„Man darf die Ergebnisse nicht überbewerten“

Bankenexperte Hans-Peter Burghof über die Aussagekraft des Stresstests der europäischen Bankenaufsicht und das Abschneiden der deutschen Geldhäuser.
Die europäischen Aufsichtsbehörden haben am Freitagabend die Ergebnisse der diesjährigen Bankenstresstests verkündet. Dabei ging es darum, wie viel Kernkapital den Banken in einem hypothetischen Szenario bleiben würde, in dem die Wirtschaft einbricht, die Arbeitslosigkeit steigt, die Immobilienpreise einbrechen. Ergebnis: Die getesteten deutschen Banken schnitten im Durchschnitt schlechter ab als die Institute vieler andere Länder. Nur die irischen gefolgt von den italienischen Geldhäusern standen am Ende mit noch schlechteren Kapitalquoten da. Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim in Stuttgart, ordnet die Aussagen des Stresstests im Interview ein.
Herr Professor Burghof, müssen wir uns Sorgen um die deutschen Banken machen?
Die Ergebnisse des Stresstests bereiten mir keine Sorgen. Ich finde den Medien-Tenor in Deutschland sehr erstaunlich. Es wird vor allem hervorgehoben, die deutschen Institute hätten schlechter abgeschnitten als andere Banken, sie seien „schwach“. Vor allem wird auf die Deutsche Bank geschaut. Dabei geht aber unter, dass die Bankenaufsicht die Bilanzen der Institute von 2020 als Grundlage für die Tests genommen hat. Wenn man sich aber die Zahlen der Deutschen Bank im ersten Halbjahr 2021 anschaut, hätte sich schon wieder ein ganz anderes Bild ergeben, denn da steht sie ziemlich gut da. Die Stresstests sind eben nur eine Momentaufnahme. Und die auch nur unter einem ganz speziellen Szenario, das die Aufsicht festgelegt hat und das für die deutschen Banken eher schwierig war.
Inwiefern schwierig?
Die deutsche Wirtschaft ist sehr exportorientiert und damit auch die Banken, die die deutschen Unternehmen finanzieren. Banken in weniger außenwirtschaftsorientierten Ländern haben in dem von der Aufsicht aufgestellten Krisenszenario weniger gelitten als die deutschen Institute. Hätte die Aufsicht aber andere Parameter genutzt, beispielsweise stärker auf einen Crash an den Kapitalmärkten hin getestet, dann wären etwa die französischen Banken stärker in die Bredouille geraten. Denn die sind sehr kapitalmarktorientiert. Man darf auch nicht vergessen, dass ja auch nur die großen Banken geprüft wurden. Deutschland aber hat – anders als viele andere europäische Länder – sehr viele kleine und mittlere Geldhäuser, die eine große wirtschaftliche Rolle spielen. Von daher sagt der Stresstest nicht viel über den gesamten deutschen Bankenmarkt aus.
Was bringen denn diese Stresstests überhaupt, wenn das alles so hypothetisch ist?
Prüfung für die Geldhäuser
Die Stresstests wurden von der European Banking Authority (EBA) in Paris und der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt durchgeführt. Dem EBA-Test mussten sich 50 Banken aus 15 europäischen Ländern stellen. 38 dieser Institute sind Banken aus dem Euroraum und fallen somit unter EZB-Aufsicht. Parallel zu dem EBA-Test nahm die EZB weitere 51 direkt von ihr beaufsichtigte Euro-Banken unter die Lupe. Insgesamt 16 deutsche Institute waren in den beiden Tests dabei.
Die Aufsicht ließ die Banken auf Basis ihrer Bilanz des Jahres 2020 durchrechnen, wie stark Kapitalpuffer bis Ende 2023 schrumpfen würden, wenn Pandemie und Wirtschaftsflaute sich massiv zuspitzen würden. Am härtesten von den deutschen Banken traf das EBA-Stressszenario die Deutsche Bank, deren Kapitalpuffer auf 7,4 Prozent zusammenschmolz. In Summe landeten die sieben von der EBA getesteten deutschen Banken unter dem Durchschnitt und im Ländervergleich mit einer Kernkapitalquote von durchschnittlich 8,78 Prozent knapp vor Italien (8,60 Prozent) und Schlusslicht Irland (8,44 Prozent).
Banken die schlecht abgeschnitten haben, müssen damit rechnen, dass ihnen die Aufsicht aufträgt, ihre Kapitalpuffer zu verstärken, um sich besser für mögliche Rückschläge zu wappnen. Auf die Bremse treten könnte die Aufsicht bei solchen Häusern bei der Ausschüttung von Dividenden. dpa
Für die Aufsicht und die Banken ergeben sich sicherlich wertvolle Informationen daraus. Aber man darf die Ergebnisse nicht überbewerten. Die Aufsicht versucht hier mit einem möglichst einfachen Instrument einfache Nachrichten zu konstruieren – dabei ist das eigentlich nicht möglich, denn die Sache ist hochkomplex. Die Krise, die in den Stresstests beschrieben wird, wird genau so ja nie kommen. Krisen kommen eben meistens aus Richtungen, aus denen man sie nie erwartet hat.
Früher waren die Nachrichten der Stresstests für die Öffentlichkeit aber einfacher zu verstehen. Da wurde nämlich klar gesagt: Eine Bank ist durch die Prüfung durchgefallen oder hat sie bestanden. Das sagt die Aufsicht nun nicht mehr…
Und das ist gut so. Wenn die Aufsicht verkündet: Eine Bank ist durchgefallen, dann muss sie doch auch direkt sagen, was mit dieser Bank nun passieren soll. Das ist aber nicht geschehen in der Vergangenheit. Das war, als würde man einen Mann, von dem man weiß, dass er die Cholera hat, weiter durch die Fußgängerzone laufen lassen und sagen: „Wir warten mal ab, was nun passiert.“ Außerdem kann durch solch ein Fazit auch ein Bank Run auf das durchgefallene Institut losgehen. Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Und das nach einem Test mit einem hypothetischen Krisenszenario.
Wie bewerten Sie also in Summe die Ergebnisse des Stresstests für die deutschen Banken?
Ich lese daraus, dass die Lage der deutschen Banken gegenwärtig stabil ist. Und dass aus der Corona-Krise heraus bisher keine großen Risiken für das deutsche Bankensystem entstanden sind.
Interview: Nina Luttmer
