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Paketdienste: So viel zu tun wie an Weihnachten

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Von: Frank-Thomas Wenzel

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Etwa neun Millionen Sendungen hat DHL im Moment täglich zuzustellen. In normalen Zeiten sind es im Schnitt nur 5,2 Millionen.	Tobias SCHWARZ / AFP
Etwa neun Millionen Sendungen hat DHL im Moment täglich zuzustellen. In normalen Zeiten sind es im Schnitt nur 5,2 Millionen. © AFP

Da die Paketzusteller an ihre Grenze kommen, will DHL jetzt auch am Wochenende ausliefern. Der Bundesverband Onlinehandel kritisiert, dass der Logistiker nicht richtig plane.

Seit zehn Tagen hängt die Radlerhose im Räderwerk von DHL fest. Laut jüngstem Eintrag im Onlinesendungsverlauf vom 16. April wird das Päckchen „für die Verladung ins Zustellfahrzeug vorbereitet“. Das Schicksal der Hose ist kein Einzelfall. Paketdienste sind wegen der Corona-Krise an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Deshalb will der Marktführer DHL womöglich auch am nächsten Sonntag ausliefern.

„Derzeit haben wir ein Aufkommen von etwa neun Millionen Sendungen pro Tag“, sagte ein DHL-Sprecher. Das entspreche in etwa dem Volumen in der Weihnachtszeit. 5,2 Millionen Pakete täglich sind in normalen Zeiten der Durchschnitt. In den vergangenen anderthalb Wochen ist das Aufkommen stark gestiegen.

Um den erhöhten Arbeitsaufwand zu bewältigen, sei intern alles verfügbare Personal mobilisiert worden – inklusive Leuten aus der Verwaltung. Zudem seien in den vergangenen drei Wochen 2000 zusätzliche Beschäftigte eingestellt worden. Dennoch sei es enorm schwer, die gesteigerte Zahl der Sendungen zu bewältigen. Deshalb sei die Zustellung am Sonntag ein Weg, um für Entlastung zu sorgen. So wie gerade in München geschehen. Laut DHL waren am 19. April 400 Frauen und Männer damit beschäftigt, 50 000 Pakete an private Haushalte auszuliefern – ein Novum für Paketdienste hierzulande. Transportkapazitäten für rund 50 Lastwagenladungen wurden so freigemacht.

Der DHL-Sprecher schließt nicht aus, dass solche Aktionen in verschiedenen Regionen auch für nächsten Sonntag angeleiert werden. „Das können wir aber frühestens am Donnerstag entscheiden“, sagte der Sprecher. „Die Lage ändert sich täglich.“ Infrage kommen vor allem Ausnahmeregelungen für Verteilzentren, die Großstädte beliefern. Der Sprecher der Deutsche-Post-Sparte macht aber darauf aufmerksam, dass die Sonntagszustellung nicht zum Normalfall werden soll. „Es gilt weiterhin der Sechs-Tage-Rhythmus.“

Um am siebten Tag ausliefern zu dürfen, muss DHL bei den zuständigen Behörden der Bundesländer jeweils einmalige Ausnahmen vom generellen Verbot der Sonntagsarbeit beantragen. Vor Ostern sei das für Berlin per Eilverfahren gerichtlich abgewiesen worden. Das bayerische Arbeitsministerium hingegen habe für vergangenen Sonntag eine Genehmigung erteilt, erläuterte der DHL-Sprecher. Und er betonte, dass die Zusteller sich freiwillig gemeldet hätten, dass Zuschläge für Sonntagarbeit gezahlt würden und der Extraeinsatz auf die Arbeitszeit angerechnet werde.

Zuletzt hatte es Vorwürfe vom Bundesverband Onlinehandel (BVOH) gegeben. Logistiker wie DHL hätten zusätzliche Abholfahrten bei Händlern ersatzlos storniert. Hätten die Paketdienste rechtzeitig auf den Engpass hingewiesen, wäre der Verkauf gedrosselt worden. „Jetzt stehen die gepackten Pakete beim Händler und werden nicht ausgeliefert“, sagte BVOH-Präsident Oliver Prothmann. Verzögerungen um mehrere Tage seien die Folge. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Onlinehandel hätten in der Corona-Krise „extreme Anpassungen“ vornehmen müssen. Er wirft den DHL-Managern vor, dass sie hingegen auch nach vier Wochen Lockdown nicht in der Lage seien, den Transportbedarf richtig zu planen. „Es gibt keine Ausreden wegen mangelnder Kapazitäten bei Transport oder Personal“, betonte Prothmann.

Laut BVOH haben die Paketdienste DPD und GLS ebenfalls einen starken Anstieg bei der Abfertigung der Paketvolumina bestätigt. Bisher seien dort aber keine Engpässe aufgetreten. Viele Händler sind auf DHL angewiesen. Der Paketdienst der teilstaatlichen Deutschen Post hat hierzulande einen Marktanteil von deutlich mehr als 50 Prozent. Die übrigen Anbieter folgen mit großem Abstand. Nummer zwei ist Hermes, eine Tochter der Hamburger Otto-Gruppe.

Der BVOH macht auch darauf aufmerksam, dass die Arbeit der Zusteller in der Corona-Pandemie leichter geworden sei. Wegen vieler Arbeitnehmer im Homeoffice sei die Quote der Erstzustellungen stark gestiegen. Der geringere Verkehr in den Städten lasse eine schnellere Lieferung zu. Auch seien Verteilzentren entlastet, weil es weniger Warensendungen für Firmen gebe.

Der DHL-Sprecher bezeichnete die Vorwürfe des Verbands BVOH als „bizarr“. Die regulären Abholfahrten bei den Händlern gebe es nach wie vor. Allerdings könnten zusätzliche Sonderfahrten in einigen Regionen nicht durchgeführt werden. Bei der Kapazitätsplanung müsse beachtet werden, dass beim Weihnachtsgeschäft die Planungen fürs zusätzliche Paketaufkommen schon im Sommer beginnen würden. In der Corona-Krise habe es eine vergleichbare Vorlaufzeit nicht gegeben.

Indes ist offen, ob die große Zahl der Onlinebestellungen in den nächsten Tagen weiter anhält. Am Montag durften in vielen Bundesländern kleinere Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche wieder öffnen. Für Auto-, Fahrrad- und Buchhändler gibt es keine Größenbeschränkung. Allerdings gelten für die Kunden Abstandsregeln, und die Bundesregierung hat das Tragen von Atemmasken beim Einkaufen dringend empfohlen.

Amazon-Zentrum in Frankreich zu

Der Online-Versandhändler  Amazon lässt seine Logistikzentren in Frankreich nach einem Gerichtsurteil zu Corona-Schutzmaßnahmen weiterhin geschlossen. Die Mitarbeiter würden sicher noch bis einschließlich Mittwoch zu Hause bleiben, teilte das Unternehmen in Frankreich mit.

Angesichts eines Urteils  eines Gerichts im Pariser Vorort Nanterre sei man weiterhin „perplex“. Mit Interesse warte man nun auf den Berufungstermin am Dienstag, so das Unternehmen.
Ein Gericht hatte vergangene Woche entschieden, dass die Mitarbeiter der Logistikzentren nicht ausreichend gegen Coronavirus-Gefahren geschützt seien. Amazon müsse sich auf Bestellungen von Nahrungsmitteln sowie Hygiene- und Medizinartikeln beschränken, bis die Schutzmaßnahmen verbessert seien.

Angesichts  der drohenden Strafe von einer Million Euro pro Verstoß entschloss sich Amazon, die Logistikzentren vorübergehend zu schließen. (dpa)

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