Silicon Valley Bank am Abgrund: Wie gefährlich ist die Entwicklung für deutsche Sparer?
Die Schieflage bei der Silicon Valley Bank erschüttert die Finanzwelt. Auch in Deutschland sorgen sich Anleger. Wie Bank-Professor Hans-Peter Burghof die Lage sieht.
München - Die Schließung der Silicon Valley Bank in den USA hat Investoren weltweit verunsichert. Auch die deutschen Börsen rutschten zum Wochenauftakt erneut ins Minus. Viele Branchenbeobachter sehen Parallelen zur Lehman-Pleite von 2008, die die Finanzmärkte weltweit in eine Krise stürzte. Zu Recht? Was Prof. Hans-Peter Burghof vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim dazu sagt, wie gefährlich die Lage für die deutschen Sparer ist.
Herr Prof. Burghof, nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) greift die US-Regierung ein. Alle Einlagen bei der SVB und der ebenfalls in Schieflage geratenen New Yorker Signature Bank werden von Washington abgesichert. Ist der befürchtete Bank Run, also der Ansturm auf weitere US-Banken, damit jetzt erst mal vom Tisch?
Es ist den US-Behörden gelungen, rasch zu handeln und ein sehr starkes Signal zu setzen. Das sollte einen möglichen Run auf die Bankeinlagen in den USA stoppen.
Und die Gefahr einer zweiten Lehman-Krise für das Banksystem ist damit auch gebannt?
Die Silicon Valley Bank ist ein sehr spezielles Institut. Ihre Krise wird durch ihr besonderes Geschäftsmodell als Bank der Start-up-Szene im Silicon Valley verschärft. Die Bank hatte vor allem Großeinlagen von jungen Tech-Unternehmen, die durch die Blase des Tech-Sektors über viel zu viel Geld verfügen. Jetzt haben deren Eigentümer, große Venture-Capital-Fonds, diese Unternehmen dazu gedrängt, ihre Einlagen bei der Silicon Valley Bank abzuziehen. Um diesen massiven Einlagenabzug zu bedienen, musste die Bank ein hohes Volumen ihrer nur niedrig verzinsten Wertpapiere verkaufen, wegen der zwischenzeitlich stark gestiegenen Zinsen mit hohen Verlusten. Ein Bank Run als konzertierte Aktion der Venture-Capital-Industrie gewissermaßen, und eine sehr spezielle Situation, die sich eigentlich nicht als Auslöser für eine globale Finanzkrise eignet.

Aber ähnlich wie die SVB haben weltweit auch viele andere Banken Anleihen im Portfolio. Diese Papiere haben aber wegen der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank oder die EZB an Wert verloren. Welche Risiken lauern da noch?
Neben den Anleihen gibt es auch andere Anlagen der Banken mit fester Zinsbindung, zum Beispiel Kredite. Auch hier gibt es ein Zinsänderungsrisiko. Die Refinanzierung der Bankbilanzen auf der Einlagenseite erfolgt dagegen oft ohne oder nur mit kurzfristiger Zinsbindung. Wenn Bankeinlagen sehr viel schneller teurer werden als die Erträge aus ihren Anlagen ansteigen, entsteht für die Bank ein Verlustpotenzial. Daneben haben viele Banken auch große Positionen in Zinsderivaten, aus denen einzelne Institute deutliche Verluste erleiden könnten. Solche Risiken sollten das Risikomanagement der Institute nach so vielen Jahren einer intensiven Regulierung allerdings im Griff haben. Und den Risiken stehen auf der positiven Seite höhere Erträge aus einer gestiegenen Zinsmarge gegenüber: Durch die höheren Zinsen und die Verknappung des Kapitals können die Banken am Markt relativ zu den Refinanzierungskosten einen höheren Preis für ihre Finanzierungsleistung durchsetzen. Also eigentlich eine sehr gute Perspektive für die Banken, aber eben eher auf mittlere Frist. Daneben geben viele deutsche Banken, sehr zum Ärger der Verbraucherschützer und mancher Kunden, das gestiegene Zinsniveau nur sehr zögerlich an ihre Einleger weiter.
Welche Auswirkungen hat die Entwicklung in den USA auf Deutschland?
In den USA ist die Besorgnis groß, dass viele der jungen Tech-Unternehmen des Silicon Valleys durch den Ausfall der Silicon Valley Bank in Schwierigkeiten geraten könnten. Diese Unternehmen sind als Innovations- und Wachstumstreiber für die Wirtschaft der USA von zentraler Bedeutung. Wohl auch deshalb tritt hier die amerikanische Regierung so rasch und entschlossen für die Sicherung der Gelder bei der Silicon Valley Bank ein.
Für Deutschland sehe ich keine unmittelbaren Auswirkungen, wohl aber eine Neubewertung der Zinsänderungsrisiken in den Bankbilanzen. Die EZB hat eben erst sehr spät auf die Inflation reagiert und muss daher nun die Zinsen sehr rasch und deutlich anheben. Damit wird das Loch, das die rasche Zinserhöhung in die Erträge der Banken reißt, unnötig groß. Mein Eindruck ist aber, dass die meisten Institute darauf gut vorbereitet sind und Zinsänderungsrisiken auch am Markt zumindest in Teilen abgesichert haben. Denn so ganz überraschend kommt diese Situation nicht.
Hans-Peter Burghof: Die EZB hat sich selbst vollkommen überrascht.
Die EZB hat sich selbst vollkommen überrascht.
Am Montag hat es im Dax die Commerzbank-Aktie schwer erwischt. Bereits am Freitag hatten Anleger die Deutsche Bank abgestraft. Wie schätzen Sie die Lage beim größten deutschen Kreditinstitut ein? Gibt es hier ein höheres Risiko als bei anderen deutschen Geldhäusern?
Meinem Eindruck nach nicht. Aber die Deutsche Bank repräsentiert halt in besonderer Weise den deutschen Bankenmarkt und ist börsennotiert. Man kann daher die allgemeine Neubewertung der deutschen Banken bei diesen Instituten unmittelbar am Börsenpreis ablesen.
Wie sicher ist das Geld der Sparer hierzulande? Müssen sie sich angesichts der Entwicklung in den USA Sorgen machen?
Gegenwärtig sehe ich keine Gefahr. Wir haben ein sehr differenziertes Sicherungssystem, und dahinter steht für Anleger mit kleineren Anlagebeträgen am Ende auch die Garantie des Staates. Aber so weit sind wir noch gar nicht. Bis jetzt haben die deutschen Banken, nach Jahren der Krise vor allem bei den großen Instituten, wieder sehr ordentliche Ergebnisse erzielt und profitieren vom Zinsanstieg. Daneben haben sich die großen Institute aus einigen Geschäftsfeldern zurückgezogen, über die sich eine Krise in den USA auf sie übertragen könnte. Solange also die deutsche Wirtschaft weiter relativ gut läuft und nicht massiv einbricht, sehe ich hier keine ernsthafte Gefahr. Einzelne Problemfälle können die Sicherungssysteme in Deutschland unter diesen Bedingungen gut auffangen.
Wie muss die Bafin jetzt reagieren: Anleiheportfolios der Kreditinstitute überprüfen oder gar neue Stresstests durchführen?
Die BAFin ist Teil des europäischen Aufsichtssystems. Und in diesem Rahmen gibt es bereits solche Stresstests, im Prinzip auf jährlicher Basis. Das dabei getestete Zinsszenario fiel allerdings sehr viel weniger drastisch aus als der nun erfolgte reale Zinsanstieg. Das ist besonders pikant, da ja die EZB für die Geldpolitik und damit wesentlich für den Zinsanstieg verantwortlich ist, und sie andererseits in ihrer Funktion als Bankenaufsicht auch die Stresstests durchführt. Sie hat in diesem negativen Sinne sich selbst vollkommen überrascht, was kein gutes Qualitätssignal für die europäische Bankenaufsicht ist. Noch einmal zu testen, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, macht aber wenig Sinn. Entscheidend ist, dass die Banken über ausreichende Reserven verfügen, und dies scheint der Fall zu sein. Die Bankenaufsicht muss aber darauf schauen, dass die Bankchefs nicht versuchen, mögliche Verluste aus der Zinssituation durch hohe Gewinne aus dem Eingehen sehr riskanten Geschäften zu überdecken. Die historische Erfahrung zeigt, dass ein solches „gambling for ressurection“ die Auswirkungen von Problemen im Bankensektor drastisch verschärfen kann.