Was passiert mit den Spuren im Internet?

Fachleute erklären, wie man seinen digitalen Nachlass zu Lebzeiten regelt.
Online-Banking, Shopping, Kommunikation und Social Media – ein Teil des Alltags findet heute im Internet statt. Die hierfür angelegten Nutzerkonten können oder müssen geschlossen werden, wenn ihre Inhaber:innen sterben oder aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, sie zu bedienen. Wie der digitale Nachlass vorbereitet werden sollte, erklären Fachleute.
Warum den digitalen Nachlass regeln? Unsere Fußabdrücke im Netz sind ein dauerhafter Nachlass. „Es heißt: Das Internet vergisst nichts“, sagt Christine Steffen, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Was in Chats geschrieben wurde, die Fotos, die jemand hochgeladen, die Kontos, die er oder sie eröffnet hat: Alles ist gespeichert. „Die Daten bleiben dort und können missbraucht werden“, warnt Steffen. Konten werden gehackt und Fotos möglicherweise missbräuchlich genutzt.
Wenn keine Vorkehrungen getroffen werden, müssen sich gegebenenfalls die gesetzlichen Erben um die Konten kümmern – und das ist kompliziert. „Wer keine Passwörter hat, muss bei einigen Anbietern wie Social Media-Diensten Sterbeurkunden oder ähnliche Nachweise vorlegen, um ein Konto löschen zu können“, sagt Thomas Laudenbach, Berater aus Göttingen, der die Infoseite digitalernachlass.net betreibt. Verträge und Abonnements laufen weiter, wenn sie nicht gekündigt werden, und die Erben müssen die Kosten übernehmen. Eine Überlassung der Passwörter an eine Person der Wahl kann viel Ärger ersparen.
Der digitale Nachlassverwalter: Da das Thema digitaler Nachlass nicht besonders gesetzlich geregelt ist, können Verwandte oder Freund:innen Verwalter der Passwörter sein. „Die Vollmacht kann einer Person überreicht werden, die einem unter Umständen nähersteht als die gesetzlichen Erben“, sagt Steffen. Sie muss auch wissen, wo sich im Fall der Fälle die Liste mit den Zugangsdaten zu den Accounts befindet. Diese Liste gilt es stets aktuell zu halten.
Struktur bringen in den digitalen Nachlass: Steffen empfiehlt, eine Aufstellung aller Konten vorzunehmen und sie nach Wichtigkeit zu sortieren. „Die wichtigsten Konten sind die bei Kreditinstituten, Versicherungen und Bezahlservices“, zählt sie auf. Für diese können weitere Kosten anfallen, wenn sie nicht gekündigt werden. Bei Versicherungen liegen auch Geldanlagen, die Bezahldienste sind mit online abgeschlossenen Abonnements oder mit Webseiten von Anbietern wie der Deutschen Bahn oder Eventim verbunden, wo regelmäßig eingekauft wird. Ein Sonderfall sind Kryptowährungen: Die Dokumente, die zur Verwaltung von Kryptowährungen notwendig sind, sind auf dem Computer gespeichert. In welchem Ordner sie liegen, sollte genau notiert werden – sonst ist das Geld verloren.
Es folgen die sozialen Netzwerke Facebook, Instagram, Linkedin oder XING. „Hier muss man sich entscheiden, ob man die Konten nach dem Tod schließen oder sie stehen lassen möchte“, sagt Steffen. Mancher entscheidet sich dafür, das Konto nicht zu löschen. So können die Hinterbliebenen Verwandte und Freunde sich dort zu Wort melden und Erinnerungen austauschen.
An dritter Stelle stehen die Konten bei Onlineshops, bei denen Waren für den täglichen Bedarf, Bücher oder Kleidung gekauft wurden. „Ein Nutzer-Account bei einem Onlineshop erscheint erst einmal nicht so wichtig“, sagt Steffen. Es gibt eine Einschränkung: Wenn das Passwort zu diesem Nutzerkonto leicht zu knacken ist. „Wenn ein Nutzer es für verschiedene Konten, vielleicht sogar das E-Mail-Konto, benutzt, stellt das ein hohes Risiko dar“, sagt Steffen. Die Verbraucherzentrale NRW stellt eine Musterliste zum Sammeln der Zugangsdaten und zahlreiche weitere Informationen bereit.
Zwei-Faktor-Authentifizierung: Viele Webseiten verlangen inzwischen eine Zwei-Faktor-Authentifizierung. Das bedeutet, dass zusätzlich zum Passwort eine E-Mail oder eine SMS an die Nutzer:innen versandt wird, die bestätigt werden muss. „Es ist deshalb wichtig, sich auch die entsprechenden E-Mail- oder Handydaten zu beschaffen“, sagt Laudenbach. Handys haben weiterhin einen Zugangscode, der eingetippt werden kann. Dieser sollte dem oder der Nachlassverwalter:in jederzeit aktuell vorliegen.
Passwörter: Die Vielzahl an Konten in Online-Shops führt dazu, dass mancher den Überblick über die Passwörter verliert. „Die Vorbereitung des digitalen Nachlasses ist ein guter Anlass, überflüssige Online-Konten zu löschen“, sagt Laudenbach. Er empfiehlt den Dienst „Just delete me“, um fix auf die gängigen Webseiten zu kommen. „Wer die Passwörter hat, kann so schnell Konten löschen.“ Das sei in den letzten Jahren einfacher geworden. Einige Webseiten wie Google, Apple oder Facebook bieten Nutzer:innen in den Einstellungen an, zu Lebzeiten festzulegen, was nach dem Tod mit den Konten geschehen soll.
Um die große Anzahl an Passwörter zu vermeiden, kann man auch einen Passwortmanager benutzen. Dieser speichert diverse Passwörter. Der Zugang zu ihnen erfolgt über ein Masterpasswort. Stiftung Warentest hat im vergangenen Jahr Passwortmanager getestet. Drei kostenpflichtige Programme „1Password“ (38 Euro pro Jahr), Dashlane Premium (53 Euro pro Jahr) und Avira Password Manager Pro (24 Euro pro Jahr) schnitten am besten ab. Steffen weist darauf hin, dass es Passwortmanager gibt, die die Daten lokal auf dem eigenen Computer speichern, und andere, die dafür eine Cloud nutzen „In der Cloud sind die Passwörter von überall verfügbar, aber Clouds können theoretisch gehackt werden“, sagt sie. In der Regel überwiegen aber die Vorteile solcher Passwortmanager.
Passwörterliste deponieren: „Sehr sicher ist eine geschriebene Liste in einem Tresor oder einem Bankschließfach“, sagt Steffen. Eine gedruckte Liste ist unbegrenzt haltbar, ein USB-Stick unter Umständen nicht. Er sollte auch nicht Passwort-geschützt sein, weil das den Zugang unnötig erschwert. Laudenbach hat noch einen Tipp: „Gibt es ein Masterpasswort für einen Passwortmanager, kann man Teile des Worts an verschiedene Personen geben“, sagt er. Erst wenn sie im Todesfall zusammenkommen, ist das Masterpasswort vollständig.
Kommerzielle Anbieter: Es gibt kommerzielle Anbieter, die bei der Ordnung des digitalen Nachlasses unterstützen. „Das Geld dafür kann man sich jedoch sparen“, sagt Steffen. Weder sei sicher, wie lange es den Dienst gibt, noch ob er im eigenen Sinne handelt, wenn es darauf ankommt. „Wer seine Daten aus der Hand gibt, geht ein hohes Missbrauchsrisiko ein“, warnt sie.