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Keine Liebe für Bitcoin in El Salvador

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Von: Klaus Ehringfeld

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Die Angst um ihre Rente hat viele Menschen El Salvadors auf die Straßen getrieben: Bereits im vergangenen Sommer demonstrierten sie gegen die Bitcoin-Pläne der Regierung.
Die Angst um ihre Rente hat viele Menschen El Salvadors auf die Straßen getrieben: Bereits im vergangenen Sommer demonstrierten sie gegen die Bitcoin-Pläne der Regierung. © AFP

Die Kryptowährung Bitcoin ist ein offizielles Zahlungsmittel in El Salvador. Knapp ein halbes Jahr nach der Einführung ist klar: Die Bevölkerung lehnt den Dollar-Ersatz ab.

Es war deutliche Kritik, die der IWF Ende Januar an El Salvadors Regierung richtete. Der Internationale Währungsfonds rief Präsident Nayib Bukele dazu auf, dem Bitcoin den Status als nationales Zahlungsmittel wieder zu entziehen. Mit der Verwendung der virtuellen Währung seien große Risiken für die Finanzstabilität und den Verbraucherschutz verbunden, warnte die Finanzorganisation.

Doch Präsident Bukele, der im September sein kleines zentralamerikanisches Land als erstes auf der Welt mit dem Bitcoin als nationale Währung ausgestattet hatte, antwortete wie üblich: spottend mit einem Tweet. „I see you, IMF, That’s very nice“, schrieb er. „Schon verstanden, netter Versuch.“ Die Botschaft dieser Kurznachricht war klar: Wir lassen uns von euch nichts sagen.

Der selbst ernannte „CEO von El Salvador“, der sein Land wie ein Unternehmen führen will, ist auch fünf Monate nach der Einführung der Kryptowährung als paralleles Zahlungsmittel neben dem US-Dollar von seinem Experiment überzeugt. Währungsturbulenzen, Bitcoin-Abstürze, Kritik im In- und Ausland und vor allem die Ablehnung der digitalen Münzen als Zahlungsmittel durch die Bevölkerung lassen den 40-Jährigen kalt. Er hat sogar schon größere Pläne: Eine Bitcoin City soll entstehen, und Mitte März will Bukele mit Bitcoin-Bonds das so dringend benötigte Geld ins Land holen.

Bitcoin in El Salvador: Beliebt ist die Kryptowährung nicht

Denn die Kehrseite dieses global beobachteten Finanzexperiments ist, dass El Salvador, gerade mal so groß wie Hessen, kurz vor der Staatspleite steht. Das Land ist hoch verschuldet. El Salvadors Staatsanleihen zeigten 2021 die schlechteste Performance weltweit. Nur Venezuela und Argentinien haben in Lateinamerika ein höheres Länderrisiko auf dem Emerging Market Bond Index (EMBI) von JP Morgan. Und die Ratingagentur Fitch stellte El Salvador in der Kreditwürdigkeit ein schlechtes „B-“ aus. Alles keine guten Voraussetzungen für die laufenden Verhandlungen mit dem IWF um einen Kredit über 1,3 Milliarden Dollar.

„Der Präsident ist wie ein Zocker in einem virtuellen Casino, der mit dem Wohl der Bevölkerung spielt“, kritisiert Ricardo Castaneda vom Zentralamerikanisches Institut für fiskalische Studien (Icefi). Nach einem knappen halben Jahr bleibe die Einführung des Bitcoin ein „teures Experiment mit einem hohen Maß an Undurchsichtigkeit und Improvisation“, unterstreicht Castaneda im Gespräch mit der FR. 225,3 Millionen Dollar habe Bukele aus der Staatskasse für sein Lieblingsprojekt ausgegeben. Geld, das er zum Beispiel vom Bildungs- und Gesundheitsetat abgezweigt hat. „Also zahlen die Salvadorianer für den Bitcoin, unabhängig davon, ob sie ihn nutzen oder nicht.“

El Salvador macht keine Angaben zum Kauf von Bitcoins

Zudem gebe es keine offiziellen Zahlen von Regierungsseite, wie viele Bitcoins gekauft wurden oder wie die Kryptowährung akzeptiert werde. „Man muss schon dem Präsidenten auf Twitter folgen, um irgendwas zu erfahren“, sagt Castaneda. Der Kurznachrichtendienst ist ohnehin das bevorzugte Kommunikations- und auch Regierungsinstrument von Bukele.

Dass El Salvador gegenüber dem IWF keine Zugeständnisse mache, betonte Anfang des Monats auch Finanzminister Alejandro Zelaya: „Keine multilaterale Organisation kann dich zu irgendetwas zwingen“, sagte der Ressortchef nach der Kritik der Organisation. „Staaten sind souverän und treffen souveräne politische Entscheidungen.“

Opposition will Bitcoin aus El Salvador verbannen

Doch inzwischen steigt auch im Land der Druck. Die Opposition legte im Parlament ein Projekt zur Aufhebung des Bitcoin-Gesetzes vor. Mehr dürfte den autoritären Herrscher aber ärgern, dass die Kryptowährung in der Bevölkerung bisher kaum Akzeptanz findet. In der monatlichen Erhebung des Wirtschafts-Thinktanks Fusades gaben 81 Prozent der Menschen an, dass sie im Dezember keine Transaktionen mit Bitcoin vorgenommen hätten. Bei den Unternehmen waren es sogar 87 Prozent. Wichtig sei auch, dass offenbar die im Ausland lebenden Salvadorianer:innen die digitalen Münzen nicht für ihre Dollar-Überweisungen nutzen. Damit würde eines der Hauptargumente entkräftet, das Bukele für die Einführung angeführt hat. Laut der Zentralbank BCR wurden im Dezember gerade einmal 1,7 Prozent der Zahlungen über virtuelle Geldbörsen abgewickelt. Im Oktober waren es noch 4,4 Prozent.

Grund könnte laut Fusades sein, dass es mit der staatlichen Bitcoin-App „Chivo Wallet“ immer wieder technische Probleme gab. Bugs und Schwachstellen in der Software haben es Hackern mitunter leicht gemacht, Guthaben abzukassieren. „Oft sind auch Zahlungen abgebucht worden, aber nie beim Empfänger angekommen“, unterstreicht Icefi-Experte Castaneda. Insgesamt herrsche der Eindruck im Land vor, dass sich mit dem Bitcoin einige bereichert und gute Geschäfte gemacht hätten, dass aber die breite Mehrheit davon nichts hat. „In El Salvador lebt die Hälfte der 6,5 Millionen Einwohner in Armut. Es gibt Teile des Landes ohne Strom. Was sollen diese Menschen mit einer Kryptowährung anfangen?“

„Der Bitcoin ist gescheitert“

Trotz des geringen Vertrauens hat jedoch jeder zweite Salvadorianer die „Chivo Wallet“ auf sein Smartphone geladen. Teils aus Neugier, aber vor allem, um die 30 Dollar „Starterbonus“ zu nutzen. „Aber Salvadors Wirtschaft ist noch immer dollarisiert, und der Bitcoin hat keine Wichtigkeit“, hebt der Ökonom César Villalona hervor. „Selbst Bukele bekommt sein Geld in Dollar.“ Die monetäre Basis von El Salvador belaufe sich auf 17 Milliarden Dollar. „Dagegen hat die Regierung gerade mal Bitcoin für rund 90 Millionen gekauft. Das ist bedeutungslos. Der Bitcoin ist gescheitert“, ist sich Villalona sicher.

Bukele nutzt sein Kryptowährungsprojekt aber auch zu einem übergeordneten politischen Ziel. Er führt eine Art Kreuzzug gegen die internationalen Finanzorganisationen und die USA. Von beiden sind kleine und weitgehend arme Staaten gerade in Zentralamerika bei Krediten und dem Außenhandel extrem abhängig. Im Falle von El Salvador sind die Vereinigten Staaten der mit Abstand wichtigste Handelspartner. 40 Prozent der Ausfuhren gehen dorthin, 30 Prozent der Importe stammen von dort. In den übrigen Staaten der Region sieht es ähnlich aus. Bukele ist diese Abhängigkeit schon lange ein Dorn im Auge, auch weil Washington wirtschaftliche Unterstützung an politische „Korrektheit“ knüpft. Das stößt mit seinem autoritären Regierungsprojekt zusammen.

Bitcoin soll El Salvador unabhängiger von USA machen

Daher sucht er mit der Einführung des Bitcoin auch einen Ausweg aus der klassischen IWF-USA-Weltbank-Klemme. Er knüpft Allianzen mit anderen Ländern wie jüngst der Türkei. Bei einem Besuch in Ankara Anfang des Jahres unterzeichneten Bukele und Präsident Recep Tayyip Erdogan sechs bilaterale Kooperationsabkommen.

Von der ersten Märzhälfte an will El Salvador Bonds auf den Markt bringen, die vom Bitcoin gedeckt werden. Sie sollen rund eine Milliarde Dollar einbringen. „Wenn Bukele die Investoren für diese Anleihe begeistern kann, hat er gut lachen“, sagt Icefi-Experte Riccardo Castaneda. Aber in den ersten fünf Monaten seien die versprochenen Großinvestoren ausgeblieben. „Ob sie dann jetzt kommen? Wahrscheinlicher ist, dass El Salvador vor einer düsteren und komplexen Zukunft steht.“

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