Rüdiger Grube tritt zurück

Hintergrund ist der Streit um die geplante Vertragsverlängerung des Bahn-Chefs. Offenbar wirft Grube dem Kontrollgremium vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben.
Paukenschlag im Bahn-Tower: Eigentlich steht die Vertragsverlängerung von Konzernchef Rüdiger Grube an. Doch der Aufsichtsrat bietet dem 65-Jährigen offenbar nur zwei statt drei weitere Jahre an. Grube wirft hin und bittet um sofortige Auflösung des eigentlich noch bis Jahresende laufenden Vertrags. Die Bundesregierung steht damit vor einem Problem: Wer soll den Spitzenposten übernehmen?
Als Grube im Mai 2009 zur Deutschen Bahn kam, steckte das Unternehmen in einer tiefen Krise: Sein früherer Weggefährte und Vorgänger Hartmut Mehdorn war über eine Datenaffäre gestolpert, im Zuge derer eine jahrelange systematische Überwachung des E-Mail-Verkehrs der Beschäftigten bekannt geworden war. Der nette Grube war damals der Gegenentwurf zum streitlustigen Mehdorn.
Grube kam vom Flugzeugbau über die Automobilindustrie zur Bahn. Er machte nach der Schule zunächst eine Lehre zum Metallflugzeugbauer. Dann studierte er in Hamburg Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik, bevor ein Studium in Berufs- und Wirtschaftspädagogik dazu kam.
Erst mit 38 Jahren ging Grube in die freie Wirtschaft zum Luft- und Raumfahrtunternehmen Messerschmitt-Bölkow-Blohm, der späteren Daimler-Benz Aerospace AG (Dasa). Grube startete eine steile Karriere; 1996 wechselte er zu Daimler Benz nach Stuttgart.
Grube galt als einer der Architekten der vom damaligen Daimler-Chef Jürgen Schrempp erdachten Welt-AG, die mit der zwischenzeitlichen Partnerschaft mit Chrysler in einem grandiosen Desaster endete. Doch auch unter Dieter Zetsche als neuem Chef durfte er bei Daimler bleiben.
Richtig rund läuft es nicht immer
Bei der Deutschen Bahn trat Grube mit dem Versprechen an, sich um das "Brot-und-Butter-Geschäft" zu kümmern, den Eisenbahnverkehr in Deutschland. Dabei griff der Top-Manager auch schon mal selbst zum Telefon, um Kunden nach einer Beschwerde versöhnlich zu stimmen. Der Bahn-Chef zeigte sich gern als Manager, der anpackt - mit hochgekrempelten Ärmeln und oben aufgeknöpftem Hemd ohne Krawatte, wie er seit Mitte 2015 auch in den Finanzberichten zu sehen war. SMS kündigten sich auf seinem Handy mit dem Pfeifen einer Dampflok an.
Doch richtig rund läuft es nicht immer: Das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 treibt Grube voran, obwohl er die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen für den Konzern kritisch bewertet. Im Regionalverkehr gehen Ausschreibungen an die Konkurrenz verloren. Der schlecht laufende Güterverkehr sorgt 2015 mit Abschreibungen für einen Riesenverlust von 1,3 Milliarden Euro - es ist das erste Minus seit zwölf Jahren. Der Fernverkehr leidet unter der Konkurrenz von Fernbussen und Billigfliegern sowie billigem Sprit.
Ende 2015 legt Grube, der seit anderthalb Jahren mit der Spitzenköchin Cornelia Poletto verheiratet ist, das großangelegte Programm "Zukunft Bahn" auf. Sauberere und pünktlichere Züge, Internet in der zweiten Klasse, schnellere Reparaturen von defekten Aufzügen, Bahnhofsuhren und Rolltreppen - die Maßnahmen klingen wie Selbstverständlichkeiten, doch anscheinend trägt das Programm Früchte.
Es gebe bereits "viele spürbare Verbesserungen" für die Kunden, beim Geschäftsergebnis sei die "Trendwende geschafft", betonte der Konzernchef erst vor wenigen Tagen. Und er sah den zum Jahresbeginn auf fünf Mitglieder verkleinerten Vorstand "gut für die Zukunft aufgestellt". Doch Grubes eigene Zukunft bei der Bahn sah der Aufsichtsrat offenbar schon Ende 2019 für beendet. Grube zog da lieber die Notbremse. (afp)