Mehr Gerechtigkeit - oder Völkerwanderung

Entwicklungsminister Gerd Müller fordert eine Öffnung des europäischen Binnenmarkts für die Maghreb-Staaten.
Gerd Müller hat erkennbar Freude an seinem Amt. Wenn der Entwicklungsminister in diesen Tagen gefragt wird, wie ein bestimmtes Ziel in seinem Politikbereich erreichbar ist, dann antwortet der CSU-Politiker stets: „Erste Voraussetzung ist, dass ich die nächsten vier Jahre Minister bleibe“. Wie wahrscheinlich das ist, bleibt zwar völlig unklar, schließlich hängt die Besetzung nicht nur von Wahlergebnissen, sondern auch von Koalitionsarithmetik und Entscheidungen in München ab. Müller stellt gleichwohl schon seine Forderungen für die Zeit nach der Bundestagswahl auf, die allerdings auch jeder andere Politiker auf diesem Posten unterstützen dürfte: Deutschland muss in der kommenden Wahlperiode endlich die internationale Zusage erfüllen, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen.
Müller war so ehrlich, die kurz vor Ostern veröffentlichten aktuellen Zahlen der Wirtschaftsorganisation OECD über die Hilfsleistungen der Industriestaaten („ODA-Quote“) nicht für sich propagandistisch auszuschlachten. Tatsächlich hat Deutschland im vergangenen Jahr die Zielquote von 0,7 Prozent schon erreicht – jedoch nur deshalb, weil die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge im Inland nach den Regeln der OECD in die Zahlen hineingerechnet werden. Ohne diese Anrechnung läge die Quote bei 0,52 Prozent und damit unverändert auf dem Niveau von 2015.
Der Minister sagte am Mittwoch anlässlich der Beratung seines „Entwicklungspolitischen Berichts“ im Bundeskabinett, auch ohne Einrechnung der Flüchtlingskosten müsse das 0,7-Prozent-Ziel in der nächsten Wahlperiode geschafft werden. Das würde laut Müller bedeuten, den Haushalt des Entwicklungsministeriums von jetzt fast neun auf mehr als zwölf Milliarden Euro zu erhöhen. In der laufenden Legislaturperiode wurde der Etat bereits um mehr als zwei Milliarden Euro aufgestockt. Es gehe hier nicht darum, Almosen zu verteilen. „Wenn es uns nicht gelingt, die Globalisierung gerecht zu gestalten, dann kommen die Leute zu uns, dann werden wir eine neue Völkerwanderung erleben“, sagte Müller.
Der CSU-Politiker kritisierte in diesem Zusammenhang die von US-Präsident Donald Trump forcierte Debatte über die Erhöhung der Militärausgaben. Entwicklungszusammenarbeit sei noch immer die beste Friedenspolitik, sagte Müller. Sicherheitspolitik dürfe nicht auf das Militär reduziert werden. „Wir brauchen einen neuen Sicherheitsbegriff“, so der Minister.
Der Entwicklungsminister forderte zudem, den Maghreb-Staaten – also vor allem Tunesien und Marokko – schrittweise einen vollständigen Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu geben. Es mache doch keinen Sinn, den Handel zu beschränken und diesen Staaten dann gleichzeitig mit Entwicklungsgeldern helfen zu müssen. Nötig sei ein freier Handel für Güter und Dienstleistungen ohne Quoten und Zölle. „Diese Länder müssen in die Lage versetzt werden, selbst in ihre eigene Zukunft investieren zu können“, sagte der Entwicklungsminister.