Neue Grundsteuer verfassungswidrig? Nach Gutachten droht dem Bund große Klagewelle
Eine neue Studie wirft dem neuen Modell des Bundes zur Berechnung der Grundsteuer Verfassungswidrigkeit vor. Verbände wollen deswegen dagegen klagen.
München – Die neue Berechnung der Grundsteuer in vielen Bundesländern könnte zu einer Klagewelle führen. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. In ihr kommt der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof zu dem Schluss, dass das neue Grundsteuergesetz des Bundes offenbar verfassungswidrig ist. Kirchof, Lehrstuhl-Inhaber für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, stellt in dem 73-seitigen Gutachten im Auftrag des Bundes der Steuerzahler sowie des Eigentümerverbandes Haus und Grund fest: „Ich halte das Grundsteuergesetz des Bundes für verfassungswidrig.“
Damit könnte dem Bund wegen der Grundsteuer nun sogar eine große Klagewelle drohen.
Neues Bundesmodell zur Grundsteuer verfassungswidrig? Nach Gutachten droht Klagewelle
„Es ist offensichtlich, dass die neue Grundsteuer so nicht funktioniert und am Ende zu deutlichen Mehrbelastungen führt“, sagte der Präsident des Steuerzahlerbunds, Reiner Holznagel bei der Vorstellung der Studie am Montag. In fünf Bundesländern wollen die Verbände deshalb mit Musterklagen vor Gericht ziehen.
Dazu zählen Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Insgesamt wird das neue Grundsteuergesetz des Bundes derzeit in elf Ländern angewandt. Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben unterdessen ihre eigenen Berechnungsmethoden entwickelt.
Böse Überraschung bei Grundsteuer: Bei vielen sind die Bodenrichtwerte ab 2025 deutlich höher
Durch das neue Gesetz muss der Wert von fast 36 Millionen Immobilien ab 2025 neu berechnet werden. Tausende von Immobilienbesitzern hatten hierfür bei ihren Finanzämtern in den letzten Wochen bereits eine Erklärung mit Daten zu ihrem Grundstück und Haus einreichen müssen. Für viele kam mit dem Erhalt des neuen Steuerbescheids die böse Überraschung: In vielen Gemeinden sind die Bodenrichtwerte viel höher als bisher.

„Wir haben noch nie so viele besorgte Steuerzahler gehabt“, erklärte Holznagel bei der Vorstellung der Studie, in der Experte Kirchhof die neue Grundsteuer als verfassungswirdig einordnet, weiter. Das bestätigte auch der Präsident von Haus und Grund, Kai Warnecke. Er berichtete von einem „irrsinnigen Mitglieder-Zulauf“ aufgrund der neuen Reform. Für die Eigentümer sei besonders irritierend, dass niemand wüsste, wie viel Grundsteuern man laut der neuen Berechnung ab 2025 tatsächlich zahlen muss. Die Verbände empfehlen Immobilienbesitzern, Einspruch gegen ihr Finanzamt einzulegen, wenn sie bereits einen Steuerbescheid zum neuen Wert ihrer Immobilie erhalten haben.
Rechtsgutachten zur Grundsteuer beinhaltet zahlreichen Kritikpunkte
Hintergrund des neuen Grundsteuergesetzes ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Neuberechnung der Grundsteuer. Bislang wurde der Wert einer Immobilie auf der Basis von Daten von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland ermittelt. Da die Daten völlig veraltet sind, sollte eine Neuberechnung ab 2025 geltend gemacht werden.
Laut focus online gehen aus dem Gutachten insgesamt fünf entscheidende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hervorgehen:
- Die neue Grundsteuer-Berechnung orientiert sich zu sehr an der Einkommenssteuer.
- Die Bodenrichtwerte an den verschiedenen Orten der Immobilien sind oft nicht vergleichbar.
- Einige Kriterien sind laut dem Verfassungsrechtler „realitätsfern und deshalb gleichheitswidrig“.
- „Individuelle öffentlich-rechtliche Merkmale“ würden nicht berücksichtigt.
- Es drohe eine Rechtsschutzlücke, da bis zur Festlegung des Hebesatzes durch die Kommunen viele der Grundlagen-Bescheide bereits bestandskräftig sein könnten.
Die neue Grundsteuer sei „zu kompliziert, intransparent und ungerecht“, konstatiert Kai Warnecke, der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund. Der Steuerzahlerbund und Haus und Grund wollen nun auf Grundlage des Gutachtens das Bundesmodell anfechten. In fünf Bundesländern laufen Musterprozesse. Ziel sei es, schnellstmöglich eine Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwirken, teilten die Verbände mit. (nz mit dpa-Material)