Kein Aufschub für Lützerath

Die Klage von Landwirt und Mietern scheitert: Der Braunkohlekonzern RWE darf das Gelände des Lützerather Landwirts Eckardt Heukamp räumen und die Gebäude abreißen.
In ihrem Koalitionsvertrag einigte sich die Ampelkoalition im Herbst auf einen Kohleausstieg „idealerweise 2030“. Für den Tagebau Garzweiler bedeutete dies: „Die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten. Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“ Dort hatte der Braunkohlekonzern RWE die vorzeitige Inbesitznahme des letzten Privatgrundes beantragt, die die Inanspruchnahme des Geländes schon vor einem Urteil im eigentlichen Enteignungsverfahren ermöglicht. Dagegen hatten der Lützerather Landwirt Eckardt Heukamp und seine Mieter geklagt.
Das Urteil des OVG Münster wurde nun veröffentlicht und gestattet dem Konzern die Räumung des Geländes und den Abriss der Gebäude – mit einem deutlichen Verweis auf den Gesetzgeber. So beträfe die Klage der Anwohner „klimapolitische Forderungen, die im geltenden Recht keine Grundlage haben und an den Gesetzgeber zu richten wären“. Und: „Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten gesetzlichen Festlegungen zur Verteilung eines nationalen CO2-Restbudgets fehlen noch weitgehend.“
Eckardt Heukamp sagte in einer Stellungnahme des Anwohnerbündnisses „Alle Dörfer bleiben“, er werde seinen Hof nicht verlassen. „Allen ist klar, dass der Kohleausstieg für den Klimaschutz vorgezogen wird und es deshalb eine neue Leitentscheidung braucht. Warum sollte ich gehen, wenn sich in ein paar Monaten herausstellt, dass mein Dorf bleiben kann?“ Von der nordrhein-westfälischen Landesregierung um Hendrik Wüst (CDU) forderte Heukamp ein Abrissmoratorium für Lützerath, „bis es eine neue Leitentscheidung gibt“.
Antje Grothus, ehemaliges Mitglied der Kohlekommission, sieht den sozialen Frieden in der Region gefährdet: „Ich fordere ein Moratorium nicht nur von Ministerpräsident Wüst, sondern vor allem auch von RWE, damit Dialog und Versöhnung möglich werden. Um den Kohleausstieg wirklich sozialverträglich zu gestalten, spreche ich mich entschieden gegen jede Zwangsenteignung für Kohle, Sand und Kies aus.“
Ein Déjà-Vu-Erlebnis ist das Urteil für Dirk Jansen vom BUND, der 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht eine ähnliche Klage gewann, als die Zerstörung einer Streuobstwiese für den Tagebau für rechtswidrig erklärt wurde. Schon damals forderte das Gericht eine angepasste Gesetzgebung. Jansen appelliert an die Bundesregierung: „Solange der Gesetzgeber nicht das Bundesbergrecht reformiert und das Kohleausstiegsgesetz endlich an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der 1,5°-Grenze anpasst, wird Bergrecht Grundrecht brechen.“
Fest steht aktuell also nur: Sollte RWE auf seinem durch das Urteil geschaffenen Rechtsanspruch beharren, werden sich mitten im NRW-Wahlkampf in dem zusätzlich von Aktivist:innen besetzten Weiler Bilder wie im Hambacher Wald wiederholen.
Az.: 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21