Magna hat die Nase vorn

Die Bundesregierung setzt klar auf Magna als Investoren für Opel. Das Stammwerk Rüsselsheim soll stärker ausgelastet werde. Dennoch stehen rund 10.000 Stellen in Europa auf der Kippe. Von Markus Sievers und Christine Skoworonski
Von MARKUS SIEVERS UND CHRISTINE SKOWRONOWSKI
Auch mit einem möglichen Investor strebt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Opel, Klaus Franz, für das Unternehmen eine "europäische und keine rein deutsche Lösung" an. Dies werde er auch den Vertretern des kanadisch-österreichischen Zulieferers und der US-Finanzgesellschaft Ripplewood am Dienstag erklären. Sie sind der Einladung des Europäischen Arbeitnehmerforums nach Rüsselsheim gefolgt. Fiat-Chef Sergio Marchionne habe noch nicht einmal geantwortet, sagt Franz. "Das kann ich nicht nachvollziehen. Gerade in einer so schwierigen Situation sei es für einen interessierten Investor wichtig, mit den Arbeitnehmervertretern "konstruktiv zu kooperieren".
Magna will bei einem Opel-Einstieg alle vier deutschen Standorte erhalten. Lediglich für das Bochumer Werk sieht das Konzept nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen einen größeren Stellenabbau vor. Dort sollen 2200 der 5300 Jobs wegfallen.
Das Stammwerk Rüsselsheim soll hingegen nach Informationen der Frankfurter Rundschau stärker ausgelastet werden und neben dem Insignia auch die Fertigung des neuen Astra erhalten. Für Bochum bleibt demnach die Fertigung des Zafira. Europaweit sollen nach FR-Informationen rund 10.000 der 55.000 Arbeitsplätze wegfallen, etwa ein Viertel davon hier zu Lande. Nach bisherigen Plänen erwägt Magna, die Werke im belgischen Antwerpen und im britischen Luton zu schließen.
Trotz des Beschäftigungsabbaus setzt die Bundesregierung inzwischen klar auf Magna als Investoren, für den sich neben dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und dessen rheinland-pfälzischen Kollegen Kurt Beck (SPD) insbesondere Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) stark gemacht hatte. Konkurrierende Gebote für Opel haben der italienische Konkurrent Fiat sowie der Finanzinvestor Ripplewood abgegeben. Fiat widersprach am Freitag Spekulationen, bei einem Zuschlag 18 000 Stellen streichen zu wollen. Tatsächlich stünden maximal 10 000 Jobs auf der Kippe, erklärte der Konzern. Dennoch stoßen die Turiner in der deutschen Politik auf starke Vorbehalte.
Magna warb am Freitag in Berlin bei einer Präsentation vor Journalisten um Rückendeckung für sein Konzept. "Das ist ein Zukunftsbündnis, kein Notbündnis", erklärte Geschäftsführer Siegfried Wolf. Bei einem Zuschlag werde Deutschland Hauptsitz von Opel bleiben. Man betrachte die deutschen Werke nicht als Belastung, sondern als "Asset", zu deutsch: Wert, Vorteil. Auf Nachfrage räumte Wolf ein, dass es über den Erhalt der Fabriken in Großbritannien und Belgien zu "Diskussionen" kommen werde. Magna werde aber alles dafür tun, um auch dort so viele Arbeitsplätze zu erhalten wie möglich.
Magna benötigt nach eigenen Angaben für einen Einstieg bei Opel Kredite von vier bis fünf Milliarden Euro, für die der deutsche Staat eine Bürgschaft übernehmen müsse. Das sei aber nicht gleichzusetzen mit einem Kredit in dieser Höhe durch den Bund und die Länder, betonte Wolf. Es sei lediglich in dieser Zeit für jedes Unternehmen schwer, wenn nicht unmöglich, bei den Banken an ein Darlehen in dieser Größenordung zu kommen. Eigene Mittel werde Magna in Höhe von 500 bis 700 Millionen Euro beisteuern.
Bei dem Plan, den Magna der Opel Mutter GM sowie dem Bundeswirtschaftsministerium vorlegt hat, würde der Zulieferer 20 Prozent der Opel-Anteile übernehmen. Mit je 35 Prozent sollen GM und die russische Sberbank beteiligt sein. Zehn Prozent sind für die Beschäftigten vorgesehen.
Konzeptionell setzt Wolf stark auf den russischen Markt, wo der Partner Gaz beim Vertrieb helfen soll. Den bisherigen Chef von GM Europa, Carl-Peter Forster, will Magna an der Spitze belassen. Ebenso soll Rüsselsheim Hauptsitz bleiben.
Eine vorübergehende Staatsbeteiligung an Opel fordert der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg. "Die Zeit drängt, der Verkaufsprozess an Magna muss beschleunigt werden", sagte er der Frankfurter Rundschau. Deshalb müsse der Staat einspringen. Dass der kanadisch-österreichische Autozulieferer nun den Zuschlag bekommen solle, sei "eine gute Lösung". Allerdings dürfe die Regierung nun nicht noch weiter zögern. "Das Treuhand-Modell macht keinen Sinn und wird von der US-Regierung eh nicht genehmigt werden", sagte der Professor. Magna verfüge über sehr moderne Technologien, vor allem auch für zukunftsweisende Elektroautos und könne Opel zudem Perspektiven für den osteuropäischen Markt bieten.
Nach FR-Informationen wollte Fiat bei einem Opel-Einstieg die Werke Luton und Ellesmere Port in Großbritannien schließen sowie die eigene Marke Lancia aufgeben und durch eine Opel-Marke ersetzen. Dies hat gestern in den betroffenen Werken in Süditalien für Aufruhr gesorgt.