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Menschlicher arbeiten

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Von: Wolfgang Kessler

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Könnte man nicht einen Teil der Gewinne in eine humanere Arbeitswelt investieren? Zum Beispiel in eine 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Die Gastwirtschaft.

Die Wirtschaft wächst, die Produktivität steigt, viele Unternehmen schwimmen im Geld und der Staat verzeichnet höhere Steuereinnahmen. Gleichzeitig bauen Konzerne Arbeitsplätze ab, trotz Milliardengewinne. Die Beschäftigten leisten Millionen unbezahlte Überstunden, die Arbeitshetze nimmt zu und mit ihr die Zahl psychischer Erkrankungen.

Da stellt sich die Frage: Könnte man nicht einen Teil der Gewinne, der Lohnerhöhungen und der Steuereinnahmen in eine humanere Arbeitswelt investieren? Zum Beispiel in eine 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, wie sie in Schweden erprobt wird.

Bei Toyota in Göteborg hat sie sich schon bewährt. In sechs Stunden produzieren die Beschäftigten genau so viel wie vorher in acht Stunden. So gut wie alle Beschäftigten loben die zusätzliche Zeit für ihre Familien und zur Erholung. Toyota will die 30-Stunden-Woche beibehalten.

Inzwischen wird der Sechs-Stunden Tag auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen getestet. Wie in Deutschland klagen die Beschäftigten in Schweden über Stress und chronische Überlastung. Das Management verzweifelt oft am hohen Krankenstand und an der hohen Fluktuation unter den Beschäftigten.

In dieser Hinsicht war der Sechs-Stunden-Tag ein voller Erfolg: Da alle weniger arbeiten und neue Beschäftigte eingestellt wurden, hat sich die Lage in den Krankenhäusern und Pflegeheimen entspannt. Von Ausnahmen abgesehen, nahm der Krankenstand ab, die Wartezeit für Patienten ist gesunken und Bewohner von Pflegeheimen fühlen sich besser versorgt.

Allerdings ist die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich in den arbeitsintensiven sozialen Dienstleistungen teurer. Während Industriebetriebe höhere Kosten mit Technik ausgleichen können, müssen Krankenhäuser und Pflegeheime mehr Leute einstellen. Manche Regionen mit geringerem Steueraufkommen wollen das Experiment deshalb beenden.

Dennoch steht eines fest: Jede Gesellschaft hat die Wahl, wohin sie die Wachstumsgewinne investiert: in mehr privaten Konsum und höhere Dividenden – oder aber in eine humanere Arbeitswelt für alle. Schweden zeigt, dass sich eine Gesellschaft diese Entscheidung nicht zu einfach machen sollte.

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Chefredakteur der christlichen Zeitschrift „Publik-Forum“.

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