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Lauter Knall bei der Bahn

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Von: Peter Berger

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Rüdiger Grube hat die Deutsche Bahn acht Jahre lang geführt. Seine Vertragsverlängerung galt als Formalie.
Rüdiger Grube hat die Deutsche Bahn acht Jahre lang geführt. Seine Vertragsverlängerung galt als Formalie. © afp

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat sich verzockt: Konzernchef Rüdiger Grube hat die Brocken hingeworfen. Der Rücktritt gleicht einem Aussteigen aus dem ICE bei Tempo 300.

Jedes Mal, wenn Rüdiger Grube (65) auf die Verlängerung seines Vertrags angesprochen wurde – und das war zuletzt nahezu täglich der Fall – hat er mehr oder minder gleich geantwortet. Er sei noch nie einem Vertrag hinterhergelaufen und werde sich mit Sicherheit nicht aufs Altenteil zurückziehen, wenn die Deutsche Bahn ihn nicht mehr haben wolle.

Der Aufsichtsrat wollte ihn am Montag zwar schon über Dezember 2017 hinaus ans Unternehmen binden – aber wohl nicht zu den Bedingungen, die vorher vereinbart schienen. Und die waren aus Grubes Sicht klar und eindeutig: Drei weitere Jahre auf dem Chefposten, im Gegenzug dafür Verzicht auf ein höheres Gehalt und auch keine Abfindung für den Fall des vorzeitigen Abgangs. Von alldem war in der Sitzung des Aufsichtsrats am Montag offenbar keine Rede mehr. Zwei Jahre hat man ihm angeboten – da schmiss Grube entnervt die Brocken hin.

Ein Umstand, mit dem niemand gerechnet hatte. Die Vertragsverlängerung galt als sicher. Die Bahn selbst hatte am 14. Dezember nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mitgeteilt: „Am 30. Januar 2017 wird sich das Kontrollgremium zu einer Sondersitzung treffen, um (...) den am 31. Dezember 2017 auslaufenden Vertrag des DB-Vorstandsvorsitzenden Dr. Rüdiger Grube zu verlängern.“ Auch Grube hatte bereits von seinen künftigen Projekten bei der Bahn geschwärmt.

Nun hat sich der Aufsichtsrat verzockt. Entsprechend dürftig fiel die Stellungnahme des Vorsitzenden aus. „Herr Dr. Rüdiger Grube hat sich bleibende Verdienste erworben, gerade auch im Hinblick auf die Zukunftssicherung der DB. Die Digitalisierung der DB ist ebenso mit seinem Namen verbunden wie das Qualitätsprogramm ‚Zukunft Bahn’“, so Utz-Hellmuth Felcht.

Der Rücktritt des Bahnchefs mit sofortiger Wirkung ist ein Paukenschlag. Da steigt einer bei Tempo 300 aus einem ICE – einer, der am liebsten noch drei Jahre Vollgas gegeben, die Digitalisierung und das Projekt „Zukunft Bahn“ vorangetrieben hätte. Den Aufsichtsrat bringt das in arge Nöte. Sich im Jahr der Bundestagswahl auf einen Nachfolger zu verständigen bei einem Staatskonzern, der beständig unter dem Einfluss der Politik steht, ist kein Zuckerschlecken.

Ab sofort leitet Finanzvorstand Richard Lutz kommissarisch die Bahn und das dürfte wohl auch noch eine Weile so bleiben. Für Grubes Kronprinzen, den ehemaligen Kanzleramtsminister und CDU-Politiker Ronald Pofalla (57) kommt der Rücktritt zur Unzeit. Gerade erst zum Infrastrukturvorstand aufgestiegen, wird man sich auf dem politischen Parkett wohl kaum auf ihn als Nachfolger verständigen können. Zumal schon dieser Aufstieg den Plänen des Aufsichtsrates zuwider lief. Felcht hätte anstelle des Lobbyisten Pofalla lieber einen unabhängigen Manager gesucht.

Grubes Rücktritt war kaum verkündet, da ging die Politik schon in Stellung. Das sei „in der Tat eine so nicht zu erwartende Wendung“ sagt Bundesverkehrsminister Dobrindt. Die Nachfolge müsse nun „möglichst zügig“ gelöst werden. Auf die Frage nach den Aussichten Pofallas sagte Dobrindt: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, jetzt im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen.“

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kündigte an, dass über Grubes Nachfolge an der Spitze des Staatsunternehmens in der Koalition entschieden werden müsse. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestags, Martin Burkert (SPD), sagte, ein Nachfolger müsse das Unternehmen bei der Zuverlässigkeit und beim Güterverkehr voranbringen. „Grube war nach Mehdorn der Richtige, um die Deutsche Bahn wieder zur Ruhe zu bringen.“

Doch was braucht die Bahn nach acht Jahren Grube wirklich? Experten sagen, dass die Politik endlich eine Grundsatzentscheidung treffen müsse, ob der Staatskonzern möglichst hohe Gewinne einfahren oder ein umweltfreundliches und möglichst preiswertes Massenverkehrsmittel sein soll. Für Rüdiger Grube war die Bahn eher letzteres – zu seinen Lieblingsausdrücken gehört der vom „Brot-und-Butter-Geschäft“. Den ehemaligen Bahnchef muss das alles nicht mehr interessieren. Er soll am Montag noch in den Bahntower am Potsdamer Platz gefahren sein, um seinen Schreibtisch zu räumen.

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