Nord Stream 2: Bundesnetzagentur setzt Zertifizierung aus
Rückschlag für die Betreiber der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Das Verfahren zur Anerkennung der Betreiberfirma ist vorerst ausgesetzt.
Bonn – Die Betreiber der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 erhalten aus Deutschland weiterhin kein grünes Licht für eine Betriebsaufnahme. Ihr Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als unabhängige Betreiberin und damit zur Freigabe des Gastransportes durch die Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland, hat die Bundesnetzagentur vorerst ausgesetzt. Die Betreiberfirma müsse zunächst entsprechend deutschem Recht organisiert werden, teilte die Behörde am Dienstag (16.11.2021) mit. Der Transport russischen Gases durch die fertiggestellte Pipeline ist ohne Zertifizierung der Netzagentur nicht zulässig.
„Die Bundesnetzagentur ist nach eingehender Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht kommt, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist“, heißt es in einer Mitteilung der Netzagentur. Der Betrieb der Leitung sowie der Vertrieb des Gases müssen nach EU-Gasrichtlinien ausreichend getrennt sein.

Nord Stream 2: Betrieb der Gas-Pipeline nur unter Tochtergesellschaft nach deutschem Recht
Laut Bundesnetzagentur hat sie die Nord Stream 2 AG, mit Sitz in der Schweiz, hinter welcher der russische Gaskonzern Gazprom steht, dazu entschlossen, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Diese solle Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden und dieses betreiben. Weiter heißt es, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte und personellen Mittel auf die Tochtergesellschaft abgeschlossen ist, bleibt das Zertifizierungsverfahren ausgesetzt. Dann könne die Behörde ihre Prüfung fortsetzten. Im Januar läuft eine Frist für das Verfahren ab.
Die Nord Stream 2 AG verwies auf die Gründung eines Nord-Stream 2-Tochterunternehmens: „Unser Unternehmen will mit diesem Schritt die Einhaltung von geltendem Recht und Richtlinien gewährleisten.“ Weiter heißt es: „Zu Details des Verfahrens, seiner möglichen Dauer und den Auswirkungen auf die Betriebsaufnahme der Pipeline“ könne sich das Unternehmen nicht äußern.

Bei grünem Licht der Netzagentur – EU-Kommission muss Nord Stream 2 überprüfen
Die vorläufige Aussetzung nannte das Bundeswirtschaftsministerium richtig und betonte, die Vorgaben müssten nun umgesetzt werden. Eine solche gesellschaftsrechtliche Organisationsfrage berühre, vorbehaltlich weiterer Prüfungen, nicht die Einschätzung des Ministeriums bezüglich der Versorgungssicherheit. Das Ministerium kam zu dem Ergebnis, dass eine Zertifizierung die Sicherheit der Gasversorgung Deutschlands und der Europäischen Union nicht gefährde.
Eine anschließende Überprüfung durch die Europäische Kommission sei ohnehin vorgesehen, selbst wenn die Bundesnetzagentur grünes Licht gäbe. Diese könnte sich bis zu vier Monate dafür Zeit lassen – auch weil der politische Druck von Pipeline-Gegnern in- und außerhalb der EU groß ist. Die Bundesnetzagentur hätte nach der Stellungnahme aus Brüssel wiederum zwei Monate Zeit für eine etwaige Zertifizierung.
Nord Stream 2 Betreiber erhalten Galgenfrist: „Damit ist die Tür für das Projekt weiter offen“
Im September 2021 hatte Gazprom die Fertigstellung der Leitung bekannt gegeben. Finanziert wurde die Pipeline je zur Hälfte von Gazprom und den Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell. Jährlich sollen 55 Milliarden Kubikmeter Gas durch die 1230 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Deutschland geliefert werden.
Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, sagte der Rheinischen Post (Mittwoch), „die Bundesnetzagentur prüft nach Recht und Gesetz – und das ist auch gut so“. Ein unabhängiger Netzbetreiber benötige in diesem Land eine deutsche Rechtsform, das steht in der deutschen Gesetzgebung klipp und klar. Die Netzagentur habe klargemacht, dass die Rechtsstaatlichkeit nach deutschen Standards einwandfrei vorliegen müsse, betonte der FDP-Experte Hagen Reinhold. Die Betreibergesellschaft habe eine Galgenfrist bekommen: „Damit ist die Tür für das Projekt weiter offen.“
Bundestag: CSU hält an Inbetriebnahme von Nord Stream 2 fest
Grundsätzlich hält die CSU im Bundestag an der Inbetriebnahme fest. Die Pipeline sei eine Infrastruktur zur Energieversorgung, deren Inbetriebnahme „auf Sicht“ ermöglicht werden solle, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin.
Der erste Strang ist zumindest technisch schon vor Wochen vom zuständigen Bergamt Stralsund für den Betrieb freigegeben worden. Allerdings beschäftigen sich auch Gerichte noch mit der Pipeline. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagen vor dem Verwaltungsgericht Hamburg und vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald gegen das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie beziehungsweise gegen das Bergamt Stralsund als Genehmigungsbehörden. (Lukas Zigo/dpa)