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Der Dax bleibt risikoreich

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Von: Theresa Dräbing

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Der Leitindex des Dax wird erweitert.
Der Leitindex des Dax wird erweitert. © Moritz Wienert

Der Leitindex wird von 30 auf 40 Werte erweitert. Welche Folgen hat das?

Im September wird der Deutsche Aktienindex Dax erweitert – von 30 auf 40 Werte. Die Reform ist eine Folge des Wirecard-Skandals. Nach dem Absturz des einstigen Börsenaufsteigers infolge von Bilanzfälschungen, Betrugsvorwürfen und schließlich der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters, will die Deutsche Börse „das Vertrauen in den Kapitalmarkt“ wieder „stärken“. So sollen auch die Regeln für die Dax-Indizes verschärft werden.

Beschlossen hat der Frankfurter Marktbetreiber das bereits vergangenes Jahr, im September treten die Regelungen in Kraft. Mögliche Missstände sollen schneller angezeigt werden können und im Ernstfall sollen Unternehmen auch schneller aus dem Dax rausfliegen. Die am deutlichsten zutage tretende Veränderung ist aber die Erweiterung des größten deutschen Indizes.

Die Idee dahinter: den Wirtschaftsstandort Deutschland besser widerzuspiegeln. So wird der Dax momentan nur von wenigen Branchen dominiert. Chemie- und Automobilunternehmen sind am stärksten vertreten. Kommt eine dieser Branchen ins Wanken, wie zum Beispiel zuletzt der Automarkt infolge des Dieselskandals, hat das überdurchschnittlich starke Auswirkungen auf den gesamten Index.

Doch reichen die Reformen aus, um das Vertrauen in die Kapitalmärkte wirklich wieder zu stärken? Wird der Dax damit risikoärmer für Anlegerinnen und Anleger? Und haben die Änderungen Auswirkungen für Privatanleger:innen, die Aktien oder Fonds auf den Dax halten?

„Die Aufstockung um zehn weitere Unternehmen klingt zunächst größer als sie tatsächlich ist“, sagt Stephan Witt, Anlagestratege bei der Finum Private Finance AG in Berlin. ETF- und Fonds-Anbieter würden nach der neuen Zusammensetzung ihre Produkte um die neu hinzukommenden Unternehmen ergänzen. Anleger:innen selbst müssten nichts tun. „Am Ende machen die zehn Neulinge nur acht Prozent im Dax aus und am Gewicht der großen Dax-Konzerne wie zum Beispiel SAP, Siemens und Allianz ändert sich nur wenig“, so Witt. Auch werde der Index weiterhin auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagieren und dementsprechend schwanken. „Einzig das Risiko eines zweiten Wirecards kann durch die neuen Kriterien hoffentlich minimiert werden“, so der Anlagestratege.

Chemie, Automobil und Industrie bleiben hoch gewichtet

Eine weitere Diversifikation sei zudem kaum zu erwarten. „Die Zusammensetzung der Sektoren wird sich nicht maßgeblich ändern, dafür ist in Deutschland das Gewicht von Chemie, Automobil und Industrie einfach zu hoch. Auch bei den zehn Neulingen werden wieder Titel aus diesen Sektoren dabei sein“, so Witt. Am höchsten für die Aufnahme in den Dax werden derzeit die Kandidaten Airbus, Porsche, Zalando oder der Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise gehandelt.

Adrian Roestel, Leiter Portfoliomanagement beim Vermögensverwalter Huber, Reuss & Kollegen in München, sieht das ähnlich: „Das Gewicht von Industrieunternehmen, die schon jetzt überproportional stark im Dax 30 vertreten sind, dürfte sogar noch ansteigen“, so Roestel. Und damit sinke gleichzeitig der Einfluss von Technologiewerten weiter ab. „Industrie-, Automobil- und Chemiekonzerne werden den Dax 40 genauso deutlich wie das aktuelle deutsche Börsenbarometer dominieren. Die Schwankungsintensität und damit das Risiko einer Anlage in den Dax wird sich nicht spürbar verändern.“

Auch mit 40 Werten ist der Deutsche Leitindex vergleichsweise klein. Zum Vergleich: Im internationalen Index MSCI World sind mehr als 1600 Einzeltitel aus über 20 Industrieländern gelistet. Und auch die Marktkapitalisierung, also der Gesamtwert aller Unternehmen im Index, ist im Dax gering. So tragen die größten deutschen börsennotierten Unternehmen gerade einmal rund drei Prozent zur globalen Marktkapitalisierung bei – das wird sich durch die anstehende Erweiterung nicht wesentlich verändern.

Unprofitable Unternehmen sollen ausgeschlossen bleiben

Wer bei einer Aktienanlage Risiken minimieren will, ist allerdings gut beraten, wenn er sein Geld breit streut. Es gilt also in mehrere Länder und Branchen zu investieren, um bei einem Kursrutsch einer Branche zu hohe Verluste zu vermeiden. Läuft es für ein paar Unternehmen gerade eher schlecht, können Titel aus anderen Branchen die Verluste im besten Fall auffangen. Wer hingegen alles auf eine Karte setzt, kann auch alles verlieren.

Unberechenbar können zudem junge, noch nicht profitable Unternehmen sein. Solche sollen von der Aufnahme in den Dax aber mit Inkrafttreten der Reform im September ausgeschlossen werden. Auch wenn das zur Stabilität des Indexes beitragen soll, gab es hierzu durchaus auch kritische Stimmen. Es sei anzunehmen, „dass durch die Profitabilitätsanforderungen gerade jungen und wachstumsstarken Unternehmen, denen es allerdings noch an entsprechenden Gewinnen fehlt, der Zutritt zum Börsenolymp verwehrt“ bleibe, schrieben Analysten des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch.

Zu einem solchen Kandidaten könnte auch Delivery Hero zählen. Der Berliner Essenslieferdienst ersetzte vergangenes Jahr Wirecard im Dax. Dabei hat der Konzern seit seiner Gründung 2011 operativ noch keine Gewinne geschrieben. Trotzdem wird die Neuerung auf Delivery Hero nicht angewandt: Die verschärfte Regelung gilt nur für künftige potenzielle Aufsteiger.

Für alle hingegen, auch für langjährige Mitglieder im Dax, gilt künftig, dass sie ihrer Pflicht zur fristgerechten Veröffentlichung von Zwischenberichten nachkommen müssen, ansonsten fliegen sie. „Der Zahlungsdienstleister Wirecard konnte auf Basis des alten Regelwerks erst Monate nach der offiziellen Insolvenz aus dem deutschen Leitindex entfernt werden“, sagt Alexander Reich, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter PVV in Essen. Die Änderungen im Regelwerk seien somit vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse um Wirecard zu begrüßen. Außerdem bedeute die Reform eine Angleichung an internationale Standards. „Die grundsätzliche Qualität und das Vertrauen in den Dax wird durch die Änderungen des Regelwerks erhöht“, so seine Einschätzung.

In Bezug auf die Schwankungsintensität schließt er sich seinen Kollegen an: Zu einer Reduzierung werde die Reform nicht beitragen. „Das individuelle Investitionsrisiko lässt sich wie bei allen Aktienanlagen nur durch den Faktor Zeit reduzieren“, so sein Tipp. Das heißt, Anleger:inne sollten neben einer breiten Streuung einen möglichst langen Anlagezeitraum wählen, um mögliche Schwankungen auszusitzen.

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