Inflation: Wo Preise steigen und das Leben teurer wird

Die Frankfurter Rundschau zeigt die Inflation im Detail: Wofür müssen Verbraucherinnen und Verbraucher mehr ausgeben, wo können sie sparen.
Wer in den siebziger Jahren oder später in Deutschland geboren wurde, der kann sich wohl kaum mehr an das Gefühl erinnern. Das Gefühl, dass der Lohn durch die Finger rinnt, weil fast alles teurer wird. Ja, nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 gab es einen ordentlichen Preisschub - an den sich aber oft nur jene erinnern, die damals schon gearbeitet haben und das Wegschmelzen des Gehalts schmerzhaft bemerkten.
Wer heute jünger ist als 50, der erinnert sich wohl kaum an die hohen Inflationsraten der siebziger Jahre, als der Jom-Kippur-Krieg auch in die Ölpreiskrise führte, 1973 die Inflationsrate in Deutschland auf 7,1 Prozent trieb. Auch die Jahre darauf blieb die Preissteigerungsrate hoch.
Deutschland hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten an sehr niedrige Inflationsraten gewöhnt. Die Europäische Zentralbank, die mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt, machte das eher unglücklich. Preisrückgänge will sie ebenso vermeiden wie zu hohe Preissteigerungen, beide schaden der Wirtschaft. Doch für die meisten Menschen war es emotional beruhigend, dass die Ausgaben für vieles Alltägliche nicht exorbitant stiegen.
Die Daten
Die Frankfurter Rundschau greift bei den hier abgebildeten Daten auf den Preismonitor des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden zurück. Dieser stellt beispielhaft die Entwicklung der Verbraucherpreise für ausgewählte häufig gekaufte Waren und Dienstleistungen dar. Die hier genutzten Zahlen zeigen, um wie viel Prozent die Preise im März 2019 (jeweils oberer Balken) und im März 2022 (jeweils unterer Balken) höher oder niedriger lagen als im Jahresdurchschnitt 2015. Der Preismonitor wird monatlich vom Statistischen Bundesamt aktualisiert, das Bezugsjahr ist immer 2015. Die FR hat den März 2019 gewählt, um die Lage vor Ausbruch der Corona-Pandemie darzustellen - im Vergleich zu 2015 und zu heute. Die detaillierten Zahlen für April 2022 veröffentlicht das Statistische Bundesamt am 11. Mai.
Als Basisjahr für seine Inflationsberechnungen nutzt das Statistische Bundesamt das Jahr 2015. Von 2015 bis 2021 sind die Nominallöhne in Deutschland laut der Behörde um 13,5 Prozent gestiegen. Gleichzeitig lag die Inflation nur bei 9,1 Prozent. Das heißt, real hatten die Menschen im vergangenen Jahr mehr im Portemonnaie als noch sechs Jahre zuvor. Und das, obgleich die Reallöhne in den Jahren 2020 und 2021 im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr sanken - zum einen wegen der starken Nutzung von Kurzarbeit, zum anderen wegen der zunehmenden Inflation.
Doch nun macht sich unter vielen Menschen die Angst breit, dass es echte Wohlstandsverluste geben könnte. Viele Ökonominnen und Ökonomen rechnen für dieses Jahr mit einer Inflationsrate von um die sechs Prozent. Im April lag die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamt vom Donnerstag bei 7,4 Prozent, ein Höchstwert seit der Deutschen Wiedervereinigung.
Im früheren Bundesgebiet habe es ähnlich hohe Inflationsraten zuletzt im Herbst 1981 gegeben, als infolge des ersten Golfkriegs zwischen dem Irak und dem Iran die Mineralölpreise deutlich gestiegen waren, erklärte die Behörde.
Ob solche Preissteigerungsraten durch höhere Löhne ausgeglichen werden, ist fraglich. Und ob dies wünschenswert wäre, ebenso. Denn was Ökonominnen und Ökonomen fürchten, ist eine Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation weiter antreiben könnte. In den siebziger Jahren folgte unter anderem daraus eine Rezession.
Wie stark Bürger und Bürgerinnen von dem Preisanstieg betroffen sind, hängt stark vom individuellen Konsumverhalten ab. Die FR gibt auf hier einen Überblick über die Entwicklung der Preise für verschiedene Produkte des alltäglichen Bedarfs von 2015 bis März 2022.
Teurer: So ziemlich alles
Der Krieg in der Ukraine hat viele Produkte deutlich verteuert. Dass die Energiekosten in die Höhe geschossen sind, ist hinreichend bekannt. Auch Mehl ist in den vergangenen Monaten teurer geworden, wobei die Preissteigerungen bereits Ende vergangenen Jahres begannen. Im März 2019 war Mehl „nur“ 6,1 Prozent teurer als im Jahresschnitt 2015, im März 2022 mussten Kundinnen und Kunden bereits 27,4 Prozent mehr zahlen.
Auch Speiseöle und Speisefette werden kostspieliger, Sonnenblumenöl ist aufgrund des Kriegs kaum mehr zu bekommen. Bereits im Frühjahr 2019 gab es bei den Ölen und Fetten allerdings einen Preisanstieg zu 2015 um 32 Prozent, inzwischen sind es 48,6 Prozent Inflation.
Dass Tageszeitungen sich stark verteuert haben, liegt nicht nur daran, dass viele von ihnen wegen sinkender Abonnentenzahlen und weniger Anzeigen ums Überleben kämpfen. Sondern daran, dass die Papierpreise 2021 regelrecht explodiert sind. So kostete gemischtes Altpapier im März 2019 noch 22,2 Prozent weniger als im Jahresdurchschnitt 2015, im März 2022 dagegen mehr als doppelt so viel wie vor sieben Jahren.
Einen sehr deutlichen Preisanstieg gab es zuletzt auch bei Gebrauchtwagen. Die gestörten Lieferketten führen zu Produktionsproblemen in der Automobilindustrie und teils langen Wartezeiten für den Neuwagen - daher entscheiden sich viele Menschen für einen gebrauchten Pkw. Im März 2019 waren diese 7,2 Prozent teurer als 2015, inzwischen liegt das Plus bei 32,9 Prozent. Stark verteuert haben sich zudem Handwerksdienstleistungen. So müssen Verbraucherinnen und Verbraucher inzwischen 39,3 Prozent mehr für einen Elektriker zahlen als noch 2015.
Billiger: So ziemlich nichts
Es ist gar nicht so leicht, in den langen Produktlisten des Verbraucherpreisindex zur Messung der Inflation, die das Statistische Bundesamt bereitstellt, etwas zu finden, was über die Jahre günstiger geworden ist. Fündig wird man - aber auch nur in Teilbereichen - im Elektroniksektor.
So sind Kühl- und Gefrierschränke momentan 0,9 Prozent günstiger zu haben als noch 2015, auch Waschmaschinen und Geschirrspüler sind weniger teuer. „Nahrungsmittelherstellungsmaschinen“ wie das Statistische Bundesamt Geräte wie den Thermomix nennt, waren zuletzt ein Prozent billiger als noch vor sieben Jahren.
Allerdings hat sich die Reparatur von Haushaltsgeräten in diesem Zeitraum um 20,5 Prozent verteuert. Und während sich PCs um mehr als sieben Prozent verbilligt haben, die Preise für Radios, Fernseher und Smartphones noch deutlicher gesunken sind und auch Festnetztelefone leicht günstiger sind als noch vor einigen Jahren, haben sich Kameras im März 2022 im Vergleich zu 2015 um 22,5 Prozent verteuert. Und auch für Computersoftware zahlen Kundinnen und Kunden 15 Prozent mehr.
Von einem einheitlichen Bild kann man also nicht sprechen. Wer die Liste der im Verbraucherpreisindex enthaltenen Produkte weiter hinunterscrollt und wirklich emsig sucht, findet auch noch ganz wenige weitere Dinge, die sich verbilligt haben. Zum Beispiel die Ausrüstung für Freizeitpferde und Ponys. Die ist sechs Prozent billiger als noch im Jahr 2015. Na bravo.