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Seehandel: Umdenken auf dem Meer?

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Von: Hermannus Pfeiffer

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Die Bedeutung der Schifffahrt hat in der Pandemie zugenommen - und damit auch die Gewinne der Reedereien.
Die Bedeutung der Schifffahrt hat in der Pandemie zugenommen - und damit auch die Gewinne der Reedereien. © imago images/McPHOTO

Weil der Seehandel wichtiger wird, fordert eine Initiative eine neue Außenwirtschaftspolitik.

Die Fregatte „Bayern“ zeigt gerade Flagge im Info-Pazifik. Zum Auslaufen war Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im August extra auf den Flottenstützpunkt nach Wilhelmshaven gereist. Der Indo-Pazifik sei heute die strategisch wichtigste Region der Erde, heißt es in den Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung. Hier fielen wichtige Entscheidungen über unseren Wohlstand. Mit dem „Indo-Pacific Deployment“ wolle die Marine demonstrieren, dass sie für Deutschland ein verlässliches, weltweit einsetzbares politisches Instrument ist, lässt sich der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, in einer Mitteilung zitieren.

Das Marinekommando veröffentlichte in der vergangene Woche seinen Jahresbericht „Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“. Der 187-seitige Bericht widmet sich zu allererst dem Übergang vom Pazifik zum Indischen Ozean und Meerengen wie der Straße von Malakka. Durch diese Meerengen werden jährlich bis zu 30 Prozent des internationalen Warenhandels geschifft.

Zwar genießen Schiffe seit 1982 wegen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen auf der Hohen See nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Und auch innerhalb der Territorialgewässer von Staaten gilt für Handelsschiffe und Kriegsschiffe, unter gewissen Auflagen, ebenfalls ein Recht auf Durchfahrt. Doch „insbesondere im Südchinesischen Meer hat sich in den vergangenen Jahren eine einseitige Praxis der Auslegung internationaler Rechtsnormen etabliert“, warnt der Marine-Bericht. Vor allem die von China, Deutschlands wichtigstem Handelspartner, betriebene „territoriale Bemächtigungs- und Ausdehnungspolitik“ erzeuge politische Spannungen.

Leere Regale, kein Toilettenpapier, Lieferengpässe bei Laptops und Chips – seit März 2020 gibt es innerhalb der maritimen Lieferketten immer wieder große Probleme. Schönbach: „Wie kostbar vermeintliche Selbstverständlichkeiten sind, wird oft erst deutlich, wenn sie bedroht sind.“ Auch rund zwei Drittel der deutschen Exporte sind auf die Seewege angewiesen. Insgesamt sind es im interkontinentalen Warenverkehr sogar mehr als 90 Prozent. Deutschen Reedereien kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Ihnen gehört ein Drittel der Containerschiffe weltweit.

Und die Bedeutung der Schifffahrt nimmt zu. Am Jahresanfang bestand die Welthandelsflotte aus 56 899 Schiffen mit einer Gesamtkapazität von mehr als zwei Milliarden Tonnen, was einem Anstieg um 3,2 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Zitterte die Branche noch vor einem Jahr vor den Folgen der Corona-Lockdowns, befindet sie sich nun in einer „Euphorie“, wie es in der Reeder-Studie der Beratungsgesellschaft PwC heißt. Fast jede zweite Reederei plane den Kauf neuer Schiffe.

Vor diesem Hintergrund fordert eine Initiative des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel die künftige Bundesregierung auf, sie solle die Außenwirtschaftspolitik strategisch neu ausrichten: „Die bisherige Leitlinie, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Ziele möglichst getrennt zu adressieren, ist angesichts der veränderten geoökonomischen Lage nicht mehr haltbar“, lautet die Kernbotschaft eines Gutachtens mehrerer Forschungsinstitute für das Auswärtige Amt. Priorität in der neuen Strategie soll unter anderem der Auf- und Ausbau bilateraler strategischer Partnerschaften haben.

In den vergangenen Jahren nahm die internationale Vernetzung durch die Globalisierung zu, andererseits wuchsen aber auch die Abhängigkeiten. Gleichzeitig kam es mit dem Aufstieg Chinas zu einer machtpolitischen Verschiebung. „Vor diesem Hintergrund müssen Deutschland und die EU die eigene Verwundbarkeit bewerten und offensive und defensive Strategien für ihre Außenwirtschaftsbeziehungen entwickeln“, fordert Katrin Kamin, IfW-Forscherin und federführende Autorin. Weitere Autoren sind Gabriel Felbermayr (Wifo, Wien), Marcel Fratzscher (DIW Berlin) und Guntram Wolff (Bruegel, Brüssel).

Die Marine sieht sich zukünftig für das neue „Große Spiel“ gewappnet. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte erst im Juni (2021) eine Reihe von maritimen Rüstungsprojekten bewilligt: Hochtechnologie-U-Boote, Drohnen und neuartige „Mehrzweckkampfschiffe“.

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