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Shoppen - und ein gutes Gewissen haben

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Von: Theresa Dräbing

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© Moritz Wienert

Wer seine Einkäufe im Internet erledigt, kann in manchen Shops einen Teil des Kaufpreises an Hilfsorganisationen spenden. Auch bei Amazon ist das möglich. Was bringt das?

Zu keiner Zeit im Jahr gehen bei den Hilfsorganisationen mehr Spenden ein als zur Weihnachtszeit. Laut der „Bilanz des Helfens“, einer jährlichen Erhebung des Marktforschungsinstituts GFK im Auftrag des Deutschen Spendenrats, lag auch vergangenes Jahr das Spendenaufkommen kurz vor Weihnachten doppelt bis dreifach so hoch wie in den übrigen Monaten. Verlässt man sich auf die Statistiken der vergangenen Jahre, wird es auch in diesem Jahr so sein, dass dringend benötigte Gelder für Hilfsprojekte im Dezember eingehen. Doch auch wenn der letzte Monat des Jahres vorbei ist und die besinnliche Zeit wieder etwas in den Hintergrund rückt, sind gemeinnützige Organisationen auf Spenden angewiesen.

Das ganze Jahr über etwas Gutes zu tun, das soll bei Einkäufen im Internet mit Hilfe des sogenannten Charity-Shoppings möglich sein. Die Idee: Bei einem Kauf über einen Onlineshop wird ein kleiner Teil des Kaufbetrags durch einen Klick an eine gemeinnützige Organisation überwiesen. Den Kunden entstehen dafür keine Mehrkosten, die Spende trägt der Shop.

Der mit Abstand größte Marktteilnehmer in diesem Segment ist der Versandhandelsriese Amazon. Sein Charity-Shopping-Portal nennt sich Amazon Smile. Steuert ein Kunde statt der üblichen Internetadresse  die Webseite smile.amazon.de an, hat er während des Kaufvorgangs die Möglichkeit, eine Organisation auszuwählen, an die 0,5 Prozent des Einkaufswerts gehen. Ansonsten ist das Portal identisch mit der normalen Website.

Kunde und Hilfsorganisation entstehen mit Amazon Smile keine Mehrkosten, die Spende trägt Amazon. Seit November 2016 können Kunden in Deutschland und Österreich über Amazon spenden. Rund 14 000 Organisationen stehen zur Wahl. Damit wurden, so teilte es der Konzern erst kürzlich mit, bislang Spenden in Höhe von insgesamt 2,8 Millionen Euro verteilt.

Doch seit dem Start des Programms gibt es auch Kritik daran. Kleinere Charity-Shopping-Portale, die vor 2016 mit Amazon zusammengearbeitet haben, stehen seither einer mächtigen Konkurrenz gegenüber. Aber das allein wäre nicht verwerflich. Bemängelt wird vor allem die Auswahl der gemeinnützigen Organisationen, mit denen der Versandhandelskonzern zusammenarbeitet. „Unseres Wissens prüft Amazon lediglich, ob die betreffenden Organisationen als gemeinnützig anerkannt sind. Das ist aber kein hinreichender Seriositätsbeweis“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), welches an deutsche Hilfsorganisationen Spendensiegel verteilt – sofern diese alle geforderten Transparenzkriterien erfüllen. Außerdem hat das DZI unter anderem mit Transparency Deutschland die Initiative Transparente Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. In dieser Selbstverpflichtung sind zehn Punkte definiert, die gemeinnützige Organisationen der Öffentlichkeit zugänglich machen sollten. Dazu zählen etwa, welche Ziele die Organisation anstrebt, woher die Mittel stammen und vor allem wie und wofür sie verwendet werden

„Zumindest diese Transparenzpunkte sollten Mindestvoraussetzung sein, um in das Amazon-Smile-Programm als Organisation aufgenommen zu werden“, sagt Wilke. „Die Tatsache, dass Amazon-Smile die Kooperation nur an die Gemeinnützigkeit knüpft, lässt die Nutzerinnen und Nutzer in einer Weise uninformiert, die in einem großen Widerspruch steht zu der äußerst anspruchsvollen Kundenfilterung und Kommerzialisierung, die Amazon in seinem Geschäftsumfeld unter Beweis stellt.“

Anders beurteilt der DZI-Chef die kleineren Charity-Shopping-Portale wie „Bildungsspender“ oder „Schulengel“. Zwar erfüllen auch die mit diesen Anbietern kooperierenden Hilfsorganisationen nicht alle die zehn Transparenzregeln. Allerdings werden diese Plattformen in erster Linie von lokalen Organisationen wie Kita- oder Schulfördervereinen genutzt, die in der Regel als gut zu beurteilen seien, so die Einschätzung von Wilke. Abgesehen von der Deckung der eigenen Selbstkosten werden alle Gelder weitergegeben.

Einige gemeinnützige Organisationen haben sich in der Vergangenheit selbst dafür ausgesprochen, nicht bei Amazon Smile gelistet zu werden. So argumentierte etwa Foodwatch, dass Spenden gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit verstoßen, wenn sie von Unternehmen kommen, die selbst mit Lebensmitteln handeln. Zu Beginn war Foodwatch trotzdem bei Amazon Smile gelistet, ohne seine Zustimmung dazu gegeben zu haben.

Aber es gibt auch Befürworter des Programms. Das Deutsche Rote Kreuz und Save the Children sind anerkannte Partner. „Als gemeinnützige Organisation sind wir immer auf der Suche nach neuen, unkomplizierten Möglichkeiten, wie Menschen unsere humanitäre Arbeit unterstützen können“, sagt Nina Greb, Koordinatorin für Marketing und Kooperationen beim Deutschen Roten Kreuz. Schließlich werden Spenden dringend gebraucht. 265 Milliarden US-Dollar wären laut Weltrisikobericht allein nötig, um Hungersnöte weltweit bis zum Jahr 2030 auszurotten.

Aber es müsse einem klar sein, dass man über Amazon Smile nicht in erster Linie spende, sondern dem Unternehmen vor allem dabei helfe, den Umsatz zu erhöhen, so Wilke vom DZI. Das gehe dann zu Lasten von anderen Online-Shops und stationären Läden. 

Und ob sich mit Spenden via Amazon wirklich das Gewissen beruhigen lässt, sei ebenfalls dahingestellt. Schließlich müsste man für stolze 10.000 Euro einkaufen, damit wenigstens 50 Euro an Hilfsorganisationen überwiesen werden.

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