Mehr Rechte für Leiharbeiter

Zum 1. April ist das Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen in Kraft getreten. Es soll Missbrauch verhindern. Das Gesetz bietet zwar mehr als weiße Salbe, aber es geht nicht weit genug. Eine Analyse.
Ist das Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen, das am 1. April in Kraft tritt, ein Meilenstein, wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Herbst 2016 anlässlich der Verabschiedung im Bundestag meinte? Oder ist es eine Missgeburt, wie Linke, Grüne und Gewerkschaften kritisieren? Für beide Positionen finden sich nachvollziehbare Argumente.
Laut Bundesregierung stärkt das Gesetz die Rechte der insgesamt rund eine Million Leiharbeiter in Deutschland, es erschwert den Missbrauch von Werkverträgen und schafft mehr Transparenz. So müssen Leiharbeiter künftig spätestens nach neun Monaten im Betrieb den gleichen Lohn erhalten wie Stammbeschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten (Equal Pay). Von dieser Grundregel können Arbeitgeber nur abweichen, wenn geltende Tarifverträge ein allmähliches Anheben des Leiharbeitslohns spätestens sechs Wochen nach Entleihbeginn vorsehen. In solchen Fällen muss erst nach 15 Monaten gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden.
Zweiter Kernpunkt ist die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten: Nach diesem Zeitraum muss der Leiharbeiter entweder von der entleihenden Firma übernommen oder aber aus dem Betrieb abgezogen werden. Auch von dieser Regelung können Tarifverträge abweichen. Selbst nicht tarifgebundene Unternehmen können besagte Ausnahmen nutzen – sofern sie die tarifvertraglichen Bestimmungen mittels einer Betriebsvereinbarung in Gänze übernehmen. Damit möchte der Gesetzgeber Anreize für Unternehmen schaffen, sich (wieder) an Tarifverträge zu binden. Drittens ist es künftig verboten, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen.
Zentraler Kritikpunkt Scheinselbstständigkeit
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zu Werkverträgen sind weniger umfangreich, greifen aber den zentralen Kritikpunkt auf: die Scheinselbstständigkeit. In solchen Fällen handelt es sich um scheinselbstständige Einzelkämpfer, die faktisch genauso in den Betriebsablauf integriert sind wie fest angestellte Kräfte, aber als „Werkvertragspartner“ viel schlechter bezahlt werden als reguläre Beschäftigte. Um die Spreu vom Weizen unterscheiden zu können, hat das Gesetz Kriterien übernommen, die zuvor das Bundesarbeitsgericht in einschlägigen Verfahren zu Werkverträgen angewandt hatte. Darüber hinaus haben Betriebsräte künftig ein Recht darauf, über neu abgeschlossene Werkverträge informiert zu werden.
All das ist gewiss besser als nichts, aber, so meinen Kritiker, bei weitem nicht genug. Zentraler Einwand: Die Fristen von neun und 18 Monaten seien viel zu weit gesteckt und erreichten daher nur eine Minderheit. Im Januar veröffentlichte Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) bestätigen diese Annahme: Danach bestanden im ersten Halbjahr 2016 drei Viertel aller abgeschlossenen Leiharbeitsverhältnisse kürzer als neun Monate. In die Zukunft gerichtet bedeutet das: Vom Equal Pay haben drei von vier Leiharbeitern nichts. Ähnliches gilt für die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten: Laut IAB-Studie sind lediglich 15 Prozent der Leiharbeiter länger in ein und demselben Betrieb beschäftigt.
Fazit: Das Gesetz bietet mehr als weiße Salbe und ist doch nicht genug. Das finden auch viele Sozialdemokraten und verweisen auf die Koalition mit der Union, in der nicht mehr drin gewesen sei. Fragt sich, welche Konsequenzen sich aus solchem Eingeständnis nach dem 24. September ergeben.