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Linkedin verlässt China – wegen staatlicher Zensur

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Von: Fabian Kretschmer

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Immer noch mit der Welt verbunden? Chinesinnen surfen im Internet.
Immer noch mit der Welt verbunden? Chinesinnen surfen im Internet. © imago images/UPI Photo

Mit Linkedin zieht sich die letzte große westliche Online-Plattform aus China zurück. Der Grund: staatliche Zensur.

Peking – In China steht die Sprache der Regierung oft im genauen Gegensatz zur Realität. „Chinas Tür wird sich immer weiter öffnen und nie geschlossen werden“, sagte Xi Jinping am Donnerstag in einer Rede vor den Vereinten Nationen, die er mit dem Slogan übertitelte: „mit der Welt verbunden bleiben“. Doch in Wirklichkeit geschieht seit Jahren das Gegenteil. Die Volksrepublik kappt zunehmend die Verbindungen zum Ausland.

Das zeigt sich am Beispiel Linkedin: Die Online-Plattform fürs berufliche Netzwerken hat am Donnerstag bekanntgegeben, dass sie ihre chinesische Version aufgrund des zunehmenden Drucks der Zensurbehörden schließen wird. Vize-Präsident Mohak Shroff schreibt euphemistisch von einem „deutlich schwierigeren Arbeitsumfeld und höheren Compliance-Anforderungen in China“.

Facebook, Twitter und Instagram sind bereits in China zensiert

Das Karriere-Netzwerk von Microsoft war die letzte große Online-Plattform aus dem Westen, die in China noch zugänglich war. Facebook ist seit Jahren zensiert, Twitter, Instagram und Whatsapp ebenso. Linkedin war bereits im März wegen angeblich „zu laxer Inhaltskontrollen“ ins Kreuzfeuer der Behörden geraten. Vorübergehend durfte Linkedin keine neuen User:innen mehr in der Volksrepublik registrieren. Als dies dann wieder möglich war, ging dies mit einer beispiellosen Selbstzensur einher: Viele Profile westlicher Wissenschaftlern, Journalistinnen und Aktivisten wurden über Nacht in China gesperrt. Allein die Erwähnung des Tiananmen-Massakers von 1989, die Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren in Xinjaing oder kritische Worte gegenüber Xi Jinping reichten, um auf die schwarze Liste zu kommen.

Dann geriet die Online-Plattform in einen geopolitischen Konflikt: In China war Linkedin unter zunehmenden Druck der Behörden, während sich im Westen ein gehöriger Shitstorm zusammen braute, weil sich Microsoft der chinesischen Zensur beugte. „Soziale Netzwerke, die in China operieren, geraten zunehmend in die unmögliche Sackgasse zwischen chinesischen Zensurregeln und westlichen Werten“, meint Kendra Schaefer von der Politikberatung Trivium China: „Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass Linkedin in China so lange überlebt hat.“

LinkedIn verlässt China – Land setzt auch Adidas und Mercedes unter Druck

Auch deutschen Unternehmen gelingt der Drahtseilakt in China immer weniger: Adidas wurde monatelang boykottiert, nachdem der Sporthersteller angekündigt hatte, aufgrund von möglicher Zwangsarbeit aus der Region Xinjiang keine Baumwolle mehr beziehen zu wollen. Und bei Mercedes hatte ein bloßer Instagram-Post mit einem Zitat des Dalai Lama ausgereicht, dass die Vorstandsetage den Kotau in Peking machen musste.

China schottet sich ab – nicht nur mit einem streng abgekoppelten Internet. Auch innerhalb der Wirtschaft hat Chinas Staatsführung die Kontrolle erhöht und seinen Unternehmen Börsennotierungen in Übersee deutlich erschwert.

China übt Druck auf LinkedIn aus: Kaum Menschen aus dem Ausland in China

Vor allem aber gibt es keinen nennenswerten menschlichen Austausch zwischen China und dem Rest der Welt. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich die Anzahl an Ausländer:innen noch einmal halbiert, dabei lebten bereits vor der Krise mehr Ausländer:innen in Belgien als unter den 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen. Selbst Staatschef Xi Jinping hat seit mehr als zwei Jahren sein Heimatland nicht mehr verlassen und empfängt andere Staatschefs nur noch per Videoschalte.

Natürlich will sich China nicht vollständig abkoppeln, jedoch zunehmend die Bedingungen für den Dialog bestimmen. Auch Linkedin wird sich nicht ganz aus der Volksrepublik verabschieden: Mit Injobs wird man einen Relaunch starten, bei dem die Nutzer:innen zwar von Unternehmen rekrutiert werden können, aber selber keine Postings mehr schreiben dürfen. (Fabian Kretschmer)

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