Maschinenbauer sollen Verantwortung übernehmen

Anlagen für Minen, für Textilfabriken oder Kraftwerke: Produkte made in Germany sind weltweit begehrt. NGO fordern Sorgfaltspflichten auch für nachgelagerte Lieferketten.
Wenn Bergleute in Peru Kupfer abbauen, Arbeiter:innen in Bangladesch Textilien fabrizieren oder auf den Philippinen Getränke abfüllen, dann sind oft Maschinen made in Germany im Spiel. Deutschland ist weltweit drittgrößter Maschinenproduzent. Dabei verkaufen die mehr als 6600 Unternehmen des Sektors hierzulande ihre Produkte auch an Geschäftspartner und Staaten, denen schwere Menschenrechtsverletzungen und Umweltschutzvergehen vorgeworfen werden, oft auch begleitet von Korruption. Das zeigt eine gemeinsame Studie von Germanwatch, der Initiative Gegenströmung, Misereor und Tansparency Deutschland, die der Frankfurter Rundschau vorliegt.
Unmittelbar vor der Abstimmung im Rechtsausschuss des EU-Parlamentes über ein europäisches Lieferkettengesetz an diesem Mittwoch fordern die Organisationen daher, eine EU-weite Regulierung müsse die gesamte Wertschöpfungskette umfassen. Auf europäischer Ebene solle nachgeholt werden, was im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) versäumt wurde, formuliert es Armin Paasch, Referent Verantwortliches Wirtschaften bei Misereor.
Die NGOs berufen sich dabei auf die UN-Leitprinzipien, quasi der internationale Standard für die Definition von Sorgfaltspflichten. Diese gelten demnach nicht nur für die vorgelagerte Wertschöpfung, also die Produktionsschritte bis hin zur Fertigung der Maschinen, sondern auch für die nachgelagerte Verwendung der Anlagen durch Kunden.
Unternehmen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus wären damit also auch in der Verantwortung sicherzustellen, dass sie durch ihre Lieferungen keine Menschenrechtsverletzungen verursachen, dazu nicht beitragen und mit ihnen nicht in Verbindung stehen. Während das deutsche LkSG die nachgelagerte Wertschöpfungskette nur begrenzt berücksichtigt, sieht der Entwurf für eine europäische Regulierung – die sogenannte Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) – umfassende menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für alle Stufen der Lieferkette vor.
Eine solche weitreichende Verantwortung weisen Unternehmen in der Regel von sich und argumentieren, sie hätten keinen Einfluss auf die Verwendung ihrer Produkte. Ende 2021 verließ denn auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) einen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierten Branchendialog mit der Industrie, NGOs und Gewerkschaften, weil es dabei eben auch um die Verantwortung für die Exporte und entsprechende Handlungsoptionen der Unternehmen gehen sollte.
EU-Lieferkettengesetz
Der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes stimmt am Mittwoch (19. April) über ein europäisches Lieferkettengesetz ab. Die EU-Kommission hatte dazu im Februar 2022 einen Entwurf vorgelegt, zu dem der EU-Rat im Dezember Stellung bezog. Im Mai will das EU-Parlament seine offizielle Position beschließen. Der Entwurf der Richtlinie geht weiter als das deutsche Lieferkettengesetz. Die Sorgfaltspflichten von Firmen umfassen auch die nachlagerte Lieferkette.
Die Studie von Germanwatch, Misereor, Gegenströmung und Transparency Deutschland zur „Unternehmensverantwortung im Maschinen- und Anlagenbau“ ist zu finden auf https://www.germanwatch.org/de/88094. tos
Jetzt gelte es, das im Sommer 2021 beschlossene deutsche LkSG mit den Pflichten für die vorgelagerten Lieferketten umzusetzen, hieß es damals beim VDMA. „Der mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau kann nur bei seinen Zulieferern ansetzen, um Veränderungen in Fragen der Menschenrechte zu bewirken und nicht bei den internationalen Kunden“, argumentierte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann im Dezember 2021.
Für Sarah Guhr, German-watch-Expertin für Branchendialoge, ist das ein fatales Signal für einen Industriezweig, der als global Player große Verantwortung trägt. Der Report beleuchtet das etwa am Unternehmen Liebherr, das die Bergbauindustrie weltweit mit Maschinen und Spezialfahrzeugen beliefert – darunter die peruanischen Minen Antapaccay und Las Bambas. Von dort berichten heimische Menschenrechtsorganisationen über Verstöße gegen die Rechte indigener Völker und gegen das Recht auf Gesundheit sowie eine saubere Umwelt. Bei Konflikten zwischen der Bevölkerung und den Minenbetreibern seien neun Menschen ums Leben gekommen.
Auch der Baumaschinenhersteller Wirtgen könnte laut Studie „über die belieferten Minen in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen stehen“. Im westafrikanischen Guinea zählt Wirtgen die Bauxit-Industrie zur Kundschaft. Laut zivilgesellschaftlichen Organisationen ist es dort im Umfeld des Erzabbaus zur Vertreibung von Bevölkerungen gekommen, zudem wurden natürliche Ressourcen zerstört.
Neben der Bergbaumaschinenbranche führt die Studie auch Beispiele aus dem Anlagenbau für die Sektoren Textilien, Nahrungsmittel, Verpackung und Energie auf, bei denen Hersteller mittelbar in Verstöße gegen Menschenrechte verwickelt sein könnten. Genannt wird dabei auch der Turbinenhersteller Voith Hydro, dessen Anlagen beispielsweise in einem Wasserkraftwerk in British Columbia (Kanada) verbaut sind, bei dessen Errichtung die Landrechte von indigenen Gruppen verletzt worden seien. Technikkonzern Siemens wird in der Studie mit „kritischen Lieferungen“ von Transformatoren für den Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien erwähnt. „Zahlreiche Aktivist:innen, die sich gegen das Projekt aussprachen, verschwanden spurlos“, heißt es im Report. Sechs Menschen seien ermordet worden.
„Dass der VDMA Sorgfaltspflichten mit Blick auf die Verwendung der Maschinen ablehnt, ist völlig inakzeptabel“, kritisiert Misereor-Experte Paasch. Die Studienautor:innen halten eine Verantwortung für die nachgelagerte Lieferkette für „keine unangemessene Belastung“ und formulieren konkrete Empfehlungen. Vor allem müssten Unternehmen klare Prozesse für Sorgfaltspflichten definieren, vor einem Vertragsabschluss sektor-, produkt- und landesspezifische Risiken überprüfen und Vorkehrungen zur Prävention in Verträge aufnehmen. Firmen sollten zudem Abhilfe leisten, wenn sie zu einem Schaden beigetragen haben, und öffentlich über die Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Pflichten berichten.
Der Mangel an Transparenz in nachgelagerten Wertschöpfungsketten ermögliche es im Zusammenhang mit korrupten Praktiken, „Profite auf Basis von gravierenden Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen weiter zu verschleiern“, schreiben die Autor:innen.
Im Blick auf das deutsche LkSG erwarten die NGOs eine „weite Auslegung des Gesetzes“, so dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) von Unternehmen anlassbezogen auch Risikoanalysen einfordern könne, wenn Maschinen made in Germany bei Menschenrechtsverstößen eingesetzt werden. Von der Bundesregierung fordern die Studienautor:innen, sich für „eine progressive Regelung“ in der europäischen CSDDD einzusetzen und das deutsche Gesetz anschließend entsprechend zu ergänzen.
Beim VDMA hält man das für keine gute Idee. „Es ist für die Unternehmen der Branche schwierig bis unmöglich, auf den Einsatz von Maschinen und Anlagen bei Kunden Einfluss zu nehmen“, sagte Judith Herzog, VDMA-Referentin für Nachhaltigkeit, auf Anfrage der FR. „Denn kein Unternehmen kann kontrollieren oder beeinflussen, was ein Kunde mit der gekauften Maschine macht. Letztendlich versucht die Politik hier, ihre eigene Verantwortung auf die Unternehmen abzuwälzen und dagegen wehren wir uns.“