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CO2-Emissionen
Klimawandel-Prozess: Shell soll zur Verantwortung gezwungen werden
- vonJoachim Willeschließen
Der Ölkonzern sieht beim Klimaschutz-Prozess in Den Haag vor allem die Regierungen in der Pflicht. Die Kläger streben nach Wandel bei den Verursachern der Klimakrise.
- In Den Haag steht der Öl-Megakonzern Shell vor Gericht.
- Klimaschutzorganisationen wollen das Unternehmen zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Klimakrise zwingen.
- Shell verteidigt sich, man könne das Klimaproblem nicht alleine lösen.
Den Haag – Es ist einer der spektakulärsten Klagen, mit denen Umweltschützer weltweit versuchen, eine konsequentere Klimapolitik auf dem Rechtsweg zu erzwingen: der Prozess gegen den niederländisch-britischen Erdöl- und Erdgas Multi Shell, der seit Ende November vor dem Bezirksgericht in Den Haag verhandelt wird. In den vier dafür angesetzten Anhörungstagen prallten die Ansichten diametral aufeinander: Shell argumentierte, kein einzelnes Unternehmen könne für das Klimaproblem verantwortlich gemacht werden. Die Kläger hingegen beharrten darauf, jeder müsse Verantwortung übernehmen – insbesondere die großen Verursacher, „angefangen bei Shell“.
Anwälte sehen beim Klimawandel alle in der Pflicht: „Shell allein kann das derzeitige System nicht ändern“
Die Klage wurde angestrengt von der NGO „Milieudefensie“, die zu Friends of the Earth (FoE) gehört, und sechs weiteren Umweltverbänden sowie rund 17 000 Bürgern. Sie wolle erreichen, dass der Konzern die Emissionen, die sich aus seinen weltweiten Geschäften ergeben, bis 2030 um 45 Prozent senkt. Das entspricht den CO2-Minderungszielen, die sich aus dem Pariser Klimavertrag ergeben. Danach soll die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden.
Die Anwälte des Konzerns, der für rund drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, bezeichneten den Klimawandel als kollektives Problem. „Shell allein kann das derzeitige System nicht ändern. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich ändern“, trugen sie vor. Als privates Wirtschaftsunternehmen gehöre man weder dem Pariser Klimaabkommen von 2015 noch der UN-Klimarahmenkonvention an, die 1992 geschlossen wurde. „Das sind Abkommen, die zwischen Ländern geschlossen wurden“, sagte Anwalt Dennis Horeman dem Drei-Richter-Gremium. Horeman zufolge kann Shell in den Niederlanden nicht für die weltweiten Emissionen haftbar gemacht werden. Der jeweilige „Tatort“ sei der Ort, an dem die CO2-Emissionen entstehen. Der Konzern mit Hauptsitzen in Den Haag und London ist global in rund 140 Ländern tätig. Milieudefensie-Anwalt Roger Cox sagte in den Anhörungen, die diese Woche zu Ende gingen: „Jeder sieht, wie wichtig es ist, einen lebenswerten Planeten zu haben und deshalb den CO2- Ausstoß zu reduzieren. Außer anscheinend Shell.“
#Klimaklage! 17.000 Bürger*innen in Holland und Umweltverbände wie z.B. Friends of the Earth Netherlands @milieudefensie @GreenpeaceNL und Action Aid Foundation stellen den Gas- und Ölkonzern #Shell vor Gericht, um ihn von seinem Klimazerstörungskurs abzubringen.@shellmustfall https://t.co/EsaFecO2hA
— Fossil Free Berlin #KeinGradWeiter (@DivestBerlin) December 1, 2020
Prozess gegen Öl-Konzern Shell: Große Ziele – Ende des fossilen Brennstoffzeitalters
Die Umweltverbände argumentieren, der Shell-Konzern verletze sowohl das niederländische Haftungsrecht als auch die Artikel zwei und acht der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie stützen sich zudem auf die sogenannte Kelderluik („Kellerluke“)-Entscheidung des Hohen Rates der Niederlande von 1965. Danach kann ein Unternehmen haftbar gemacht werden, falls es eine Situation schafft, von der es hätte wissen müssen, dass sie gefährlich sein könnte. Das jeweilige Gericht muss aber auch beurteilen, wie schwierig es für das Unternehmen wäre, eine Lösung umzusetzen.
Die Umweltschützerin von FoE-International, Sara Shaw, sagte um Abschluss der Anhörungen: „Unsere Hoffnung ist, dass dieser Fall eine Welle von Klimaprozessen auslöst, die weitere Konzerne zur Rechenschaft ziehen und das Ende des fossilen Brennstoffzeitalters einleiten kann.“ Das Urteil im Shell-Prozess soll am 26. Mai gesprochen werden.