Lkw-Fahrer warnt vor leeren Supermarktregalen und geschlossenen Tankstellen – auch in Deutschland

Der Mangel an LKW-Fahrern führt in Großbritannien zu leeren Supermarkt-Regalen und Tankstellen. Experten warnen, es könne auch in Deutschland zu Engpässen kommen.
Frankfurt – Viel wurde bereits über die Öl- und Nahrungsmittelkrise* in Großbritannien* berichtet. Zurückzuführen ist diese auf ein Zusammenspiel aus Brexit Regularien, fehlender Anreize für Berufseinsteigende* und den allgemeinen Auswirkungen der Corona-Krise*. Der 60-jährige Udo Lautenschlager ist leidenschaftlicher Berufskraftfahrer. Aber er sieht schwarz, was die Zukunft des Berufszweigs angeht: Auch in Deutschland drohten bald britische Verhältnisse, mit geschlossenen Tankstellen und leeren Supermarktregalen, befürchtet Lautenschlager, wie die Tagesschau berichtet.
„Das wird über kurz oder lang die nächsten fünf Jahre bei uns in Deutschland genauso passieren. Weil die Gesellschaft uns nicht anerkennt“, sagt er. LKW würden als „Stinker und Umweltverpester“ gelten, und die Fahrer bekämen deshalb nicht den Respekt, den sie verdienten, beklagt Lautenschlager. Als Hauptgrund für den Nachwuchsmangel sieht er das schlechte Image des Berufs.
In Deutschland fehlen bis zu 80.000 Lkw-Fahrer
Zehntausende Arbeitskräfte fehlen in diesem Beruf schon jetzt. Nach Einschätzung der unterschiedlichen Berufsverbände, Gewerkschaften und Kammern, wie die Tagesschau berichtet, schwankt der Bedarf zwischen 45.000 und 80.000. Ende des Jahrzehnts könnten es schon mehr als 185.000 sein, besagt eine Studie des Bundesverkehrsministeriums. Der Spitzenverband der deutschen Transportlogistiker BGL zufolge gehen bundesweit jedes Jahr rund 30.000 Kraftfahrer in Rente; gleichzeitig werden aber nur circa 17.000 neue Fahrer ausgebildet.
Geht es um die Ursachen, warum sich so wenige junge Menschen auf den Beruf des Kraftfahrers einlassen wollen, sind sich Gewerkschaften und Kammern weitgehend einig: Die Löhne sind je nach Einsatzart unterdurchschnittlich, dafür gibt es unregelmäßige Arbeitszeiten, und die Arbeitsbedingungen gelten allgemein als schwierig.

Ohne Fahrer aus dem Ausland Volumen längst nicht möglich
Dies sind Gründe, warum die Branche auf Arbeitskräfte aus dem europäischen Ausland angewiesen ist. Während der Corona-Pandemie beispielsweise seien die Grenzlandregionen in Ostbayern den britischen Verhältnissen mit leeren Supermarkt-Regalen schon viel näher gewesen, als man sich vorstellen könne, sagt Manuel Lorenz, Logistik-Experte bei der IHK Regensburg.
Hier ansässige Speditionen rekrutieren bis zu 60 Prozent ihres Personals aus dem Nachbarland Tschechien. Als während der Pandemie die tschechische Grenze auch für Tagespendler geschlossen wurde, war Lorenz nicht sicher, ob die Lkw-Fahrer noch zur Arbeit erscheinen könnten. „Wenn man dann die Logistik-Ketten kennt und weiß, welche Spedition für welchen Einzelhändler arbeitet: da habe ich auch schon an Hamsterkäufe gedacht, um das ganz offen zu sagen“, so Lorenz gegenüber tagesschau.de.
Lkw-Fahrer in Deutschland – Schlecht bezahlt und schwierige Arbeitsbedingungen
Der durchschnittliche Einstiegslohn liegt der Gewerkschaft Verdi zufolge unter 1900 Euro monatlich. Über ein Drittel aller Kraftfahrer in Deutschland arbeiten im Niedriglohnbereich, kritisiert die Gewerkschaft. Da in der Logistikbranche ein massiver Preiskampf stattfindet, seien Lohnerhöhungen schwer zu realisieren.
Dazu kommt der Zeitdruck, unter dem die Fahrer stehen. Enge Terminpläne können sie mit legalen Mitteln oft nicht bewältigen. Aufgrund dessen werden vermehrt Ruhezeiten missachtet oder sogar Fahrtenschreiber manipuliert. Polizeihauptkommissar Harald Beigel kennt viele solcher Fälle aus der täglichen Praxis. Er ist Schwerverkehr- und Gefahrengut-Experte beim Polizeipräsidium Oberpfalz. Nicht selten zeigen sich Lkw-Fahrer selbst an – aus Verzweiflung. „Es kommt immer wieder vor, dass Lkw-Fahrer zu uns kommen und um eine Kontrolle bitten, weil sie von ihrem Unternehmer angewiesen sind, länger zu fahren als erlaubt“, berichtet Beigel gegenüber tagesschau.de. „Weil sie dann diesen Weg wählen, um irgendwo eine Hilfestellung zu erhalten.“
Deutschland: Sind neue Technologien die Lösung?
Branchenkenner glauben nicht, dass das Problem mit den Kraftfahrern in naher Zukunft durch autonome Fahrassistenten abgelöst werden. Die stärkere Verlagerung des Frachtverkehrs von der Straße auf die Schiene scheitert am Kapazitätsdefizit der Bahn. Ohne Berufskraftfahrer wird es also auch in Zukunft nicht gehen.
Die Gewerkschaft ver.di ist der Meinung, dass die Lösung des Kraftfahrermangels vor allem an der Frage der Bezahlung hängt. Sowohl die Ausbildung als auch die Tätigkeit des Kraftfahrers müsse finanziell aufgewertet werden. (lz) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.