Schuldenerlasse in weiter Ferne

Die Linke kritisiert das mangelnde Engagement der Bundesregierung für ein Staateninsolvenzverfahren. Dabei hatte die Ampel sich im Koalitionsvertrag eigentlich dazu verpflichtet.
Dramatisch verschuldete Länder können vorerst nicht auf internationale Insolvenzregeln hoffen. Die Bundesregierung sieht aktuell jedenfalls keine Möglichkeit, sich global auf ein geordnetes Staateninsolvenzverfahren zu einigen. Sie setzt vielmehr auf den gemeinsamen Rahmen für die Behandlung von Schulden (CF – Common Framework for Debt Treatment), auf den sich die G20-Staaten geeinigt hatten.
Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Cornelia Möhring, Anke Domscheit-Berg und Andrej Hunko hervor. Das CF sei eine „große Errungenschaft in der internationalen Schuldenarchitektur“, heißt es in dem Schreiben, das der Frankfurter Rundschau vorliegt.
Damit verabschiede die Bundesregierung „sich nun auch ganz offiziell vom Staateninsolvenzverfahren“, kommentiert Cornelia Möhring, Sprecherin für Entwicklungspolitik der Linken-Fraktion, die Antwort aus dem Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Dass die Regierung ihren Koalitionsvertrag in dieser Frage nicht sonderlich ernst nehme, und allein auf die Umsetzung des CF baue, sei jetzt Schwarz auf Weiß nachzulesen.
Viele Staaten infolge mehrerer Krisen in akuter Finanznot
SPD, Grüne und FDP hatten sich 2021 zum Start der Koalition darauf verpflichtet, eine Initiative für ein kodifiziertes Staateninsolvenzverfahren zu unterstützen, „das alle Gläubiger miteinbezieht und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Ländergruppen umsetzt“.
Für viele Staaten hat sich die finanzielle Lage infolge der Covid-Pandemie, des Klimawandels und des Krieges gegen die Ukraine dramatisch verschärft. Laut einer Analyse der Initiative erlassjahr.de und des Hilfswerks Misereor waren im Jahr 2020 bereits 39 Länder „besonders kritisch“ verschuldet. Wegen der angespannten Finanzlage kürzten demnach 2021 mehr als 80 Niedrig- und Mitteleinkommensländer ihre öffentlichen Ausgaben. Mühsam errungene Erfolge, die die Staaten bei den internationalen Entwicklungszielen erreicht hätten, würden so zunichte gemacht, warnt erlassjahr.de.
Als Reaktion auf die Folgen der Pandemie hatte die Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften mit ihrer „Debt Service Suspension Initiative“ (DSSI) den Schuldendienst für Staaten mit niedrigen Einkommen befristet ausgesetzt. Davon profitierten 73 Länder, die von Mai 2020 bis Dezember 2021 weder Zinsen zahlen noch Schulden tilgen mussten. Das hat den betroffenen Staaten Luft verschafft, löst ihre dauerhaften Probleme aber nicht.
„Die Bundesregierung sollte mit gutem Beispiel vorangehen“
Um ihnen eine „nachhaltige Schuldenrestrukturierung“ zu ermöglichen, beschloss die G20 im November 2020 den gemeinsamen Rahmen für die Behandlung von Schulden (CF). Bislang aber hat mit dem Tschad erst ein einziges Land Vereinbarungen nach dem CF treffen können. Schulden wurden dem afrikanischen Land dabei allerdings nicht gestrichen.
„Die Bundesregierung hat eine internationale Verantwortung – und sollte mit gutem Beispiel vorangehen, anstatt sich hinter anderen zu verstecken“, fordert die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring im Blick auf den Koalitionsvertrag. Dafür dass es insgesamt nicht vorwärts gehe, gebe die Bundesregierung anderen die Schuld – vor allem China, sagt Möhring.
Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort darauf verwiesen, dass sie sich für Verbesserungen des CF einsetze, dessen Prinzipien auf denen des Pariser Clubs basierten. Dazu gehöre auch die vergleichbare Einbindung privater Gläubiger. Stark mache sich die Bundesregierung unter anderem für den Vorschlag von IWF und Weltbank, das CF auch auf Mitteleinkommensländer zu erweitern. Allerdings habe die G20 auch dabei bislang keinen Konsens erzielen können.
Vor allem auf die Zurückhaltung Pekings verweist die Antwort. So habe China im Oktober 2022 trotz Einladung nicht an einer Konferenz unter Vorsitz von Bundesfinanzminister Linder am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank teilgenommen. Im Fokus stand dabei die Frage, wie die Schuldentragfähigkeit afrikanischer Staaten erhöht werden kann. China gilt als der größte staatliche Gläubiger Afrikas.