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Der Kaiser ist nackt!

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Von: Daniel Stelter

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Die erfolgreiche Eurorettung und ein gesundes Bankensystem sind eine Illusion. Das zu erkennen ein wichtiger Schritt, den allerdings nicht jeder gehen möchte.

Das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern ist eine schöne Parabel von der Macht der Einbildung, der Überzeugungskraft und des sozialen Drucks. Der Kaiser läuft nackt durch die Stadt, und alle bewundern sein schönes Gewand – bis schließlich ein vermeintlich naives Kind die Wahrheit ausruft: der Kaiser ist doch nackt!

Auch heute gelten nur jene ihres Amtes würdig, die die Illusion einer erfolgreichen Eurorettung und eines gesunden Bankensystems aufrechterhalten. Im Unterschied zum Märchen sind die Folgen der Wahrheit auch weitaus unangenehmer. Wir müssten uns eingestehen, dass nicht nur die Banken viel Geld verloren haben, sondern vor allem wir alle einer enormen Vermögens-Illusion erliegen. Unsere Forderungen in Form von Lebensversicherungen oder Pensionsansprüchen sind nicht so werthaltig wie angenommen, und auch die Vermögenspreise sind nur dank des massiven Einsatzes von Leverage, also Schulden, auf dem heutigen, hohen Niveau. Die tiefen Zinsen sind nichts anderes sind als eine Subventionierung derer, die bei uns das Geld geliehen haben – in der Regel Staaten und Unternehmen.

Aber wie im Märchen ist das Publikum sehr daran interessiert, dass die Illusion weiter besteht. Sparer und Vermögensbesitzer wollen keine Verluste realisieren, Banken weiter existieren, Politiker unpopuläre Entscheidungen vermeiden, Brüsseler Bürokraten weiterhin so tun, als ließe sich eine Währungsunion völlig unterschiedlicher Länder gegen alle Grundregeln der Ökonomie aufrechterhalten. Die Notenbanker, schließlich, genießen ihre Rolle als Retter der Welt.

Dumm ist nur, wenn das gemeinsame Ziel der (Selbst-)Illusionierung zu unterschiedlichen Prioritäten führt. Konkret ist das in der italienischen Bankenkrise der Fall. Der italienische Premier Renzi möchte den italienischen Sparern weiter vorgaukeln, dass die Bankpapiere, die sie gekauft haben, sicher sind. Nur allzu berechtigt ist seine Angst vor der Rache des Wählers und den Folgen einer aus dem Ruder laufenden Bankenkrise im Land. Unsere Bundeskanzlerin hingegen will die Illusion von der Euro-Rettungspolitik aufrechterhalten.

Dennoch kann es noch eine Weile dauern, bis jemand laut und deutlich ruft: „Der Kaiser ist nackt!“ Dass in der ersten Sitzung des EZB-Rates nach der Sommerpause die Geldschleusen nicht gleich um ein weiteres Stück geöffnet wurden, sollte man nicht überbewerten.

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