Nato-Chef Jens Stoltenberg: Dubiose Deals in Norwegen
Nato-Chef Jens Stoltenberg will Chef von Norwegens Nationalbank werden, aber die Kandidatur wackelt.
Oslo - Während die ganze Welt die Worte von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Krieg oder Frieden mit Russland unter Hochspannung verfolgt, macht der Norweger daheim ganz andere Schlagzeilen. „Stoltenberg versinkt wie ein Stein“ titelte in Oslo „Dagbladet“ zu den immer neuen Enthüllungen über Vetternwirtschaft mit Hinterzimmer-Deals sozialdemokratischer Boy-Gangs, um den 62-Jährigen nach seinem Abgang aus Brüssel im September wunschgemäß als neuen Chef von Norwegens Nationalbank zu installieren.
Zu den Bedingungen für den Job gehört Unabhängigkeit als Hüter der Zinspolitik gegenüber der Regierung. Dazu passt es nicht, dass der sozialdemokratische Regierungschef Jonas Gahr Støre die Beteuerung korrigieren musste, er habe mit seinem Freund, Parteikollegen und zeitweiligen Regierungschef nie über dessen Kandidatur gesprochen. Doch, da habe es im Oktober eine Erörterung „bei einem Waldspaziergang gegeben“, gibt Støre jetzt zu. Er will dabei lediglich angekündigt haben, dass er sich für befangen erklären müsse.
Jens Stoltenberg: Absprachen bringen Karriere-Plan durcheinander
Seit diesem lauwarmen Geständnis sprechen sich neben einer klaren Mehrheit der Parteien im Osloer Parlament auch immer mehr Medien gegen die Ernennung Stoltenbergs aus, der als populärer Ex-Ministerpräsident und international anerkannter Nato-Chef im eigenen Land eigentlich unantastbar ist. Die als Regierungschefin von Støre abgelöste Konservative Erna Stolberg lässt sich die Chance nicht entgehen: „Es ist da offenbar nicht mit rechten Dingen zugegangen, wenn Leute bei Spaziergängen und Abendgesellschaften gekungelt haben. Wir sind in Sorge um die Unabhängigkeit der Nationalbank.“

Stoltenberg erhielt nach eigener Aussage eine Aufforderung aus dem Finanzministerium zur Bewerbung und schickte diese im Dezember nach Oslo. Er galt danach als haushoher Favorit gegenüber der als fachlich hervorragend eingestuften bisherigen Ida Wolden Bache (49), bislang Vizechefin der Bank.
Jens Stoltenberg will Zentralbankchef werden
Der von beiden angestrebte Job fällt dank Norwegens gigantischem Reichtum durch Öl und Gas aus der Nordsee ein bisschen aus dem Rahmen. Neben der Zinspolitik obliegt „Norges Bank“ auch die Aufsicht über den derzeit 1,2 Billionen Euro großen „Ölfonds“ aus den Energieeinnahmen. Es ist der größte staatlichen Investitionsfonds der Welt. Als vor einem Jahr der Posten des Ölfonds-Chefs zu vergeben war, bekam der als Hedgefonds-Investor steinreich gewordene Nicolai Tangen bei einem dubiosen Verfahren ohne Ausschreibung den Zuschlag.
Geschichten über Geldanlagen in Steueroasen und seltsame Luxusreisen auf seine Kosten für einen amtierenden Minister sowie den noch amtierenden Ölfonds-Chef sorgten für Aufsehen.
Norwegen: Netzwerk um Ölfonds-Chef
Tangen hat zuletzt international in einem Interview mit der FAZ durch betont pessimistische Prognosen Aufmerksamkeit erregt. Nichts berge derzeit so viel Gefahr wie die Inflation: „Ich erkenne überall Inflation: in den Frachtraten, in den Preisen für Metalle und Lebensmittel, in den Baukosten, nach und nach auch in den Löhnen. Ich glaube, das wird noch viel ernstere Folgen haben als zurzeit üblicherweise angenommen wird.“

Wolden Bache wird von Stoltenberg-Fans vorgehalten, sie verfüge möglicherweise nicht über genug Autorität und Ellenbogen, um dem selbstbewusst agierenden Tangen als Chefin den Weg zu weisen. Im Gegensatz zum welterfahrenen und gut vernetzten Stoltenberg. Zu dessen Netzwerk auch der Ölfondschef gehört. Beide mussten Berichte über „private“ Treffen bestätigen, bei der sie auch über die Bewerbung Jens Stoltenbergs gesprochen hätten. Den Rahmen lieferte eine Abendgesellschaft beim Sohn von Norwegens früherer sozialdemokratischer Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. Knut Brundtland war auch dabei, als Tangen vor ein paar Jahren ein Flugzeug mit Angehörigen des norwegischen Polit- und Finanz-Jetsets auf seine Kosten zu einer Party nach Philadelphia in die USA fliegen ließ und Sting für die Musikeinlage anheuerte.
„Das ist die schlimmste Version von Norwegen“, seufzt Harald Stanghelle über den nun wieder neu ans Licht gekommenen Filz. Der Ex-Chefredakteur der wichtigsten Osloer Zeitung „Aftenposten“ hält Stoltenberg für einen kompetenten Zentralbankchef. Dass der Kandidat aus Brüssel wegen der immer peinlicheren Enthüllungen den Aufforderungen zum Rückzug nachkommen könnte, gilt in Oslo weiter als unwahrscheinlich. (Thomas Borchert)