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Umweltexperten skeptisch: Ist Papier wirklich besser als Plastik?

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Von: Eckhard Stengel

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Nudelproduktion bei Frosta: Alle Gerichte werden in Zukunft umweltfreundlicher verpackt.
Nudelproduktion bei Frosta: Alle Gerichte werden in Zukunft umweltfreundlicher verpackt. © Ingo Wagner / dpa

Der Tiefkühlkosthersteller Frosta möchte seine Verpackungen von Plastik auf Papier umstellen. Doch Umweltexperten sehen die Entscheidung kritisch.

Plastik schlecht – Papier gut: So denken viele umweltbewusste Verbraucher. Ganz so einfach ist es aber nicht. Das zeigt sich gerade beim Bremerhavener Tiefkühlkosthersteller Frosta. Zwischen Februar und Herbst will er nach und nach sämtliche Gemüsemischungen und Fertiggerichte, die bisher in Plastikbeuteln verpackt werden, auf neuartige Papierbeutel umstellen. Dadurch würden rund 40 Millionen Plastikverpackungen pro Jahr eingespart, hatte Unternehmenssprecherin Friederike Ahlers bereits im November angekündigt. Doch Umweltexperten sehen in der Umstellung nicht unbedingt einen Vorteil, wie Nachfragen der FR jetzt ergeben haben.

Nachhaltigkeit: Ist Papier wirklich besser als Plastik? 

Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt (UBA), kennt noch keine Details der neu entwickelten, zum Patent angemeldeten Papierbeutel und kann daher nur eine allgemeine Einschätzung abgeben: Kunststoff stamme aus fossilen Rohstoffen, und deren Nutzung führe zu schädlichen Emissionen. Aber auch Papier sei nicht unproblematisch, denn für die Herstellung seien viel Wasser und viel Energie nötig. Immerhin sei die Verpackung FSC-zertifiziert, also mit einem Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft versehen; dessen Aussagekraft sei allerdings umstritten.

Laut Frosta können die Beutel, die nur sparsam mit wasserbasierten Farben bedruckt seien, im Altpapier entsorgt und problemlos recycelt werden. Das vermutet auch der UBA-Experte – zumindest, wenn an der Innenseite nicht zu viele Speisereste kleben, was aber bei Tiefkühlware kaum zu erwarten sei.

Plastikverpackungen lassen sich gut wiederaufarbeiten 

Allerdings, so Kotschik weiter, habe sich auch die bisherige Plastikverpackung gut wiederaufarbeiten lassen. Denn Frosta verwende seit Jahren nur noch ein einziges, „sortenreines“ Material, das sich problemlos aus den Gelben Säcken aussortieren lasse und dann zu Kunststoffgranulat weiterverarbeitet werde. Kotschik: „Die Gefahr, dass dieser werthaltige Plastikabfall einfach nur deponiert oder verbrannt wird, ist sehr gering.“

Viel wichtiger als ein Austausch des Materials wäre es aus Sicht des UBA-Fachmanns, Verpackungen zu vermindern oder zu vermeiden. Bei Tiefkühlware gebe es bisher noch kein Mehrwegsystem, aber man sollte über solche Verfahren nachdenken.

Das Unternehmen

Dirk Ahlers gründete 1961 das Familienunternehmen Frosta und expandierte in den folgenden drei Jahrzehnten durch den Zukauf der Bremerhavener Hochseefischerei Nordstern, der rheinland-pfälzischen Raiffeisen-Tiefkühlkost und der bekanntesten DDR-Tiefkühlmarke Elbtal.

Der Mittelständler produziert am Hauptsitz Bremerhaven, in Bobenheim-Roxheim (Rheinland-Pfalz) und Lommatzsch (Sachsen) sowie seit 1999 auch in einem ehemaligen Unilever-Werk in Polen.

Seit 2003 verzichtet die Firma nach eigenem „Reinheitsgebot“auf alle Zusatzstoffe. 2012 wurde sie als „Deutschlands nachhaltigste Marke“ ausgezeichnet.

509 Millionen Euro Umsatz erzielten die fast 1.800 Beschäftigten in Deutschland und Polen letztes Jahr, einen Gewinn nach Steuern von 20 Millionen Euro. stg

Mit dieser Anregung liegt die Behörde auf einer Linie mit dem Umweltschutzverband BUND. Dessen Abfallexperte Rolf Buschmann wünscht sich ein einheitliches Mehrwegsystem aus Plastikboxen. Wie das im Einzelnen aussehen könnte? „Da müssen wir noch ein bisschen Gehirnschmalz reinstecken“, sagt der BUND-Fachmann.

Er findet Initiativen wie die von Frosta zwar eigentlich lobenswert, „aber den Gewinn für die Umwelt muss man erst noch ermitteln“. Bei der Herstellung, sagt Buschmann, seien Plastikbeutel eindeutig umweltfreundlicher als Papiertüten – „von den reinen Energie- und Verbrauchsdaten hergesehen“, also ohne Berücksichtigung der Frage, wie nachhaltig die Rohstoffe gewonnen wurden. Bei der Entsorgung hingegen sei Papier im Vorteil. Denn bei Plastik sei die Gefahr größer, dass es nicht wiederaufbereitet werde und womöglich sogar in der Natur lande. Falls auch Papier mal in die Natur gelange, zersetze es sich viel besser.

Plastik: Entsorgung darf nicht außer Acht gelassen werden 

Frosta-Sprecherin Ahlers reagiert auf die Bedenken der Umweltexperten mit den Worten, dass gerade der Aspekt der Entsorgung nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Die Recyclingquote für Plastik in Deutschland liege weit unter 50 Prozent, schreibt sie auf Anfrage der FR. „Allerdings sind auch ohne Berücksichtigung der Entsorgung nach unseren eigenen Berechnungen die Klimaemissionen des Papierbeutels geringer als die des Plastikbeutels.“ Zum Vorschlag, Mehrwegsysteme einzuführen, schreibt Ahlers: „Für den Einzelhandel können wir uns das im Moment noch nicht vorstellen, aber es ist auf jeden Fall ein interessanter Gedanke!“ Für die Herstellung kaufe Frosta schon jetzt viele Zutaten in großen Mehrweggebinden, zum Beispiel Milchprodukte oder Olivenöl.

Spannend dürfte werden, wie die Kundschaft auf die neuen Verpackungen reagiert. Denn auf den hellbraunen Beuteln aus naturbelassenem Papier („ungebleicht und ungestrichen“) sehen die Produktfotos nicht mehr so brillant aus wie bisher – und vor allem: Die Gerichte werden um etwa 20 Cent teurer, ein Plus um ungefähr fünf Prozent.

Mit Preissteigerungen hat der Mittelständler schon mal schlechte Erfahrungen gemacht: 2003 verabschiedete er sich als erster konventioneller TK-Hersteller von allen Farbstoffen, Geschmacksverstärkern und anderen Zusatzstoffen. Weil durch das neue hauseigene „Reinheitsgebot“ die Ladenpreise um 30 bis 60 Cent pro Packung stiegen, sank der Umsatz mit der reformierten Frosta-Hauptmarke damals um 42 Prozent, und erstmals seit Jahren schrieb das Familienunternehmen Verluste. Erst nach anderthalb Jahren konnte die Firma den Einbruch der Werte überwinden.

Von Plastik zu Papier: „Revolution im Tiefkühlregal“

Frosta, nach eigenen Angaben Marktführer für TK-Gerichte in Deutschland, bezeichnet den jetzt geplanten Abschied vom Plastik als „Revolution im Tiefkühlregal“. Dreijährige intensive Arbeit sei nötig gewesen, um einen „innovativen Materialmix und eine spezielle Verarbeitung“ zu entwickeln. „Die besondere Herausforderung lag darin, eine Papierverpackung zu schaffen, die trotz des feuchtkalten Milieus der Tiefkühlung einen zuverlässigen Produktschutz bietet.“

Nachdem Frosta 2013 schon Verpackungsschalen mit Aluminium abgeschafft hatte, wird wohl bald auch die „sortenrein recycelbare Folie“ auf dem Müllhaufen der Firmengeschichte landen.

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