8,3 Milliarden Tonnen Plastik

Kunststoffabfälle vermüllen die Erde und Banken finanzieren das Geschäft. Was tun?
Plastik ist die neue Kohle – so lautet die zentrale Botschaft einer Online-Diskussionsrunde mit dem Titel „Einweg ohne Ausweg? Banken und ihr Einfluss auf die globale Plastikverschmutzung“, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstag gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Facing Finance eingeladen hatte. „Die Plastikverschmutzung weltweit ist gigantisch. Wir atmen, wir essen, wir trinken jeden Tag Plastik“, warnte Vanessa Müller von Facing Finance.
„Plastikabfälle finden sich in den entlegensten Regionen, auf dem tiefsten Meeresgrund, in unseren Körpern. Sogar im Kot von Babys wurden bereits Plastikpartikel nachgewiesen“, ergänzte Von Hernandez, Koordinator der globalen Organisation „break free from Plastik“, der aus Manila zugeschaltet war und einige erschreckende Zahlen vorlegte: Demnach hat die Weltgemeinschaft bis zum Jahr 1950 rund zwei Millionen Tonnen Plastik produziert. Derzeit sind es etwa 8,3 Milliarden und 2050 werden es unglaubliche 34 Milliarden Tonnen sein, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert.
Zwar macht Einwegplastik nur etwa die Hälfte aller produzierten Kunststoffe aus. Trotzdem verursachten die bislang produzierten rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik gut 6,3 Milliarden Tonnen Müll, der lediglich zu neun Prozent recycelt und zu zwölf Prozent verbrannt wurde. Fast 80 Prozent des Abfalls landen auf Müllhalden in freier Natur – und zwar in Ländern wie China, Indonesien, den Philippinen oder Malaysia. „Das liegt aber nicht etwa daran, dass die Menschen dort den Müll einfach auf die Straße werfen“, stellte Hernandez klar. „Das sind die Zielorte, in die westliche Industrieländer ihren Müll verschiffen.“ Auch die Plastikverbrennung, mit dem sich Unternehmen wie Nestlé plastikneutral machen wollen, sei keine Lösung. „Das Ergebnis sind toxische Aschen und Luftverschmutzung. Ein Problem wird nur durch ein anderes ersetzt.“
Plastikindustrie produziert mehr Treibhausgase als Kohleindustrie
Hinzu kommt, dass die Produktion von Plastik, das zu 99 Prozent aus fossilem Material hergestellt wird, extrem energieintensiv ist. Bereits jetzt produziert die Plastikindustrie mehr Treibhausgase als die Kohleindustrie. „Wenn Plastikfirmen nicht umsteuern, können wir das 1,5-Grad-Ziel in die Tonne schmeißen“, so Müller. Nötig sei eine echte Kreislaufwirtschaft, die auf Mehrweg statt Einweg setze.
Das Problem: Europäische Top–Banken, darunter auch die Deutsche Bank und die Commerzbank, tragen durch ihre Investments und Finanzierungen massiv zum Florieren des Geschäftsmodells Plastik bei – dies belegt der Bericht „Dirty Profits“, den Facing Finance im Frühjahr vorgelegt hatte. Demnach haben acht Großbanken den untersuchten kunststoffproduzierenden oder -verarbeitenden Unternehmen seit 2017 Kapital in Höhe von rund 95 Milliarden Euro beschafft. Führend dabei waren die HSBC, Deutsche Bank, BNP Paribas und die spanische Santander. Zudem tätigten die Banken Investitionen im Gesamtvolumen von fast 52 Milliarden Euro in plastikfreundliche Branchen. Laut Bericht verfügt bislang keines der Institute über eine umfassende Plastikrichtlinie, weder in Bezug auf die Produktionskette noch auf die Konsumgüterbranche.
Wie motiviert man also die Banken, ihre Investitionen in andere Bahnen zu lenken? „Indem man ihnen klar macht, welche finanziellen Risiken in Plastik stecken“, sagte Silke Stremlau, Vorständin der Hannoversche Kassen und Mitglied des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung. Denn wenn Plastik die neue Kohle sei, wären Investments in Plastik bald nicht mehr lukrativ.
Plastikindustrie braucht Anreize, um nach Alternativen zu suchen
Geld in die richtige Richtung zu leiten, sei aber derzeit für die Finanzwirtschaft ein großes Problem: „Plastik ist so verwoben in unserer Industrie und in unserem Leben, da kann man nicht einfach ein paar Produzenten ausschließen“, gab sie zu bedenken. Und ein echter Kreislaufwirtschaftsfonds sei den Hannoversche Kassen, die als institutionelle Investoren am Markt auftreten, nicht bekannt.
Für die Lösung des Problems fordert das Podium einen Instrumentenmix: Zuallererst müsse der Gesetzgeber überflüssige Einwegverpackungen verbieten und einen deutlich höheren CO2-Preis ansetzen, der die wahren Kosten von Plastik abbildet, um Anreize für Unternehmen zu schaffen, nach Alternativen zu suchen. Die Banken müssten die Kreislaufwirtschaft dann verstärkt finanzieren und Verbraucher:innen Plastik vermeiden. Denn, so Hernandez: „Der beste Müll ist der, der gar nicht entsteht.“