung, kein Job - ein Teufelskreis

35 Arbeiterinnen beschäftigt Zimbaqua inzwischen. Mit ihrem Bachelor in „Environmental health and safety“ – „Gesundheit und Sicherheit im Umweltschutz“ – ist die Minen-Koordinatorin Gwinji eine Ausnahme; die meisten Arbeiterinnen haben keinen Schulabschluss und keine Erfahrung im Bergbau. In Simbabwe ist Bildung schon früh eine Geldfrage. Selbst staatliche Schulen verlangen einen Beitrag. „Manchmal konnte ich die Schulgebühren für meine Kinder nicht bezahlen“, sagt Anatolia Mapfumo. Heute arbeitet sie als Managerin bei Zimbaqua. Früher ging sie Goldwaschen, mit spärlichen Erträgen. Wann immer das Geld nicht reichte, mussten ihre drei Kinder zu Hause bleiben. Eine Schulpflicht gibt es in Simbabwe nicht. So entsteht ein Teufelskreis: kein Geld, keine Bildung, kein Job, kein Geld. Diese scheinbar logische Folge galt es zu durchbrechen.

Mitarbeiterin Sharon Kasoqua mit einem Fundstück.
Mitarbeiterin Sharon Kasoqua mit einem Fundstück. © Zimbaqua Iver Rosenkrantz

Dahinter steckt jedoch keine bloße Wohltätigkeit, sondern eine ausgefeilte Strategie. „Wir wollen der Gemeinde etwas zurückgeben“, sagt Zindoga. Er sagt aber auch: „Es ist ein Geschäftsmodell, wir wollen damit Profit machen.“ Für ihn ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Er sieht es als einzige Möglichkeit, die Entwicklung seines Heimatlandes erfolgreich voranzutreiben. Wenn westliche Unternehmen nach Afrika kämen, sei das häufig anders: Dann stehe oft einzig der Gewinn im Vordergrund, und die Einwohner:innen müssten zurückweichen.

In der Kolonialzeit war der Bergbau immer eine tragende Säule. Europäische Konzerne ließen die Rohstoffe meist von billigen Arbeitskräften schürfen – und verkauften sie zu hohen Preisen ins Ausland. Was der lokalen Bevölkerung vom Ressourcenreichtum blieb, war häufig nicht mehr als Hungerlöhne und zerstörtes Land. „Simbabwe lernt gerade erst, seine eigenen Ressourcen zu verwalten“, sagt Zindoga. Schließlich habe der Westen hunderte Jahre Vorsprung, und lange haben die kolonialen Strukturen die Entwicklung verhindert. Simbabwe ist erst seit 1980 offiziell unabhängig. Zindoga war damals ein Jahr alt. Es war eine verheißungsvolle Zeit, die Wirtschaft wuchs zunächst stark.

Aquamarin-Schmuckkollektion.
Aquamarin-Schmuckkollektion. © Zimbaqua Iver Rosenkrantz

Doch heute ist Simbabwe eines der ärmsten Länder der Welt. Jahrzehnte unter der Herrschaft des Machthabers Robert Mugabe haben Spuren hinterlassen. Die Infrastruktur ist marode; Exportrestriktionen erschweren den Handel mit dem Ausland. Auch nach Mugabes Sturz im Jahr 2017 blieb der erhoffte Wandel aus. Hohe Arbeitslosigkeit, Hyperinflation und Nahrungsunsicherheit folgten. Die Corona-Pandemie und Naturkatastrophen wie der Zyklon Idai haben die Situation weiter verschärft. Nach Angaben der Weltbank lebten 2021 mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der extremen Armutsgrenze. Das heißt: In Simbabwe muss jeder zweite Mensch heute pro Tag mit 1,80 US-Dollar oder weniger zurechtkommen. Dabei ist das Land reich an Rohstoffen wie Gold, Platin, Lithium, Diamanten und anderen Edelsteinen. Nur: Wie kann die Bevölkerung Simbabwes davon profitieren?

Nachhaltige Schmucklabels gehören zu den Abnehmern

Zindoga sucht das Gespräch mit den Menschen. Auf der einen Seite innerhalb des Landes, mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Jugendlichen. Auf der anderen Seite außerhalb des Landes. „Wer sich abschottet, der kann nicht wachsen.“ Simbabwe müsse sich öffnen und global denken, so Zindoga. Auch deshalb hat er sich mit Rosenkrantz zusammengetan. Der gebürtige Däne lebt seit beinahe 20 Jahren in Afrika, er arbeitet unter anderem mit Bergleuten in Kenia. „Ein junges Land wie Simbabwe braucht Mentoren wie ihn“, sagt Zindoga. Er habe die nötige Erfahrung – und die Kontakte zu potenziellen Kunden im Ausland, zum Beispiel zum nachhaltigen New Yorker Schmucklabel Renna Jewels. Zudem hat er schon eigene Schmuckkollektionen auf den Markt gebracht. Rosenkrantz weiß aber auch, wie schwer gerade die ersten Jahre sein können: „Eine Mine kann ein großes Loch sein, in das man immer wieder Geld stecken muss.“

Zimbaqua hat 2019 eröffnet. Als die Corona-Pandemie im darauffolgenden Jahr auch Simbabwe traf, stand der Betrieb wochenlang still. Gewinn wirft das Unternehmen bis heute nicht ab. Zwar haben die Frauen bereits 50 Tonnen Aquamarin gefunden, doch nur zehn Kilogramm davon hat Edelstein-Qualität. Die Motivation der Frauen mindert das nicht. Seit kurzem hat das Team einen Bagger, die Frauen müssen nicht mehr mühsam mit Hammer und Pickel arbeiten. „Wir können nun viel effizienter vorgehen und uns darauf konzentrieren, nach Edelsteinen suchen. Das wird uns hoffentlich dabei helfen, schnell neue Vorräte zu finden“, sagt die Minen-Koordinatorin Gwinji. Die Nachfrage jedenfalls ist groß: Juweliere aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Österreich nutzen die Edelsteine aus dem Bergwerk für ihre Schmuckkollektionen.

Die Gründer Patrick Zindoga (li.) und Iver Rosenkrantz.
Die Gründer Patrick Zindoga (li.) und Iver Rosenkrantz. © Zimbaqua Iver Rosenkrantz

In der Mine verdienen die Arbeiterinnen je nach Dienstgrad mindestens rund 200 US-Dollar im Monat. Zum Vergleich: Der Mindestlohn für Farmarbeiter:innen liegt – abhängig vom jeweiligen Wechselkurs – bei monatlich rund 24 US-Dollar. Zudem kommt das Unternehmen für die medizinische Versorgung der Frauen und ihrer Familien auf. Allein dadurch habe sich ihr Leben verändert, erzählt die Arbeiterin Esther Chiroroma. Ihr Mann ist von der Hüfte abwärts gelähmt, von Jahr zu Jahr ging es ihm schlechter. „Seit ich bei Zimbaqua arbeite, kann er endlich behandelt werden“, sagt Chiroroma. Minen-Koordinatorin Gwinji erzählt: „Ich habe endlich ein regelmäßiges Einkommen und bin finanziell unabhängig.“ Ihr Alltag sei nun nicht mehr überschattet von der Sorge, wie sie die Schulgebühren für ihre Tochter auftreiben soll. Gwinji ist alleinerziehend, wie viele der Arbeiterinnen bei Zimbaqua. Fragt man sie, was sie sich für ihre Kinder wünschen, fällt ein Begriff immer wieder: gute Bildung.

Sobald die Mine profitabel ist, sollen die Frauen eigenen Schmuck herstellen

Die Löhne in der Bergbauindustrie werden laut Zindoga vom Staat festgelegt, „um eine angemessene Bezahlung der Arbeiter:innen sicherzustellen“. In dem entsprechenden Dokument steht allerdings auch, dass es Unternehmen freisteht, nach Möglichkeit mehr zu zahlen. Zingoda sagt dazu: „Sobald der Betrieb zu 100 Prozent läuft, wollen wir mehr tun.“ Die Gründer betonen, dass sie mit dem Minen-Projekt noch ganz am Anfang stehen. An ihren Visionen halten sie fest: Sobald das Unternehmen profitabel ist, wollen sie ein Ausbildungszentrum schaffen. Dort können die Frauen lernen, Edelsteine zu schleifen und Schmuck herzustellen. Außerdem soll im Dorf eine Kinderklinik und eine Vorschule entstehen.

Bis heute ist das Geschäft mit Rohstoffen ambivalent. Einerseits kann es armen Ländern wie Simbabwe – unter fairen Bedingungen – dringend nötiges Geld bringen. Andererseits hinterlässt jeder Eingriff in die Umwelt Spuren. Und gefährdet auch in der Karoi-Region eine weitere Ressource: die fruchtbaren Böden. „Für viele Bergbaukonzerne hat die Umwelt keine Priorität“, sagt Gwinji. Als sie sich nach ihrem Studium als Beraterin für Nachhaltigkeit und Sicherheit selbstständig machte, hatte sie höchstens ein, zwei Aufträge im Jahr.

Koordinatorin Rumbidzai Gwinji.
Koordinatorin Rumbidzai Gwinji. © Zimbaqua Iver Rosenkrantz

Rosenkrantz und Zindoga streben auch in dieser Hinsicht eine Kehrtwende an. Sie haben sich den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verschrieben. Wie das funktionieren soll? Bei Zimbaqua bilden fünf Frauen ein „Umweltteam“. Vor den Arbeiten sammeln sie Samen aus der Umgebung, die anschließend in eine Saatgut-Bank gelangen. Wenn eine Grube wieder geschlossen wird, pflanzt das Team die Samen, sodass dort neues Leben entstehen kann.

Auf Chemikalien verzichtet Zimbaqua bei allen Arbeitsschritten. „Wir wollen die Natur und Umwelt immer erhalten“, sagt Rosenkrantz. Im anliegenden Gemüsegarten baut das Team Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch an; auf einem fünf Hektar großen Feld Mais. Im Obstgarten gedeihen Früchte wie Bananen, Guaven und Avocados. Die gesamte Ernte geht an die Arbeiterinnen und ihre Familien. So entsteht aus Nachhaltigkeit noch etwas anderes: „Wenn wir die Frauen ermächtigen“, sagt Rosenkrantz, „dann hilft das der gesamten Gemeinschaft“.

Seit Gwinjis erstem Besuch in der Karoi-Region sind rund vier Jahre vergangen. Das Leben im Dorf habe sich seitdem deutlich verbessert, sagt sie: Die Familien seien gesünder und zuversichtlicher, viele hätten neue Häuser gebaut. „Ich glaube, die Menschen begreifen nun, dass jeder einen guten Lebensunterhalt verdienen kann“, sagt sie. Die 34-jährige träumt von einem weiteren Karrieresprung: Sie will Bergbauingenieurin werden. „Die Arbeit und die neu gewonnenen Erfahrungen bringen mich diesem Ziel jeden Tag ein bisschen näher.“

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