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Alltagsrassismus in der Kneipe: Nicht jedem schmeckt „Bimbo“

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Von: Eckhard Stengel

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Blick auf die „Unions-Stuben“ in der Bremerhavener Bismarckstraße. © Arnd Hartmann

Ein Bremerhavener Kneipier fand ein Getränk mit rassistischem Namen lustig. Nun hat er nicht nur Ärger mit der Justiz, sondern auch mit Jägermeister und den Asterix-Verlegern.

Neben dem Bremerhavener Hauptbahnhof steht eine Kneipe mit Namenszug in altdeutscher Frakturschrift: „Union-Stuben“. Im Internet nennt sie sich auch „Kneipe mit Spiel & Spaßfaktor“. Ihr Wirt hält es für spaßig, Drinks wie „Möwenschiss“, „Totengräber“ oder „U-Boot“ auszuschenken und sie auf der Getränkekarte mit passenden Zeichnungen zu illustrieren. Irgendwann hat er auch einen Likör namens „Bimbo“ auf die Karte gesetzt, nebst der Karikatur eines Schwarzen mit wulstigen roten Lippen. Ist das noch Kneipenhumor – oder schon Alltagsrassismus und womöglich sogar eine Straftat? Das muss jetzt die Staatsanwaltschaft Bremen entscheiden, denn eine Mitbegründerin des Bündnisses „Bremerhaven bleibt bunt“, zugleich Linken-Mitglied, hat Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet.

Der dunkle „Bimbo“-Drink, eine Mixtur aus Lakritze, Wodka und Türkischem Pfeffer, firmiert anderenorts als „Schwarze Sau“. Doch die altdeutsche Kneipe entschied sich lieber für das abwertende B-Wort. Abgesehen von der Strafanzeige hat sich der Wirt damit auch Ärger mit zwei Konzernen eingehandelt. Denn zum einen schmückt sich die Kneipe mit großen „Jägermeister“-Emblemen, und das ist dem Likörhersteller in diesem Zusammenhang gar nicht recht: Nach Auskunft eines Sprechers prüft das Unternehmen rechtliche Schritte, „um sicherzustellen, dass unsere Marke nicht mit derartigen Gesinnungen in Verbindung gebracht wird“.

Wirt in Bremerhaven hat Ärger mit „Asterix“-Verlegern

Zum anderen droht der Kneipe Ungemach aus Richtung eines gallischen Dorfes. Inzwischen hat sich nämlich herausgestellt, dass die „Bimbo“-Karikatur nichts anderes ist als eine leicht abgewandelte Figur aus alten „Asterix“-Comics, nämlich der Pirat „Baba“. Wegen dessen überzeichneter Darstellung und seines notorischen Sprachfehlers (er kann kein „R“ aussprechen) wurden seine Schöpfer schon selber des Rassismus bezichtigt.

Dass der Pirat durch einen Namensaufdruck auf seinem Shirt zum „Bimbo“ gemacht wurde, gefällt den deutschen und französischen „Asterix“-Verlegern gar nicht. Als sie von dem Plagiat und der Anzeige erfuhren, teilten Egmont Publishing und Les Éditions Albert René mit, sie wollten „alle rechtlichen Schritte gegen diese fälschliche Nutzung prüfen“, die gegen alle Asterix-Werte wie Anti-Rassismus, Freundschaft und natürlich Weltoffenheit verstoße.

Der Wirt, der Medienanfragen unbeantwortet lässt, hatte auf die Strafanzeige zunächst trotzig wie ein Gallier reagiert: Er revanchierte sich mit einer Schnapskreation namens „Rotgrüner Faschist“. Zur Illustration wählte er eine Mussolini-Figur mit einer Aufschrift, die die Nachnamen des italienischen Faschisten und der Anzeigeerstatterin kombiniert.

Als dann aber die beiden Konzerne intervenierten, gab der Kneipier schließlich nach: Via Facebook kündigte er an, den „allseits beliebten ‚Bimbo‘“ in „Schwarzer Teufel“ umzutaufen. Aber nur offiziell. Intern dürfe der Drink seinen „liebevoll ausgerufenen Kosenamen“ gerne behalten. Dass die Piratenfigur auf der Getränkekarte gelandet sei, begründete der Wirt wörtlich so: „Die Grafik wurde gewählt da dieser Pirat mit seinem verschmilztem Grinsen die Gesichtsmimik wieder spiegelt welche beim trinken entsteht.“

Die Umbenennung nannte der Gastronom einen „Sieg für den Tugendterror“. Als seine Kneipe kürzlich nachts mit Farbbeuteln beworfen wurde, machte er dafür indirekt die „kommunistische Linkspartei“, die „terroristische Vereinigung der sogenannten ‚Antifa‘“ und auch kritische Berichte der lokalen „Nordsee-Zeitung“ verantwortlich.

Die Meinungen zum Likör „Bimbo" sind geteilt

Die Meinungen des Publikums sind wie immer gespalten. Ein inzwischen gelöschter Onlinekommentar forderte: „Die Alte, die die Anzeige gestellt hat, gehört für mich verbuddelt.“ In einer Zuschrift hieß es: „Man sollte die Kirche im Dorf lassen – es gibt richtige, ernsthafte Rassismusthemen, die dringender einer Lösung bedürfen. Ach ja, gestern habe ich ‚Deutschländer‘ gekauft. Hoffentlich bin ich kein Rechter deswegen“. Dagegen meinte ein anderer: „Hier wird einem ne gemütliche Runde Rassismus eingeschenkt.“

Zu den kritischen Stimmen zählt auch die Bremer Kulturwissenschaftlerin Silke Betscher: „Diese Getränkekarte ist ein Rückgriff auf die Kolonialzeit“ und sei „eine Einladung dazu, rassistisch zu sprechen“, sagte sie der „tageszeitung“ (taz). Der Bremer Strafrechtsprofessor Sönke Florian Gerhold ergänzte: „Diese Getränkekarte mag geschmacklos und politisch nicht korrekt sein“ – aber strafbar sei sie nicht.

Ob er damit richtig liegt, muss sich erst noch zeigen. Laut Bremerhavener Polizei sind die Ermittlungen noch im Gang. (Von Eckart Stengel)

„Young. Black. British.“: Wann bekommt England einen schwarzen Premierminister? 3sat zeigt Doku über britischen Rassismus, seine Geschichte und seine Gegenwart.

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