Jede Menge Arbeit für die Bafin

Der Chef der Finanzaufsicht benennt viele Risiken, die seine Behörde aktuell im Blick behalten muss.
Das meistgenutzte Wort des Vormittags war eindeutig „oder?“, mit einem schön gerollten „r“. Mark Branson, seit vergangenem August Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, stammt zwar ursprünglich aus Großbritannien, doch leitete er viele Jahre lang die Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma. Auf der Jahrespressekonferenz der Bafin am Dienstag in Frankfurt sprach er daher ein sehr gutes Deutsch, allerdings mit einem ausgeprägten „britisch-schweizerischen“ Akzent - und sehr vielen typisch schweizerischen „oder?“ am Satzende.
Branson soll frischen Wind in die Bafin bringen, die nach dem Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard massiv in der Kritik steht. Die Behörde wurde als Folge im vergangenen Jahr vom Gesetzgeber mit neuen Kompetenzen ausgestattet. Branson hat betont - erneut am Dienstag -, dass er die Kommunikation der Bafin transparenter gestalten will und dass er eine mutigere Behörde anpeilt - eine die im Zweifel auch mal gegen einen Finanzdienstleister vorgeht, selbst wenn nicht sicher ist, dass diese Entscheidung vor Gericht standhalten wird.
Die Bafin sei am 1. Mai zwanzig Jahre alt geworden, sagte Branson am Dienstag. Für einen größeren Festakt sei es aber nicht die richtige Zeit. „Jetzt müssen wir erst einmal zeigen, was in uns steckt“, erklärte er. Die Bafin habe die in sie gesteckten Erwartungen nicht immer erfüllt. „2021 haben wir uns daher verordnet, vorausschauender, entschlossener, risikoorientierter und zeitgemäßer zu arbeiten“, sagte er.
„Das deutsche Finanzsystem ist stabil“
Am Dienstag ging es aber weniger um die Reform der Finanzaufsicht. Es waren vielmehr die aktuellen Risiken für die Finanzbranche, die Branson in den Fokus rückte. Zwar startete er seine Rede mit dem beruhigenden Satz: „Das deutsche Finanzsystem ist stabil“. Die direkten Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen dürften für das deutsche Finanzsystem verkraftbar sein, da die Verflechtungen mit diesen Ländern und der Ukraine gering seien.
Anschließend jedoch zählte er - wenn auch in unaufgeregtem Tonfall - all die Risiken auf, die die Behörde nun priorisiert im Blick habe. Die Zweit- und Drittrundeneffekte des Kriegs seien schwer einzuschätzen. Als Beispiele nannte Branson die gebremste Weltwirtschaft, die gestörten Lieferketten, die hohe Inflation. All das hat Auswirkungen. Auf die Banken - etwa wenn Unternehmenskunden pleite gehen. Und auf Versicherer - beispielsweise weil die Schadensbegleichung wegen der Inflation teurer wird. Außerdem sieht die Bafin das Risiko eines Kurseinbruchs an den Kapitalmärkten.
Neben den Kriegsfolgen machen der Bafin weitere Themen Sorgen. Stark im Fokus steht für die Aufsicht die Bekämpfung von Geldwäsche, wo es noch viel Nachholbedarf bei den Banken gibt. Als weiteres Problem nannte Branson das niedrige Zinsniveau, das die Ergebnisse der Geldhäuser belaste. Hinzu kommt nun, dass erwartet wird, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen anheben wird. Sollte dies abrupt und zu schnell geschehen, wäre damit ein erhebliches Zinsänderungsrisiko für die Institute verbunden.
Fachleute machen sich Sorgen, dass die Immobilienblase platzt
Die Bafin schaue auch genau auf das Engagement der Banken und Versicherer auf dem Wohnimmobilienmarkt, der vielen Ökonom:innen inzwischen als überbewertet gilt. Die Sorge ist, dass die Blase platzen könnte. Dann wären die Sicherheiten der Banken weniger wert. Eine steigende Arbeitslosigkeit könnte auch dazu führen, dass Menschen ihre Immobilienkredite nicht mehr bedienen könnten, sagte Branson.
Auch auf die Unternehmenskredite blicke die Behörde. Dank der Staatshilfen sind die Firmen recht gut durch die Corona-Krise gekommen. „Mittlerweile weht der Wind aber wieder von vorne“, sagte Branson mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Die Aufsicht werfe daher einen genauen Blick auf die Kreditportfolien der Finanzinstitute, „diesmal aber mit Blick auf die energieintensiven oder rohstoffabhängigen Sektoren.“
Ein großes Risiko seien auch Cyberangriffe. „Wir analysieren seit Kriegsbeginn täglich unter anderem die Informationen aus dem nationalen Cyber-Abwehrzentrum und informieren die Finanzindustrie über mögliche Angriffsmuster“, so Branson.
Der Bafin geht die Arbeit definitiv nicht aus.