Kampf ums weiße Gold

Chile verfügt über riesige Reserven an Lithium und will von dem begehrten Rohstoff jetzt stärker profitieren.
Es ist das derzeit wohl begehrteste Metall auf der Welt. Und der Kampf um die Hoheit und den Abbau von Lithium hat schon lange begonnen, verschärft sich derzeit aber angesichts des Booms der Elektrofahrzeuge und des Bemühens um einen Übergang zu sauberer Energie deutlich. Hauptakteure sind dabei vor allem China, aber auch die USA, die verlorenes Terrain aufholen wollen. Nun ist mit Chile ein neuer Akteur hinzugekommen.
Schauplatz des Wettrennens ist vor allem Lateinamerika. Denn dort lagert mehr als die Hälfte des weltweiten Lithiumvorkommens – vor allem in Argentinien, Bolivien und Chile. Und dort hat die neue Linksregierung von Präsident Gabriel Boric mit dem Projekt ihrer „Nationalen Lithium-Strategie“ jetzt die Märkte in Bewegung gebracht. Das Vorhaben, das Boric Mitte April vorstellte, sieht vor, den Staat durch ein Modell der öffentlich-privaten Partnerschaften zum Hauptförderer zu machen. Zudem soll Chile die Hoheit über die Ressourcen behalten.
Chile will den Lithiumabbau nachhaltiger gestalten
In den neuen Gemeinschaftsunternehmen können Privatfirmen maximal einen Anteil von 49,9 Prozent halten. „Chile verfügt über eines der größten Lithiumvorkommen der Welt. „Wir können uns nicht erlauben, keinen Nutzen daraus zu ziehen“, sagte der Staatschef. Vergangenes Jahr steigerte Chile seine Lithiumproduktion um 777 Prozent auf 7,76 Milliarden Dollar. Das Metall wurde nach dem Kupfer zum wichtigsten Exportgut des Landes. Mit der neuen Strategie erfüllt Boric auch das Wahlversprechen, den Lithium-Abbau nachhaltiger zu gestalten.
Mineralien wie Lithium, Kobalt und Seltene Erden, die in vielen Produkten von Computern bis hin zu Haushaltsgeräten verwendet werden, sind unerlässliche Ausgangsstoffe für Batterien und Elektrofahrzeuge, Windturbinen oder Solarzellen. Nach Angaben der Weltbank müsste die Produktion des auch als das „weiße Gold“ bezeichneten Rohstoffs bis 2050 um 500 Prozent steigen, um die Nachfrage zu decken.
Nach Angaben der US-Wissenschaftsbehörde „United States Geological Survey“ (USGS) führt Bolivien die Liste mit nachgewiesenen Lithium-Reserven an, die auf 21 Millionen Tonnen geschätzt werden, gefolgt von Argentinien (19,3 Millionen) und Chile (9,6 Millionen). Beim Abbau des Alkalimetalls war Chile bis 2015 weltweit führend, wurde dann aber von Australien abgelöst, das vergangenes Jahr rund 61 000 Tonnen förderte, gefolgt von Chile (39 000) und China (19 000). In Lateinamerika holt vor allem Argentinien sprunghaft auf. Einem Bericht der US-Investmentbank JP Morgan vom Februar zufolge wird die argentinische Produktion bis 2030 die chilenische übertreffen.
China schließt lukrative Verträge ab
Die geballten Vorkommen im „Lithium-Dreieck“ Südamerikas haben schon vor Jahren China auf den Plan gerufen. Das asiatische Land war sehr früh und sehr aggressiv vor Ort und hat in allen drei Ländern lukrative Verträge abgeschlossen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sagten chinesische Unternehmen nach Angaben der Denkfabrik „Atlantic Council“ fast eine Milliarde US-Dollar für Lithiumprojekte in den bolivianischen Departements Potosí und Oruro zu. In Argentinien steckt Chery Automobile rund 400 Millionen Dollar in den Bau eines Werks zur Herstellung von Elektrofahrzeugen. Und in Chile hat sich ein chinesisches Konsortium dazu verpflichtet, in einen Lithiumindustriepark in der Stadt Antofagasta zu investieren.
Lateinamerika sei im Moment das „wichtigste Schlachtfeld“ für den globalen Lithiumabbau, sagte Benjamin Gedan, Lateinamerika-Direktor des Washingtoner Thinktanks „Wilson Center“ der BBC. Die USA seien spät dran und versuchten nun, den Vorteil Chinas auszugleichen, fügte Gedan hinzu. Inzwischen hat das Weiße Haus die Sicherung der Lieferkette von kritischen Mineralien aus strategischen Gründen ausdrücklich zu einer Priorität erklärt. Denn diese lieferten die „Bausteine für viele moderne Technologien und seien für die nationale Sicherheit und den Wohlstand unverzichtbar“, ließ US-Präsident Joe Biden vergangenes Jahr erklären.
Chile nimmt sich an Mexiko ein Beispiel
In Chile soll die neue Strategie künftig über eine nationale Lithium-Gesellschaft gemanagt werden. Bis zu ihrer Gründung bleibt der staatliche Kupferkonzern Codelco Ansprechpartner für künftige Partner. Derzeit bauen das chilenische Privatunternehmen SQM und der US-Konzern Albemarle, Nummer zwei und eins der globalen Lithium-Produzenten, im einzigen aktiven chilenischen Abbaugebiet Salar de Atacama Lithium ab. Ihre Verträge laufen 2030 und 2043 aus. Die Regierung will die Verträge respektieren, strebt aber eine Neuverhandlung an, um vorher die Kontrolle zu übernehmen.
Für das chilenische Vorhaben gibt es auch schon ein Vorbild in Lateinamerika. Vor einem Jahr verabschiedete der mexikanische Kongress ein Gesetz, das die Vergabe von Konzessionen an private Unternehmen zur Lithiumgewinnung verbietet. Der Rohstoff darf in Mexiko künftig nur von staatlichen Stellen gefördert und verkauft werden. Noch wird in dem Land allerdings kein Lithium gewonnen. Laut USGS steht Mexiko an zehnter Stelle der Länder mit den größten Reserven. Die bisher nachgewiesenen Mengen belaufen sich auf 1,7 Millionen Tonnen, das entspricht 2,3 Prozent der weltweiten Vorkommen.
