Mehr Klarheit vom Pflege-TÜV

Für die Reform der Heim-Bewertung gibt es jetzt Experten-Vorschläge.
Bisher liegt die Durchschnittsnote für Deutschlands Heime bei 1,2 – besonders aussagekräftig und für die Betroffenen hilfreich ist der „Pflege-TÜV“ daher nicht. Schließlich konnten schlechte Bewertungen etwa bei den Vorkehrungen gegen Wundliegen ausgeglichen werden durch lückenlose Dokumentation oder eine umfangreiche Speisekarte. Bereits im Jahr 2015 war wegen der mangelnden Aussagekraft der Noten eine Überarbeitung des Systems in Auftrag gegeben worden.
Der Bundestag hat inzwischen beschlossen, dass die neuen Kriterien ab Herbst 2019 angewendet werden sollen und die so erhobenen Bewertungen dann veröffentlicht werden sollen. „Da bei den bisherigen Pflegenoten schlechte von guter Pflegequalität zu oft nicht zu unterscheiden war, arbeiten wir mit Hochdruck an dem neuen Pflege-TÜV“, sagte Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Anfrage. „Unser Ziel ist und bleibt es, gute und schlechte Qualität in Pflegeeinrichtungen für jeden einfach erkennbar zu machen.“
Inzwischen liegen Experten-Empfehlung für den neuen Pflege-TÜV vor – in Form eines 64-Seiten-Gutachtens, erstellt von Universität Bielefeld und dem Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Kurz gefasst: Künftig soll es anstelle einiger weniger Noten, die zu einer Gesamtnote zusammengezogen werden, 25 Einzelbewertungen geben. Die Schulnoten-Struktur wollen die Gutachter durch vier Bewertungsstufen ersetzt sehen – von „keine oder geringe Qualitätsdefizite“ bis „schwerwiegende Qualitätsdefizite“. Bewertet werden sollen unter anderem Unterstützung bei Mobilität, Essen, Trinken oder Medikamenteneinnahmen, das Schmerzmanagement und Hilfen bei der Körperpflege.
Die Empfehlungen müssen noch in konkrete Verordnungen für die Prüfungen durch den Medizinischen Dienst (MDS) umgesetzt werden.
„Alles veröffentlichen“
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, sagte, das vorgelegt Konzept sei ein guter und überfälliger Schritt in die richtige Richtung. „Schwarze Schafe“ müssten erkennbar werden. „Aber wo Licht ist, gibt es auch Schatten: Wenn ich den Bericht richtig interpretiere, werden bestimmte Prüfergebnisse von der Veröffentlichung ausgeschlossen, weil die Information zum Beispiel schwer vermittelbar sei – genannt werden freiheitsentziehende Maßnahmen ohne Einwilligung oder richterliche Genehmigung. Das sind für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen aber wichtige Informationen“, so Westerfellhaus weiter. „Das Konzept sollte deshalb sämtliche Prüfergebnisse zur Veröffentlichung freigeben und die Daten sollten so aufbereitet werden, dass sie jeder auswerten und veröffentlichen kann.“
Patientenschützer sind angesichts der vorgelegten Empfehlungen keinesfalls euphorisch. „Das vorgeschlagene Punktesystem der Wissenschaftler ist nicht benutzerfreundlich“, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Vielmehr braucht es eine Gesamtnote und pflegerelevante K.o.-Kriterien. Dazu gehören die Schmerztherapie und die Verhinderung von Wundgeschwüren, die Gabe von Medikamenten sowie die Behandlungspflege.“
Auch besondere Hilfen für Demenzkranke und Sterbende hätten eine herausragende Bedeutung. „Die Menschen brauchen einen Pflege-TÜV, der leicht verständlich ist, die Praxis abbildet und eine schnelle Vergleichbarkeit ermöglicht“, sagte Brysch. „Krankenkassen und Pflegeanbieter dürfen den Reformprozess jetzt weder verwässern noch stoppen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen.“