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Putins Kanonenfutter

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Von: Joachim Wille

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Kohleabbau in Jakutien, im Nordosten Russlands.
Kohleabbau in Jakutien, im Nordosten Russlands. © imago

Die Energieexporte bescheren Russland seit Kriegsbeginn Rekordeinnahmen.

Russland hat in den ersten 100 Tagen des Angriffskrieges gegen die Ukraine Rekordeinnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe erzielt. Und das obwohl die Exportmengen teils deutlich zurückgegangen sind. Grund sind die hohen Weltmarktpreise für Erdöl, Erdgas und Kohle. Deutschland ist dabei der zweitgrößte Abnehmer.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar hat Russland die Rekordsumme von umgerechnet rund 93 Milliarden Euro aus fossilen Energieverkäufen eingenommen, wie eine am Montag vorgelegte Analyse der unabhängigen Forschungsorganisation Centre for Research on Energy and Clean Air (Crea) zeigt. Die Erlöse aus den Exporten machten bisher rund 40 Prozent der Einnahmen des russischen Etats aus. Das Finanzministerium in Moskau erwartet, dass die Geldflüsse in diesem Jahr erheblich steigen werden. Ein Teil der Mehreinnahmen soll zur Finanzierung des Krieges verwendet werden.

Fossile Exporte: weniger ist mehr

Das Prinzip lautet: weniger Exporte, aber mehr Einnahmen. Das Gesamtvolumen der fossilen Exporte Russlands sank laut Crea zum Beispiel im Mai zwar um 15 Prozent gegenüber der Zeit vor der Invasion. Der EU etwa gelang es, die täglichen Einfuhren aus Russland um 20 Prozent zu senken, wobei die größten Reduktionen von Polen, den baltischen und den nordischen Staaten geleistet wurden. Trotzdem nahm Moskau mehr Geld ein als vorher.

Der Grund: Russlands Exportpreise lagen in diesem Monat im Schnitt 60 Prozent höher als im vorigen Jahr – und das, obwohl das Land deutliche Abschläge von bis zu 30 Prozent etwa beim Verkauf von Erdöl hinnehmen musste, um das Produkt loszuschlagen. Länder wie Indien, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien erhöhten ihre Einfuhren. Indien wurde zu einem bedeutenden Importeur von russischem Rohöl, es kaufte rund 18 Prozent der Exporte. Der Nachfragerückgang und die Preisabschläge kosteten Russland laut Crea im Mai rund 200 Millionen Euro pro Tag. Trotzdem lagen die Einnahmen höher als vorher.

China ist nach Crea-Angaben inzwischen der größte Abnehmer von Öl, Kohle und Gas aus Russland, mit Importen im Wert von 12,6 Milliarden Euro seit Kriegsbeginn. Es hat damit Deutschlands Position übernommen. Die Bundesrepublik, die ihre Energieimporte aus Russland reduziert hat, ist aber mit 12,1 Milliarden Euro immer noch die Nummer zwei und bei Gas weiterhin die Nummer eins. Als weitere Abnehmer folgen Italien und die Niederlande (jeweils 7,8 Milliarden), die Türkei (6,7), Polen (4,4), Frankreich (4,3), Indien (3,4) und Südkorea (3,4). Die Fachleute der Forschungsorganisation haben für die Studie Daten aus dem Schiffsverkehr sowie Daten zu Pipelinetransporten ausgewertet.

Kritik an Flüssiggas

Der Crea-Experte Lauri Myllyvirta sagte, die bisherigen Fortschritte bei der Abkehr von den Energieströmen aus Russland seien viel zu langsam. „Wir müssen viel stärker handeln, um den Geldfluss nach Russland zu stoppen. Weltweit müssen wir den Einsatz sauberer Energie beschleunigen, um Importe fossiler Brennstoffe zu ersetzen und die hohen Energiepreise zu senken, die Russlands Einnahmen in die Höhe treiben.“

Myllyvirta warnte mit Blick auf Deutschland davor, als Alternative für russisches Erdgas zu stark auf Flüssiggas (LNG) zu setzen. Eine übergroße LNG-Infrastruktur werde wahrscheinlich fossile Energien und hohe Preise festschreiben, was letztlich Russland zugutekomme. Die Bundesregierung will den Bau von bis zu zwölf LNG-Terminals ermöglichen. Myllyvirta dazu: „Die Lösung für Deutschland ist klar: die Energieimporte aus Russland stoppen und so schnell wie möglich mit erneuerbaren Energien ersetzen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) indes erwartet, dass die westlichen Sanktionen im Energiesektor bald Wirkung zeigen werden. „Das Ölembargo wird Russland hart treffen“, sagte er am Sonntagabend auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow in Brandenburg. Der EU-Kohlestopp tritt im August in Kraft, der für Öl im Januar.

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