Schweröl nicht mehr gefragt

Deutsche Werften hoffen nach 125 Jahren auf harte Umweltnormen aus London - dann könnte der Schiffbau nicht nur sein Image der "schmutzigen Industrie" loswerden. Auch der Einstieg in neue Märkte lockt. Von Hermannus Pfeiffer
Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg. Die Seefahrt steht nach fast einem Jahrhundert vor einem grundlegenden Wandel: Neue Umweltnormen könnten den Schiffbau revolutionieren. Zur Freude der Werften, die sich neue Aufträge erhoffen. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) läutet bereits "den überfälligen Ausstieg aus der Schweröl-Technologie" ein.
Das Image einer "schmutzigen Industrie" sind die Werften nie ganz losgeworden, seit 1912 mit der dänischen "Selandia" der erste großer Frachter mit einem Dieselantrieb in See stach. Dabei ist der Schiffbau längst eine Hochtechnologiebranche wie die Luftfahrt. Doch der Makel haftet noch am Motor der Globalisierung, denn die meisten Containerriesen und Kreuzfahrer werden mit Schweröl angetrieben. Ein klebriges Abfallprodukt, das in den Raffinerien nach dem Destillieren von Benzin, Diesel und Heizöl übrig bleibt und voller Giftstoffe steckt. So ist die Seeschifffahrt einerseits per Tonnenkilometer relativ der mit Abstand sauberste Verkehrsträger, anderseits sondert sie absolut mehr Kohlendioxid (CO2) und Schwefel ab als der Luftverkehr, offenbart die Statistik der Europäischen Union (EU). Dieser Klimawandel ist besonders in Häfen zu spüren. Ein Kreuzfahrtschiff, das wenige Stunden am Kai in Rostock oder Lübeck liegt, stößt tonnenweise Schwefel, Ruß und CO2 aus.
Für frischen Wind auch auf hoher See könnte nun die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO sorgen. Für März ist ein entscheidendes Treffen mit Vertretern der 167 Mitgliedsländer in London anberaumt. IMO-Generalsekretär Efthimios Mitropoulos schwebt ein ehrgeiziges Programm vor, um die Emissionen zu senken. Die Palette reicht von optimierten Propellern bis zum Segelantrieb für Frachtschiffe.
In einigen Regionen tut sich ohnehin etwas. Seit Jahresanfang dürfen Schiffsabgase in allen EU-Häfen nur noch 0,1 Prozent Schwefel enthalten, und von Juli an wird in den Emissions-Überwachungsgebieten Nord- und Ostsee nur noch Schweröl mit einem Prozent Schwefelgehalt gestattet (bisher 1,5 Prozent). Ähnliche Sonderzonen sind vor der nordamerikanischen Küste und im Mittelmeer geplant.
Erfinderische Techniker
In London könnte nun erstmals ein Abkommen über CO2 geschlossen werden. Technisch ist vieles machbar. Spezielle Schiffsrümpfe könnten Treibstoff sparen helfen, emissionsarmes Flüssiggas und Landstrom schmutziges Schweröl ersetzen. Der finnische Motorenhersteller Wärtsilä und die deutschen Techniker von Couple Systems haben die ersten Frachter mit Schwefel-Waschanlagen ausgestattet. "Doch wenn sie wirklich was bewegen wollen, müssen sie über die IMO gehen", sagt ein Sprecher des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Das BSH, das europäische Alleingänge für nicht ausreichend hält, will in London Flagge zeigen.
Unterstützung kommt dabei vom Schiffbau-Verband, der am Dienstag sein 125-jähriges Bestehen feiert und bislang nicht als grüner Ritter aufgefallen war. Er wittert neue globale Märkte für die Werften und ihre Zulieferindustrie. Die verschärfte Umweltdiskussion in der Schifffahrt gehe in "die richtige Richtung", lobt ein VSM-Sprecher.