Krise bei Galeria: „Die Leute sind wütend“

Katja Deusser und Horst Gobrecht von Verdi sprechen über Galeria Karstadt Kaufhof, die Zukunft des Warenhauses und die Rolle von René Benko.
Die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof zittern: Der Warenhauskonzern schließt Filialen, viele Jobs stehen auf der Kippe. Katja Deusser und Horst Gobrecht arbeiten für Verdi. Die beiden Gewerkschaftssekretäre sind überzeugt, dass das Kaufhaus eine Zukunft hat.
Frau Deusser, Herr Gobrecht, wie ist der Stand der Dinge im Kampf um die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof?
Gobrecht: Von 130 Häusern bundesweit sollen 47 geschlossen werden. Eine geringe Zahl kann möglicherweise noch von dieser Liste gestrichen werden, weil das Unternehmen sie doch weiterführt. Außerdem möchte Friedrich Göbel, der Chef der Modekette Aachener in Dortmund, eine Reihe von Häusern übernehmen. Aber ich bezweifle, ob er dazu wirklich wirtschaftlich in der Lage ist. Nehmen wir das Karstadt-Haus an der Zeil in Frankfurt am Main als Beispiel. Das ist mit seinen 28 000 Quadratmetern so groß wie mehr als 20 Läden von Aachener. Aber ich bin auch sonst skeptisch.
Was meinen Sie damit?
Gobrecht: Göbel garantiert keinen geregelten Betriebsübergang, das heißt nicht die Übernahme der bestehenden Arbeitsplätze zu den dort aktuell geltenden Bedingungen. Das ist fragwürdig. Solche Lösungen kennen wir aus der Vergangenheit zur Genüge. Da werden dann nur Arbeitsplätze zu schlechteren Bedingungen gerettet. Ich nenne das „Rudis sozialpolitische Resterampe“.
Sie haben etliche Kaufhäuser besucht. Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten?
Deusser: Die Leute sind wütend. Und eine große Enttäuschung spielt mit. Die Beschäftigten von Karstadt kennen das ja schon länger, die von Kaufhof noch nicht so. Wir hatten am Ostersamstag zum Streik aufgerufen und die Beteiligung war gut.
Gobrecht: Es zeigt sich: Es ist fünf nach zwölf. Es ist für die Beschäftigten schon ein Schritt, am Osterwochenende zu streiken, wo die Gefahr besteht, dass Umsatz verlorengeht. Acht von fünfzehn Filialen in Hessen haben sich beteiligt, das ist gut.

Wieviele Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel?
Gobrecht: Bundesweit sollen 4000 Menschen ihre Arbeit durch die Schließungen verlieren, davon 300 in Hessen. Dazu kommen aber auch noch geplante Kündigungen in den Häusern, die fortgeführt werden sollen. Auch in den Häusern, die bleiben, droht ein Personalabbau von bis zu 25 Prozent. Die befristet Beschäftigten trifft es als erste, da laufen einfach die Verträge aus.
Deusser: Wir haben immer wieder gehört von den Beschäftigten: Wenn wir noch mehr Personal verlieren, brauchen wir gar nicht mehr wieder aufzuschließen. Das ist dann zum Scheitern verurteilt.
Was sind die wichtigsten Forderungen von Verdi?
Gobrecht: Die zentrale wirtschaftspolitische Forderung bundesweit ist: Die Unternehmensleitung muss ein Vertriebskonzept für das Warenhaus entwickeln. Es braucht wieder mehr Beratung in den Häusern und eine breitere Produktpalette. Für solche Kaufhäuser gibt es einen Markt. Man muss ihn nur erschließen. Die sozialpolitische Forderung ist der Erhalt der Arbeitsplätze und die Rückkehr in die Tarifbindung. Derzeit wird bei Galeria Karstadt Kaufhof 15 Prozent unter Tarif bezahlt. Die Geschäftsleitung hat schon angekündigt, dass sie bis 2026 die Gehälter nicht erhöhen will, bis dahin liegen die dann 25 Prozent unter Tarif. Sie müssen sich vorstellen: Eine langjährige Verkäuferin in der üblichen Teilzeit verdient gerade einmal 1500 bis 1600 Euro brutto im Monat. Das ist vollkommen inakzeptabel. Da muss etwas passieren!
Es ist immer wieder zu hören: Das Konzept des Kaufhauses ist überholt, es funktioniert in Zeiten des Internets nicht mehr.
Gobrecht: Das ist falsch. Für einen normal verdienenden Haushalt ist ein Warenhaus mit erträglichen Preisen hochinteressant. Es gibt genügend Publikum für ein Kaufhaus!
Deusser: Der Kaufhof an der Hauptwache verdient sein Geld an asiatischen Touristen und Messekunden. Beim Karstadt an der Zeil gehen die Frankfurterinnen und Frankfurter einkaufen. Die suchen zum Beispiel eine Handtasche für 80 Euro. Das A und O, um diese Leute ins Kaufhaus zu bekommen, ist die Beratung. Die Kunden müssen bedient werden können, die Kassen müssen besetzt sein.

Bräuchte es nicht auch zusätzliche Angebote in den Kaufhäusern, etwa ein Café, ein Restaurant oder eine Bühne, um die Menschen anzulocken?
Gobrecht: Es gibt ja Restaurants wie etwa im Kaufhof. Die sind aber längst in andere Gesellschaften ausgegliedert worden, die ihre Beschäftigten schlechter bezahlen als im Einzelhandel. Eine Bühne für freie Künstler ist gut, aber nicht, wenn die Miete dafür 600 Euro die Stunde beträgt.
Deusser: Zehn Bühnen und 23 Cafés helfen nicht, wenn es am Personal fehlt. Aber René Benko, der Besitzer von Galeria Karstadt Kaufhof, ist wohl gar nicht an einem funktionierenden Warenhaus interessiert. Er will anscheinend kein Wachstum der Kaufhäuser. Er ist aus meiner Sicht ein Immobilienhai, der vorrangig an den Grundstücken in bester Lage interessiert war, auf denen die Kaufhäuser stehen.
In Frankfurt hatte die Stadt einen Vertrag mit Benko abgeschlossen, demzufolge seine Projekte an anderer Stelle in der Innenstadt wohlwollend beurteilt werden, wenn dafür Karstadt an der Zeil bis 2025 bestehen bleibt. Dieser Vertrag ist jetzt gebrochen worden, oder?
Gobrecht: Genauso ist es. Die Stadt Frankfurt in Person des Planungsdezernenten Mike Josef, die Unternehmensleitung und die Signa als Vertreterin des Eigentümers haben diese Vereinbarung getroffen. Wir wollen, dass sie eingehalten wird!
Deusser: Benko hatte sich sogar verpflichtet, über einen Weiterbetrieb von Karstadt über 2025 hinaus zu verhandeln. Daran muss die Stadt ihn jetzt erinnern.
Noch einmal: Wie soll die Zukunft des Kaufhauses aussehen?
Gobrecht: Für jedes Kaufhaus muss ein Konzept entwickelt werden, das genau zum Standort und zur Region passt. Es braucht regionalisierte Angebote. Das heißt: Fehlt es in einer Innenstadt zum Beispiel an Läden für Geschirr und Bettzeug, dann muss das Kaufhaus sie anbieten.
Deusser: Ich will noch einige Zahlen nennen, um zu zeigen, wie die Kaufhäuser kaputtgespart worden sind. Vor 40 Jahren zählte der Kaufhof in Darmstadt 1200 Beschäftigte. Heute sind es noch 70, bei der gleichen Verkaufsfläche. Der Karstadt an der Zeil in Frankfurt besaß in den 70er Jahren 1400 Beschäftigte. Heute sind noch 220 davon übrig. Dieses Runterwirtschaften muss endlich aufhören.