Kein Investment mehr in Land

Jahrelang war die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe jahrelang an einem US-Fonds beteiligt, der Flächen in großem Stil auch in Brasilien aufkaufte. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das las Landgrabbing. Jetzt ist die Pensionskasse ausgestiegen.
Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) hat ihr vielfach kritisiertes Investment in Land in Brasilien aufgegeben. Wie die Pensionskasse auf Anfrage der FR bestätigte, wurden die Anteile am US-Fonds TIAA-Cref Global Agriculture Program (TCGA) bereits veräußert. Die Entscheidung diene nach mehr als elf Jahren Haltedauer der „strategischen Optimierung unserer Portfoliostruktur“, erklärte Markus Altenhoff, Geschäftsführer Kapitalanlage bei der ÄVWL. Der Beschluss dazu sei schon 2022 gefallen.
Bemerkt wurde der Ausstieg aus dem TCGA erst jetzt von der Menschenrechtsorganisation Fian, die das Investment seit Jahren anprangert. In Brasilien habe der von der ÄVWL mitfinanzierte Fonds bis 2016 rund 135 000 Hektar Land aufgekauft – insbesondere für Soja-Monokulturen, so Fian. Dies sei vor allem in der im Osten des Landes gelegenen Region Matopiba geschehen. „Mit ihren Millionen hat die Ärztekasse die Jagd nach Land verantwortungslos angeheizt“, erklärte Roman Herre, Agrarexperte bei Fian.
Die in Münster ansässige Pensionskasse hatte sich 2011 mit rund 100 Millionen US-Dollar am TCGA beteiligt und begründete das damals auch mit dem Argument, das Investment sei ein Beitrag zu Sicherung der Welternährung. Aber auch die erwartete satte Rendite spielte eine Rolle. So sollte durch eine langfristige Verpachtung „von bereits etablierten Landflächen“ ein stabiler „Einkommensstrom zur Sicherung des Rechnungszinses der ÄVWL“ erzielt werden, wie Kapitalanlagechef Altenhoff der FR erläuterte. Der ÄVWL sei es bei diesem „ersten und bisher einzigen Investment dieser Art“ in keiner Weise darum gegangen, „sich an einer Spekulation auf möglichst rasch steigende Nahrungsmittel- oder Grundstückspreise zu beteiligen“.
„Mit ihren Millionen hat die Ärztekasse die Jagd nach Land verantwortungslos angeheizt.“
Die Wirkung von Fonds wie TCGA sehen Menschenrechtsorganisationen indes äußerst kritisch. 2018 legte Fian dazu eine gemeinsam mit 30 Partnergruppen aus den USA, Kanada und Brasilien erstellte Studie vor. Die Untersuchung beschreibt, wie sich lokale Akteure in der Region Matopiba Land oft in krimineller Weise aneignen und es dann an internationale Investoren weiterreichen. „Ganze Gemeinden werden vertrieben, viele Menschen verlieren ihre Existenz und wandern in die Städte ab, wo sie in Slums ihre Existenzen in prekären oder illegalen Arbeitsverhältnissen zu sichern suchen“, heißt es im Report. Böden und Gewässer auf dem Land, das die Menschen verlassen mussten, würden durch den Einsatz von Agrarchemikalien auf den Monokulturen kontaminiert.
Auch Ärztinnen und Ärzte kritisierten daraufhin die Anlagepolitik ihrer Pensionskasse, wie die FR damals berichtete.
Die Ärzteversorgung habe die Vorwürfe zum Anlass genommen, das TCGA-Management um eine detaillierte Aufklärung zu bitten, betonte Altenhoff jetzt noch einmal. Dem sei der Fonds umfassend und nachvollziehbar nachgekommen. Bei der Auswahl der Investments orientiere sich der TCGA stets an international anerkannten Nachhaltigkeitskriterien wie den Principles for Responsible Investment. Der Fonds werde seiner „ethischen Verantwortung in hohem Maße gerecht“.
Das NRW-Finanzministerium weigerte sich, Betroffene aus Brasilien zu empfangen
Fian hingegen ist nach wie vor von „systematischen Menschenrechtsverletzungen im Kontext des Landgrabbings“ überzeugt. Deshalb hatte die Organisation auch das nordrhein-westfälische Finanzministerium als Aufsichtsinstanz in den vergangenen Jahren mehrfach aufgefordert, wegen der „kriminellen Machenschaften“ im Zusammenhang mit der Kapitalanlage der ÄVWL einzuschreiten.
Das Ministerium blieb nach Darstellung von Fian jedoch inaktiv und weigerte sich sogar, eine Delegation aus Brasilien mit einem Sprecher betroffener Gemeinden zu empfangen. „Auch angesichts der Debatten um nachhaltige Finanzen und das Lieferkettengesetz ist dies ein Armutszeugnis einer öffentlichen Behörde“, so Roman Herre.
Dass die Ärztekasse die Investition in dem Land nun „still und leise“ abgestoßen hat, sieht die Menschenrechtsorganisation „auch als Erfolg unserer Arbeit und der unserer Mitglieder, die immer wieder die Verantwortlichen in Politik und Ärzteschaft auf diese Investition hingewiesen haben“.
Die ÄVWL hat sich Fian zufolge bislang nicht dazu geäußert, ob sie nach ihrem Ausstieg aus dem Fonds „Versuche unternimmt, die betroffenen Gemeinden in Brasilien zu unterstützen“. Auch der FR wollte das Versorgungswerk diese Fragen nicht beantworten.