Bezieher von Kurzarbeitergeld sollten mit einer bösen Überraschung rechnen
Bezieher von Kurzarbeitergeld müssen eine Steuererklärung abgeben. Dabei sollten sie bedenken, dass der Fiskus möglicherweise noch Geld möchte - eine Steuernachzahlung droht.
- Wer Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise bezieht, muss eine Steuererklärung abgeben.
- Obwohl Kurzarbeitergeld steuerfrei ist, droht Beziehern dennoch eine Steuernachzahlung.
- Denn Kurzarbeitergeld unterliegt dem Progressionsvorbehalt.
Frankfurt - Seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland Anfang März haben Betriebe für über elf Millionen Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt. Kurzarbeitergeld ist steuerfrei. Und dennoch kann es Beziehern der Leistung passieren, dass sie nach Abgabe einer Steuererklärung vom Finanzamt aufgefordert werden eine Steuernachzahlung zu leisten.
Kurzarbeitergeld ist steuerfrei, aber...
Der Grund: Für Arbeitnehmer hat der Bezug von Kurzarbeitergeld nicht nur in den Bezugsmonaten Einfluss auf ihr Einkommen, das geringer ausfällt als üblich. Auch das zugrundegelegte Jahreseinkommen für die Steuer verändert sich. Zwar ist das Kurzarbeitergeld an sich steuerfrei, es unterliegt aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt.
Das heißt: die Leistungen werden trotzdem zur Berechnung des Steuersatzes herangezogen und führen damit zu einem höheren Prozentsatz, mit dem das übrige Einkommen versteuert wird. „Praktisch heißt dies, dass durch das Kurzarbeitergeld der Steuersatz und damit die Steuerbelastung für das übrige Einkommen steigt“, erklärt der Bund der Steuerzahler.
Steuererklärung wegen Kurzarbeitergeld: Wann die Nachzahlung drohen kann
Um wie viel die Steuerbelastung erhöht ist, ergibt sich aber erst hinterher, genau genommen nach Abgabe der Steuererklärung. Für die Zeiten, die der Arbeitnehmer normal arbeitet, also sozialversicherungspflichtiges Einkommen erhält, wird die Lohnsteuer wie üblich vom Arbeitgeber abgezogen.
Mit der Einkommensteuererklärung wird dann erst abschließend geprüft, wie viel Steuern der Arbeitnehmer für seinen Lohn – unter Berücksichtigung des Kurzarbeitergeldes – tatsächlich bezahlen muss und wie viel Steuern er bereits durch den Lohnsteuerabzug beglichen hat.
Wann das Kurzarbeitergeld den Steuersatz erhöht
Manche Arbeitnehmer haben allein durch den Lohnsteuerabzug schon zu viel gezahlt und ihnen steht eine Steuererstattung zu, andere dagegen müssen nachzahlen. „Bezieht ein Arbeitnehmer für einen gewissen Zeitraum zu hundert Prozent Kurzarbeitergeld, ohne also noch stunden- oder tageweise die Woche zu arbeiten, ergibt sich fast immer eine Erstattung“, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine (BVL). „Das Kurzarbeitergeld erhöht nachträglich zwar auch hier den Steuersatz, gleicht aber in der Regel nicht das fehlende Einkommen aus.“
Fristen für die Steuererklärung
Pflicht: Wer Kurzarbeitergeld erhält, ist dazu verpflichtet, für das betreffende Jahr eine Steuererklärung abzugeben. Arbeitnehmer tragen dies, wie auch andere Lohnersatzleistungen, in der „Anlage N“ ein. Dort ist Kurzarbeitergeld explizit ausgewiesen.
Frist: Seit 2019 haben Steuerzahler zwei Monate länger Zeit, ihre Steuererklärung einzureichen: Neuer Stichtag ist jeweils der 31. Juli. Für die Steuererklärung 2020 also der 31. Juli 2021. Wer sich Hilfe holt, etwa über einen Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater, hat bis Ende Februar 2022 Zeit. thd
Der Grund liege darin, dass in den Monaten mit normaler Beschäftigung regelmäßig zu viel Lohnsteuer einbehalten wird. Anders sieht es aus, wenn beispielsweise nur zu 50 Prozent Kurzarbeitergeld bezogen wird. „Wer zusätzlich zum Lohn steuerfreie Leistungen bekommt, wird häufig Steuern nachzahlen müssen“, so Rauhöft.
Steuernachzahlung wegen Kurzarbeitergeld zu 50 Prozent
Der Bund der Steuerzahler hat verschiedene Szenarien beispielhaft durchgerechnet, die diese Annahme bestätigen.
Im ersten Beispiel geht es um einen Alleinverdiener in einer Ehe mit zwei Kindern. Der Arbeitnehmer (Steuerklasse 3) verdient monatlich 4.500 Euro brutto. In diesem Jahr arbeitet er allerdings nur neun Monate regulär und für drei Monate bezieht er Kurzarbeitergeld zu 50 Prozent. In dieser Zeit beträgt sein Bruttoeinkommen 2.250 Euro plus rund 881 Euro Kurzarbeitergeld. Insgesamt erhält er in dem Jahr also Lohnersatzleistungen von 2.643 Euro. Für die neun Monate mit regulärem Arbeitslohn hat er bereits 4.329 Euro Lohnsteuer gezahlt und für die drei Monate mit einem Arbeitslohn von 2.250 Euro 81 Euro. Insgesamt sind das 4.410 Euro. Mit dem Kurzarbeitergeld zusammen ergibt sich für 2020 allerdings eine festzusetzende Einkommensteuer von 4.650 Euro. Er muss also noch 240 Euro an Steuern nachzahlen.
Steuernachzahlung wegen Kurzarbeitergeld zu 100 Prozent
Das Szenario lässt sich aber auch leicht abwandeln. Wenn beispielhaft angenommen wird, dass derselbe Arbeitnehmer in den drei Monaten nicht zu 50 Prozent, sondern zu 100 Prozent Kurzarbeitergeld bezieht, verändert sich die Steuerbelastung. Während für die neun Monate regulärer Tätigkeit unverändert 4.329 Euro Lohnsteuer anfallen, bleiben die drei Monate mit Kurzarbeitergeldbezug von 2.072 Euro monatlich steuerfrei.

Auf das ganze Jahr gerechnet ergibt sich damit eine festzusetzende Einkommensteuer von 3.722 Euro. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall also schon zu viel Lohnsteuer gezahlt und bekommt 607 Euro erstattet.
Kurzarbeitergeld: Wann eine Nachzahlung der Steuer erforderlich ist
Matthias Warneke, Leiter des Deutschen Steuerzahlerinstituts (DSi), warnt aber davor, diese Regel pauschal auf alle Fälle anzuwenden. „Bei der Steuer kommt es immer auf den Einzelfall an“, sagt er. So seien die Progressionsverläufe nicht linear. Es sei immer auch entscheidend, an welcher Stelle der Grenzsteuerkurve sich der Betroffene befindet und ab welchem Punkt sich der Steuersatz erhöht. Es könne also genauso bei 50 Prozent Kurzarbeit zu Rückzahlungen kommen und bei 100 Prozent Kurzarbeit zu Nachzahlungen.
Auch bestimmte Steuerklassekombinationen von Ehepartnern können eine veränderte Situation ergeben. Bei zusammen veranlagten Partnern unterliegt auch das Einkommen des Partners dem Progressionsvorbehalt. Berücksichtigt werden sollten außerdem Zuschüsse vom Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld. Die sind vom deutschen Gesetzgeber zwar unlängst steuerfrei gestellt worden, erhöhen aber den relevanten Steuersatz.
„Ich gehe dennoch davon aus, dass viele Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, eine Steuererstattung bekommen“, sagt Rauhöft. Trotzdem rät er Arbeitnehmern, eine mögliche Nachzahlung im Hinterkopf zu behalten, um mit Eintreffen des Steuerbescheids nicht böse überrascht zu werden. (Theresa Dräbing)
Die Vier-Tage-Woche bietet viele Vorteile und ist ein Modell für die Zukunft der Arbeit nach der Corona-Pandemie, statt Kurzarbeit weiterzuführen. Ein Gastbeitrag von Zukunftsforscher Daniel Dettling.