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Nachhaltiges Wachstum – geht das?

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Die Wirtschaft kann wachsen, während gleichzeitig Energiekonsum, Ressourcenverbrauch und Emissionen zurückgehen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Von Norbert Nicoll

Einer der wichtigsten Glaubenssätze in Politik und Wirtschaft lässt sich auf die folgende Formel bringen: Die Wirtschaft kann wachsen, während gleichzeitig Energiekonsum, Ressourcenverbrauch und Emissionen zurückgehen. Möglich wird dies durch den technischen Fortschritt, der zu besseren Produkten und zu effizienteren Fertigungsprozessen führt.

„Entkopplung“ lautet das Schlagwort. Die Sichtweise hat viele Anhänger – etwa bei der EU-Kommission, aber auch bei den meisten im Bundestag vertretenen Parteien. Blickt man in die Parteiprogramme, so ist dort von „grünem“, „intelligentem“, „qualitativem“ oder „nachhaltigem“ Wachstum die Rede.

„Entkopplung“ wird darin immer vorausgesetzt. Aber funktioniert das wirklich? Zu unterscheiden ist zwischen relativer Entkopplung und absoluter Entkopplung. Relative Entkopplung bedeutet, dass der Ressourcenverbrauch weniger zunimmt als die Wirtschaft wächst. Absolute Entkopplung liegt dagegen vor, wenn der Umweltverbrauch auch bei wachsender Wirtschaft zurückgeht.

Relative Entkopplung ist empirisch gut belegt. Das ist aber nicht einmal die halbe Miete. Was nämlich wirklich zählt, ist absolute Entkopplung. Wachstum ist nur dann nachhaltig, wenn die Ressourcenproduktivität schneller als das BIP wächst.

Geht das? In Deutschland sind der Energieverbrauch und die meisten Emissionen in den letzten Jahrzehnten gesunken, während die Wirtschaft gewachsen ist. Aber: Viele umweltschädliche Prozesse wurden verlagert. Ökologische Kosten fallen anderswo an.

Daher verschafft nur der globale Blick Klarheit. Und der ernüchtert. Denn Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und Energiekonsum entwickelten sich im langfristigen Trend weitgehend parallel. Auch im letzten Jahr: 2016 wuchs die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent, während der Primärenergieverbrauch um 1,3 und die globalen Treibhausgasemissionen um 0,5 Prozent zulegten. Absolute Entkopplung? Fehlanzeige!

Klar: Der Blick in den Rückspiegel sagt nicht, wie die Zukunft wird. Skepsis, ob es absolute Entkopplung künftig geben kann, ist aber berechtigt. Und eine Debatte zur Frage, ob Wachstum auch nachhaltig geht, ist überfällig.

Der Autor lehrt nachhaltige Entwicklung an der Universität Duisburg-Essen und veröffentlichte das Sachbuch „Adieu, Wachstum! Das Ende einer Erfolgsgeschichte“.

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