Rente: Bei niedrigen Bezügen besteht Anspruch auf Sozialleistungen
Wer nur eine geringe Rente bekommt, hat oft einen Anspruch auf Sozialleistungen. Trotzdem werden viele Hilfen nicht in Anspruch genommen. Ein Überblick.
Frankfurt - Auch wenn die Renten seit Mitte des letzten Jahrzehnts wieder etwas stärker gestiegen sind als in den Jahren zuvor, ist die Altersarmut nicht zurückgegangen. Und nach der Nullrunde bei den Renten und der anziehenden Inflation wird die Armut vermutlich eher weiter ansteigen als sinken.
Alte – und auch erwerbsgeminderte – Menschen mit geringen Renten haben oft einen Anspruch auf Sozialleistungen. Je nach Rentenzahlbetrag, Höhe der Miete, Wohnort und Höhe der finanziellen Rücklagen besteht ein Anspruch auf Wohngeld oder auf Leistungen vom Sozialamt – die häufig in Gestalt der Grundsicherung und seltener als Hilfe zum Lebensunterhalt ausgezahlt wird.
Das Ganze ist kompliziert und insbesondere die Frage, ob es günstiger ist, Wohngeld oder Leistungen des Sozialamts zu beziehen, lässt sich nur im Einzelfall beantworten. So ist es kein Wunder, dass viele Menschen die ihnen zustehenden Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen. Viele lassen sich von einer Antragstellung auch davon abhalten, dass Leistungen vom Sozialamt oft als Almosen hingestellt werden – obwohl es sich dabei um einen Rechtsanspruch handelt.

Rente und zusätzliche Sozialleistungen: Neue Untergrenze während Corona-Pandemie
Alleinstehende, die nur wenig Rente bekommen, haben in aller Regel einen Anspruch auf Leistungen vom Sozialamt, es sei denn, sie haben Rücklagen von mehr als 5000 Euro. Wer eine Nettorente von unter rund 650 bis 750 Euro bei eher niedrigen Wohnkosten erhält oder eine Nettorente von unter circa 850 bis 900 Euro bei hohen Wohnkosten bekommt, steht finanziell mit Leistungen des Sozialamts meist besser da als wenn er oder sie Wohngeld beantragt. In München, der Großstadt mit den höchsten Mieten, kann sogar bei einer Nettorente von etwas über 1000 Euro der Gang zum Sozialamt günstiger sein als der zur Wohngeldstelle.
Beträgt das Vermögen einer alleinstehenden Person mehr als 5000 Euro, besteht zumindest längerfristig kein Anspruch auf Leistungen vom Sozialamt. In diesen Fällen sollte Wohngeld beantragt werden. Aufgrund einer Corona-Sonderregel gibt es zwar auch bei Rücklagen von mehr als 5000 Euro die Möglichkeit, Leistungen des Sozialamtes zu beziehen, allerdings nur für einen Zeitraum von sechs Monaten.
Rente und zusätzliche Sozialleistungen: Einige Beispiele
Einige Beispiele: Eine alleinstehende 67-jährige Rentnerin aus Bad Orb im Main-Kinzig-Kreis mit einer Nettorente von 650 Euro bezahlt für ihre Wohnung 425 Euro Warmmiete. Würde sie Wohngeld beantragen, bekäme sie 196 Euro. Ginge sie dagegen zum Sozialamt, erhielte sie 221 Euro Grundsicherung, sie stünde also etwas besser da. Der Abstand zum Wohngeld würde sich weiter vergrößern, wenn sie eine Haftpflichtversicherung hätte, die bei der Grundsicherung mit berücksichtigt wird. Außerdem hätte sie beim Bezug von Grundsicherung einen Anspruch auf eine Befreiung von den Rundfunk- und Fernsehgebühren.
Lägen ihre Altersbezüge um hundert Euro höher, käme zu der Rente von 750 Euro beim Bezug von Grundsicherung ein Betrag von 121 Euro. Das Wohngeld läge dagegen bei 145 Euro. Der höhere Wohngeldbetrag ist jedoch eventuell gar kein Vorteil, denn wenn die Rentnerin für ihre Haftpflichtversicherung beispielsweise 6,50 Euro pro Monat bezahlen würde, läge die Grundsicherung bei 127,50 Euro pro Monat. Da die Befreiung von den Rundfunk- und Fernsehgebühren 17,50 Euro pro Monat „wert“ ist, liefe in diesem Fall der Bezug von Grundsicherung exakt auf das gleiche hinaus wie der Bezug von Wohngeld.
Bei einer Nettorente von mehr als 750 Euro würde jedoch der Bezug von Wohngeld günstiger als die Inanspruchnahme von Grundsicherung – trotz der dann zu bezahlenden Rundfunk- und Fernsehgebühren.

Rente und zusätzliche Sozialleistungen: Wiesbaden, Frankfurt, Darmstadt
In den teuren hessischen Großstädten Wiesbaden, Frankfurt oder Darmstadt liegt die Grenze, ab der Wohngeld günstiger als Grundsicherung ist, deutlich höher. So ergibt eine Rentenzahlung von 850 Euro bei einer Warmmiete von 590 Euro in Darmstadt einen Wohngeldanspruch von 188 Euro und 186 Euro Grundsicherung. Bei 950 Euro Rente beträgt das Wohngeld 121 Euro und ist damit höher als der mögliche Grundsicherungsanspruch in Höhe von 84 Euro. Läge die Rente bei rund 1060 Euro netto, wäre ebenfalls ein Wohngeldanspruch von rund 121 Euro drin. Aber nur dann, wenn auf die Rente auch Steuern – und seien es auch nur wenige Euro – zu bezahlen wären. Diese kaum verständliche Ungleichbehandlung von deutlich unterschiedlich hohen Renten folgt aus dem völlig antiquierten Paragraphen 16 des Wohngeldgesetzes.
Für Rentnerpaare ist Grundsicherung praktisch immer günstiger als Wohngeld. Ein in Riedstadt lebendes Rentnerpaar mit insgesamt 1300 Euro Nettorente hätte bei einer Warmmiete von 620 Euro einen Grundsicherungsanspruch von 122 Euro. Das Wohngeld läge dagegen nur bei 100 Euro.
Mit der Grundrente erhöht sich der Freibetrag
Wer die neue Grundrente erhält, ist wesentlich besser gestellt als Rentner:innen, die die Voraussetzungen für den Bezug der Grundrente nicht erfüllen. Denn ihr finanzieller Gewinn ist oft nicht in erster Linie die Grundrente selbst, sondern der Freibetrag in Höhe von 223 Euro bei der Grundsicherung und beim Wohngeld. Würde die alleinstehende Rentnerin aus Bad Orb zu ihrer Nettorente in Höhe von 750 Euro noch einen Grundrentenzuschlag von 100 Euro netto erhalten, hätte sie einen Wohngeldanspruch von 206 Euro. Die Grundsicherung läge mit 244 Euro deutlich höher.
Für Grundrentner:innen ist der Gang zum Sozialamt deswegen oft günstiger als der zur Wohngeldstelle, weil der Freibetrag von 223 Euro bei der Grundsicherung tatsächlich zu einer Steigerung von 223 Euro führt. Beim Wohngeld wirkt sich der Freibetrag aber nur teilweise leistungserhöhend aus, was der Gesetzgeber vermutlich nicht bedacht hat.
Die Probleme mit der Grundrente
So erfreulich die Grundrente für diejenigen ist, die sie erhalten, zeigt sich am letzten Beispiel ihr Janusgesicht. Denn in vielen Fällen ist erst die Summe aus Grundrente und Grundsicherung so hoch, dass sich einigermaßen davon leben lässt. Und diejenigen, die weniger als 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, werden sich weiter mit der für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreichenden Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Freibeträge oder dem oft auch nicht wesentlich höheren freibetragslosen Wohngeld begnügen müssen. (Martin Staiger)